[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.Seeleben. XI. denn endlich das Ziel der Reise vor uns, eine herrliche Küste vonbewegten Umrissen, mit tiefen Einschnitten und vielen Felseninseln. Die Sonne schien köstlich, und segelnde Wolkenmassen schleppten ihre breiten tiefen Streifschatten über Meer, Gebirge und Inseln. Es war der achtzehnte Tag seit der Abreise von Yokuhama und wir waren Alle herzlich froh. Die ersten Tage waren die schlimmsten gewesen, aber wir wurden bei dem ewig wechselnden Wetter auch nachher selten nur auf einige Stunden des Lebens froh. Kaum waren die Luken geöffnet, so mussten sie schon wieder zugeschraubt werden. Wollten die Musiker spielen, was sie sich ungern nehmen liessen, so löste der schönste Marsch, nach einigen verdächtigen Ausweichungen beim Wachsen des Sturmwindes, sich mit stärkerem Ueberholen des Schiffes oft plötzlich in einen schmerzlichen Jammer- schrei aller Instrumente auf und starb kläglich ächzend dahin. -- Es scheint ruhig zu werden und man setzt sich zu Tische; aber die heisse Suppe läuft dem hungrigen Gast gleich über die Beine, er greift wirren Blickes krampfhaft nach Tellern, Gläsern, Messern und Gabeln, welche die grösste Neigung ihn zu verlassen zeigen, und taumelt schliesslich gegen den bedrängten Nachbar. Wenn man den ganzen Tag Licht brennen und in Wasserstiefeln gehen muss, ohne irgend einen ruhigen Sitz zu finden, wenn es draussen schneit und regnet und kalte Brausewellen über das Verdeck spülen, wenn die Balken garnicht aufhören mit Krachen und Knarren und man in der Koje hin und her wackelt wie ein Glockenklöpfel, so ist eine Wasserfahrt wenigstens für den Landmann ein sehr zweifel- haftes Vergnügen. Es gab auch schöne und unvergessliche Momente auf dieser Reise, die in der Erinnerung alle Unbequemlichkeiten aufwiegen, -- so der Eindruck des Felsenriffes im Stillen Ocean, der Abend und Morgen in der Vandiemens-Strasse, der Anblick der Küste von Nangasaki; -- aber in der Gegenwart schienen uns diese Genüsse etwas theuer erkauft. Thetis war der Arkona in der Nacht ein beträchtliches Stück Die Bai von Nangasaki schneidet tief in das Land hinein; Seeleben. XI. denn endlich das Ziel der Reise vor uns, eine herrliche Küste vonbewegten Umrissen, mit tiefen Einschnitten und vielen Felseninseln. Die Sonne schien köstlich, und segelnde Wolkenmassen schleppten ihre breiten tiefen Streifschatten über Meer, Gebirge und Inseln. Es war der achtzehnte Tag seit der Abreise von Yokuhama und wir waren Alle herzlich froh. Die ersten Tage waren die schlimmsten gewesen, aber wir wurden bei dem ewig wechselnden Wetter auch nachher selten nur auf einige Stunden des Lebens froh. Kaum waren die Luken geöffnet, so mussten sie schon wieder zugeschraubt werden. Wollten die Musiker spielen, was sie sich ungern nehmen liessen, so löste der schönste Marsch, nach einigen verdächtigen Ausweichungen beim Wachsen des Sturmwindes, sich mit stärkerem Ueberholen des Schiffes oft plötzlich in einen schmerzlichen Jammer- schrei aller Instrumente auf und starb kläglich ächzend dahin. — Es scheint ruhig zu werden und man setzt sich zu Tische; aber die heisse Suppe läuft dem hungrigen Gast gleich über die Beine, er greift wirren Blickes krampfhaft nach Tellern, Gläsern, Messern und Gabeln, welche die grösste Neigung ihn zu verlassen zeigen, und taumelt schliesslich gegen den bedrängten Nachbar. Wenn man den ganzen Tag Licht brennen und in Wasserstiefeln gehen muss, ohne irgend einen ruhigen Sitz zu finden, wenn es draussen schneit und regnet und kalte Brausewellen über das Verdeck spülen, wenn die Balken garnicht aufhören mit Krachen und Knarren und man in der Koje hin und her wackelt wie ein Glockenklöpfel, so ist eine Wasserfahrt wenigstens für den Landmann ein sehr zweifel- haftes Vergnügen. Es gab auch schöne und unvergessliche Momente auf dieser Reise, die in der Erinnerung alle Unbequemlichkeiten aufwiegen, — so der Eindruck des Felsenriffes im Stillen Ocean, der Abend und Morgen in der Vandiemens-Strasse, der Anblick der Küste von Naṅgasaki; — aber in der Gegenwart schienen uns diese Genüsse etwas theuer erkauft. Thetis war der Arkona in der Nacht ein beträchtliches Stück Die Bai von Naṅgasaki schneidet tief in das Land hinein; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0206" n="186"/><fw place="top" type="header">Seeleben. 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Seeleben. XI.
