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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Oberst von Siebold. Die neue Ansiedlung. XI.
hatte der Besitzer eine reiche Sammlung japanischer Gewächse aus
allen Theilen und Lagen des Reiches gepflanzt und die Bodenver-
hältnisse seines Grundstückes mit grosser Einsicht benutzt, um jeder
Pflanze die ihrer Entwickelung zuträglichen Lebensbedingungen zu
schaffen. Er verfügte über eine reichhaltige wissenschaftliche Bibliothek
und sammelte eifrig Material zur Vollendung seines encyclopädischen
Werkes. Die Schwierigkeit japanische Karten und Bücher historischen
oder geographischen Inhalts zu erlangen, war seit Zulassung der
Fremden viel geringer als früher; Herr von Siebold hatte zur Zeit
unserer Anwesenheit wieder eine Sammlung von achthundert Bänden
zusammengebracht und vermehrte deren Zahl bei seinem Aufenthalt
in Yeddo, im Sommer desselben Jahres, wahrscheinlich noch be-
deutend. -- Er und sein ältester Sohn, der später als Dolmetscher
und Gesandtschafts-Attache in englische Dienste getreten ist, lebten
in Nangasaki fast ausschliesslich im Verkehr mit Japanern und
kamen mit den Bewohnern von Desima und den übrigen Fremden
wenig in Berührung. Herr von Siebold ist bekanntlich ein grosser
Bewunderer des japanischen Volkes und tief durchdrungen von dessen
hoher Begabung, Intelligenz und Tüchtigkeit. Er schien bei seinen
einheimischen Nachbarn grosser Achtung und Freundschaft zu
geniessen.

An der neuen Ansiedlung der Fremden am Südost-Ufer der
Bai wurde damals rüstig gearbeitet. Der Baugrund ist eben; man
hat eine Bucht, deren seichtes Wasser zur Ebbezeit den Boden fast
trocken zu lassen pflegte, durch einen Damm vom Meere abgeschnit-
ten, entwässert und ausgefüllt. Ein schnurgrader stattlicher Quai
begränzt die Niederlassung nach dem Hafen zu, auf der Landseite
umgibt sie ringsum ein grüner Hügelkranz, an dessen Abhängen die
Consuln in Tempeln und zierlichen Landhäuschen mitten im Camelien-,
Lorbeer- und Myrthengebüsch wohnen. -- Die Niederlassung ist
städtisch angelegt, mit graden, rechtwinkligen Strassen; nur wenige
Häuser waren zur Zeit unserer Anwesenheit fertig, aber man baute
mit grossem Eifer.

Der Weg von da nach der Stadt führt am Seegestade entlang
und an dem Todzin-Yasiki, dem mauerumschlossenen Stadtviertel
der Chinesen vorüber. Ihr jetziger Handel scheint gering, was
theils in der steigenden Concurrenz der westländischen Fremden,
zumeist aber wohl in der Erschlaffung der Nation, dem Verfall
ihrer politischen Einrichtungen, und der Verwüstung der gewerb-

Oberst von Siebold. Die neue Ansiedlung. XI.
hatte der Besitzer eine reiche Sammlung japanischer Gewächse aus
allen Theilen und Lagen des Reiches gepflanzt und die Bodenver-
hältnisse seines Grundstückes mit grosser Einsicht benutzt, um jeder
Pflanze die ihrer Entwickelung zuträglichen Lebensbedingungen zu
schaffen. Er verfügte über eine reichhaltige wissenschaftliche Bibliothek
und sammelte eifrig Material zur Vollendung seines encyclopädischen
Werkes. Die Schwierigkeit japanische Karten und Bücher historischen
oder geographischen Inhalts zu erlangen, war seit Zulassung der
Fremden viel geringer als früher; Herr von Siebold hatte zur Zeit
unserer Anwesenheit wieder eine Sammlung von achthundert Bänden
zusammengebracht und vermehrte deren Zahl bei seinem Aufenthalt
in Yeddo, im Sommer desselben Jahres, wahrscheinlich noch be-
deutend. — Er und sein ältester Sohn, der später als Dolmetscher
und Gesandtschafts-Attaché in englische Dienste getreten ist, lebten
in Naṅgasaki fast ausschliesslich im Verkehr mit Japanern und
kamen mit den Bewohnern von Desima und den übrigen Fremden
wenig in Berührung. Herr von Siebold ist bekanntlich ein grosser
Bewunderer des japanischen Volkes und tief durchdrungen von dessen
hoher Begabung, Intelligenz und Tüchtigkeit. Er schien bei seinen
einheimischen Nachbarn grosser Achtung und Freundschaft zu
geniessen.

