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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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IX. Vertrags-Verhandlungen.
zugleich zulassen, das Nationalgefühl werde sich dagegen empören,
es sei ganz und gar unmöglich." Umsonst versicherte Graf Eulen-
burg
, dass die dreissig Staaten nur ein Volk seien, umsonst, dass
nur fünf verschiedene Flaggen in den japanischen Häfen erscheinen
würden, da nur so viele norddeutsche Staaten Schiffahrt trieben;
er erinnerte sie vergebens daran, dass er gleich bei seiner Ankunft
schriftlich die Absicht ausgesprochen habe, einen Vertrag für Nord-
deutschland
zu machen, dass durch den überreichten Entwurf
nur ein diplomatischer Agent für alle contrahirenden Staaten und
nur ein Consul in jedem Hafen verlangt werde, dass das Recht
der Hansestädte, besondere Consuln anzustellen, in einem Separat-
Artikel stipulirt sei, der erst später Gegenstand der Debatte werden
solle, und dass es rathsamer für Japan sei, jetzt mit Preussen zugleich
für alle übrigen Staaten einen Vertrag zu schliessen als -- später
von jedem derselben einzeln um einen solchen angegangen zu werden.
Dieses nicht ganz stichhaltige Argument glaubte der Gesandte auch
im weiteren Verfolge der Verhandlungen zur Erreichung seiner
Zwecke besonders betonen zu müssen, weil es fast die einzige
verwundbare Stelle der japanischen Regierung war, und die Aussicht,
sich in den nächsten Jahren von mehreren Gesandtschaften belagert
zu sehen, sie schon damals beunruhigte. Wenn irgend etwas sie
zu dem erweiterten Vertrage bewegen konnte, so war es allein
die Sicherheit, auf einige Zeit Ruhe zu haben.

Der Gesandte übergab den Bunyo's beim Abschied eine hollän-
dische Uebersetzung des dem Vertrage anzufügenden Handelsregle-
ments und bat sie, die Karte von Norddeutschland, auf welcher der
ganze Zollverein mit einer alle anderen Länderabtheilungen verdun-
kelnden scharlachrothen Linie umzogen war, dem Minister des Aus-
wärtigen als Geschenk zu überreichen. Er hatte mit demselben
zwei Tage darauf eine mehrstündige Conferenz, welcher der Lega-
tionssecretär Pieschel und der Attache von Brandt beiwohnten.

Ando Tsus-sima-no-kami entschuldigte sich beim Empfange,
dass er den Gesandten so lange nicht zu sich eingeladen habe und
führte als Grund den Umzug des Taikun in dessen neu erbautes
Schloss an, mit welchem er ganz beschäftigt gewesen sei. Der Minister
des Auswärtigen scheint also auch als Hofmarschall zu fungiren.
Er eröffnete das politische Gespräch mit der Bemerkung, dass die
Regierung sich trotz der öffentlichen Meinung und nur deshalb zu
einem Vertrage mit Preussen entschlösse, weil der Gesandte so lange

II. 9

IX. Vertrags-Verhandlungen.
zugleich zulassen, das Nationalgefühl werde sich dagegen empören,
es sei ganz und gar unmöglich.« Umsonst versicherte Graf Eulen-
burg
, dass die dreissig Staaten nur ein Volk seien, umsonst, dass
nur fünf verschiedene Flaggen in den japanischen Häfen erscheinen
würden, da nur so viele norddeutsche Staaten Schiffahrt trieben;
er erinnerte sie vergebens daran, dass er gleich bei seiner Ankunft
schriftlich die Absicht ausgesprochen habe, einen Vertrag für Nord-
deutschland
zu machen, dass durch den überreichten Entwurf
nur ein diplomatischer Agent für alle contrahirenden Staaten und
nur ein Consul in jedem Hafen verlangt werde, dass das Recht
der Hansestädte, besondere Consuln anzustellen, in einem Separat-
Artikel stipulirt sei, der erst später Gegenstand der Debatte werden
solle, und dass es rathsamer für Japan sei, jetzt mit Preussen zugleich
für alle übrigen Staaten einen Vertrag zu schliessen als — später
von jedem derselben einzeln um einen solchen angegangen zu werden.
Dieses nicht ganz stichhaltige Argument glaubte der Gesandte auch
im weiteren Verfolge der Verhandlungen zur Erreichung seiner
Zwecke besonders betonen zu müssen, weil es fast die einzige
verwundbare Stelle der japanischen Regierung war, und die Aussicht,
sich in den nächsten Jahren von mehreren Gesandtschaften belagert
zu sehen, sie schon damals beunruhigte. Wenn irgend etwas sie
zu dem erweiterten Vertrage bewegen konnte, so war es allein
die Sicherheit, auf einige Zeit Ruhe zu haben.