denn endlich das Ziel der Reise vor uns, eine herrliche Küste von
bewegten Umrissen, mit tiefen Einschnitten und vielen Felseninseln.
Die Sonne schien köstlich, und segelnde Wolkenmassen schleppten
ihre breiten tiefen Streifschatten über Meer, Gebirge und Inseln.
Es war der achtzehnte Tag seit der Abreise von Yokuhama und
wir waren Alle herzlich froh. Die ersten Tage waren die schlimmsten
gewesen, aber wir wurden bei dem ewig wechselnden Wetter auch
nachher selten nur auf einige Stunden des Lebens froh. Kaum
waren die Luken geöffnet, so mussten sie schon wieder zugeschraubt
werden. Wollten die Musiker spielen, was sie sich ungern nehmen
liessen, so löste der schönste Marsch, nach einigen verdächtigen
Ausweichungen beim Wachsen des Sturmwindes, sich mit stärkerem
Ueberholen des Schiffes oft plötzlich in einen schmerzlichen Jammer-
schrei aller Instrumente auf und starb kläglich ächzend dahin. —
Es scheint ruhig zu werden und man setzt sich zu Tische; aber
die heisse Suppe läuft dem hungrigen Gast gleich über die Beine,
er greift wirren Blickes krampfhaft nach Tellern, Gläsern, Messern
und Gabeln, welche die grösste Neigung ihn zu verlassen zeigen,
und taumelt schliesslich gegen den bedrängten Nachbar. Wenn man
den ganzen Tag Licht brennen und in Wasserstiefeln gehen muss,
ohne irgend einen ruhigen Sitz zu finden, wenn es draussen schneit
und regnet und kalte Brausewellen über das Verdeck spülen, wenn
die Balken garnicht aufhören mit Krachen und Knarren und man
in der Koje hin und her wackelt wie ein Glockenklöpfel, so ist
eine Wasserfahrt wenigstens für den Landmann ein sehr zweifel-
haftes Vergnügen. Es gab auch schöne und unvergessliche Momente
auf dieser Reise, die in der Erinnerung alle Unbequemlichkeiten
aufwiegen, — so der Eindruck des Felsenriffes im Stillen Ocean,
der Abend und Morgen in der Vandiemens-Strasse, der Anblick
der Küste von Naṅgasaki; — aber in der Gegenwart schienen
uns diese Genüsse etwas theuer erkauft.
Thetis war der Arkona in der Nacht ein beträchtliches Stück
vorausgekommen, konnte aber am Morgen nicht weiter, weil der
Wind vom Lande her blies. Capitän Sundewall liess deshalb heizen,
dampfte zu ihr hin und nahm sie in das Schlepptau.
Die Bai von Naṅgasaki schneidet tief in das Land hinein;
innen öffnen sich zwischen malerischen Vorgebirgen viele engere
Nebenbuchten mit heimlichen Fischerdörfchen; die Höhen tragen
immergrüne Wälder; wo Ackerbau möglich ist, steigen Terrassen
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