An der neuen Ansiedlung der Fremden am Südost-Ufer der
Bai wurde damals rüstig gearbeitet. Der Baugrund ist eben; man
hat eine Bucht, deren seichtes Wasser zur Ebbezeit den Boden fast
trocken zu lassen pflegte, durch einen Damm vom Meere abgeschnit-
ten, entwässert und ausgefüllt. Ein schnurgrader stattlicher Quai
begränzt die Niederlassung nach dem Hafen zu, auf der Landseite
umgibt sie ringsum ein grüner Hügelkranz, an dessen Abhängen die
Consuln in Tempeln und zierlichen Landhäuschen mitten im Camelien-,
Lorbeer- und Myrthengebüsch wohnen. — Die Niederlassung ist
städtisch angelegt, mit graden, rechtwinkligen Strassen; nur wenige
Häuser waren zur Zeit unserer Anwesenheit fertig, aber man baute
mit grossem Eifer.

Der Weg von da nach der Stadt führt am Seegestade entlang
und an dem Todžin-Yasiki, dem mauerumschlossenen Stadtviertel
der Chinesen vorüber. Ihr jetziger Handel scheint gering, was
theils in der steigenden Concurrenz der westländischen Fremden,
zumeist aber wohl in der Erschlaffung der Nation, dem Verfall
ihrer politischen Einrichtungen, und der Verwüstung der gewerb-

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[202/0222] Oberst von Siebold. Die neue Ansiedlung. XI. hatte der Besitzer eine reiche Sammlung japanischer Gewächse aus allen Theilen und Lagen des Reiches gepflanzt und die Bodenver- hältnisse seines Grundstückes mit grosser Einsicht benutzt, um jeder Pflanze die ihrer Entwickelung zuträglichen Lebensbedingungen zu schaffen. Er verfügte über eine reichhaltige wissenschaftliche Bibliothek und sammelte eifrig Material zur Vollendung seines encyclopädischen Werkes. Die Schwierigkeit japanische Karten und Bücher historischen oder geographischen Inhalts zu erlangen, war seit Zulassung der Fremden viel geringer als früher; Herr von Siebold hatte zur Zeit unserer Anwesenheit wieder eine Sammlung von achthundert Bänden zusammengebracht und vermehrte deren Zahl bei seinem Aufenthalt in Yeddo, im Sommer desselben Jahres, wahrscheinlich noch be- deutend. — Er und sein ältester Sohn, der später als Dolmetscher und Gesandtschafts-Attaché in englische Dienste getreten ist, lebten in Naṅgasaki fast ausschliesslich im Verkehr mit Japanern und kamen mit den Bewohnern von Desima und den übrigen Fremden wenig in Berührung. Herr von Siebold ist bekanntlich ein grosser Bewunderer des japanischen Volkes und tief durchdrungen von dessen hoher Begabung, Intelligenz und Tüchtigkeit. Er schien bei seinen einheimischen Nachbarn grosser Achtung und Freundschaft zu geniessen. An der neuen Ansiedlung der Fremden am Südost-Ufer der Bai wurde damals rüstig gearbeitet. Der Baugrund ist eben; man hat eine Bucht, deren seichtes Wasser zur Ebbezeit den Boden fast trocken zu lassen pflegte, durch einen Damm vom Meere abgeschnit- ten, entwässert und ausgefüllt. Ein schnurgrader stattlicher Quai begränzt die Niederlassung nach dem Hafen zu, auf der Landseite umgibt sie ringsum ein grüner Hügelkranz, an dessen Abhängen die Consuln in Tempeln und zierlichen Landhäuschen mitten im Camelien-, Lorbeer- und Myrthengebüsch wohnen. — Die Niederlassung ist städtisch angelegt, mit graden, rechtwinkligen Strassen; nur wenige Häuser waren zur Zeit unserer Anwesenheit fertig, aber man baute mit grossem Eifer. Der Weg von da nach der Stadt führt am Seegestade entlang und an dem Todžin-Yasiki, dem mauerumschlossenen Stadtviertel der Chinesen vorüber. Ihr jetziger Handel scheint gering, was theils in der steigenden Concurrenz der westländischen Fremden, zumeist aber wohl in der Erschlaffung der Nation, dem Verfall ihrer politischen Einrichtungen, und der Verwüstung der gewerb-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/222>, abgerufen am 21.11.2024.