Der Gesandte übergab den Bunyo’s beim Abschied eine hollän-
dische Uebersetzung des dem Vertrage anzufügenden Handelsregle-
ments und bat sie, die Karte von Norddeutschland, auf welcher der
ganze Zollverein mit einer alle anderen Länderabtheilungen verdun-
kelnden scharlachrothen Linie umzogen war, dem Minister des Aus-
wärtigen als Geschenk zu überreichen. Er hatte mit demselben
zwei Tage darauf eine mehrstündige Conferenz, welcher der Lega-
tionssecretär Pieschel und der Attaché von Brandt beiwohnten.

Ando Tsus-sima-no-kami entschuldigte sich beim Empfange,
dass er den Gesandten so lange nicht zu sich eingeladen habe und
führte als Grund den Umzug des Taïkūn in dessen neu erbautes
Schloss an, mit welchem er ganz beschäftigt gewesen sei. Der Minister
des Auswärtigen scheint also auch als Hofmarschall zu fungiren.
Er eröffnete das politische Gespräch mit der Bemerkung, dass die
Regierung sich trotz der öffentlichen Meinung und nur deshalb zu
einem Vertrage mit Preussen entschlösse, weil der Gesandte so lange

II. 9
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[129/0149] IX. Vertrags-Verhandlungen. zugleich zulassen, das Nationalgefühl werde sich dagegen empören, es sei ganz und gar unmöglich.« Umsonst versicherte Graf Eulen- burg, dass die dreissig Staaten nur ein Volk seien, umsonst, dass nur fünf verschiedene Flaggen in den japanischen Häfen erscheinen würden, da nur so viele norddeutsche Staaten Schiffahrt trieben; er erinnerte sie vergebens daran, dass er gleich bei seiner Ankunft schriftlich die Absicht ausgesprochen habe, einen Vertrag für Nord- deutschland zu machen, dass durch den überreichten Entwurf nur ein diplomatischer Agent für alle contrahirenden Staaten und nur ein Consul in jedem Hafen verlangt werde, dass das Recht der Hansestädte, besondere Consuln anzustellen, in einem Separat- Artikel stipulirt sei, der erst später Gegenstand der Debatte werden solle, und dass es rathsamer für Japan sei, jetzt mit Preussen zugleich für alle übrigen Staaten einen Vertrag zu schliessen als — später von jedem derselben einzeln um einen solchen angegangen zu werden. Dieses nicht ganz stichhaltige Argument glaubte der Gesandte auch im weiteren Verfolge der Verhandlungen zur Erreichung seiner Zwecke besonders betonen zu müssen, weil es fast die einzige verwundbare Stelle der japanischen Regierung war, und die Aussicht, sich in den nächsten Jahren von mehreren Gesandtschaften belagert zu sehen, sie schon damals beunruhigte. Wenn irgend etwas sie zu dem erweiterten Vertrage bewegen konnte, so war es allein die Sicherheit, auf einige Zeit Ruhe zu haben. Der Gesandte übergab den Bunyo’s beim Abschied eine hollän- dische Uebersetzung des dem Vertrage anzufügenden Handelsregle- ments und bat sie, die Karte von Norddeutschland, auf welcher der ganze Zollverein mit einer alle anderen Länderabtheilungen verdun- kelnden scharlachrothen Linie umzogen war, dem Minister des Aus- wärtigen als Geschenk zu überreichen. Er hatte mit demselben zwei Tage darauf eine mehrstündige Conferenz, welcher der Lega- tionssecretär Pieschel und der Attaché von Brandt beiwohnten. Ando Tsus-sima-no-kami entschuldigte sich beim Empfange, dass er den Gesandten so lange nicht zu sich eingeladen habe und führte als Grund den Umzug des Taïkūn in dessen neu erbautes Schloss an, mit welchem er ganz beschäftigt gewesen sei. Der Minister des Auswärtigen scheint also auch als Hofmarschall zu fungiren. Er eröffnete das politische Gespräch mit der Bemerkung, dass die Regierung sich trotz der öffentlichen Meinung und nur deshalb zu einem Vertrage mit Preussen entschlösse, weil der Gesandte so lange II. 9

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/149>, abgerufen am 21.11.2024.