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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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XI. Inasia. Dampfmaschinenfabrik.
die russische Fregatte Aschol in einem Zustande hier ein, der um-
fassende Reparaturen nothwendig machte; die Mannschaft wurde
ausgeschifft und liess sich auf diesem von den Behörden angewie-
senen Grundstück häuslich nieder. Seitdem haben die Russen den
Platz nicht wieder herausgegeben, sondern als Kohlenlager und
Proviantstation für ihre im Stillen Ocean kreuzenden Kriegsschiffe
benutzt. Sie besitzen dort auch einen Begräbnissplatz, wo am
22. Februar die Leiche eines auf der Arkona gestorbenen Unteroffi-
ciers beigesetzt wurde. Der Ort heisst Inasia.

Nicht weit von dieser Niederlassung liegt die Dampfmaschinen-
Fabrik des Fürsten von Fidsen. Die ganze Anstalt wurde für den
Besitzer vor einigen Jahren in Holland ausgeführt und dann unter
Aufsicht des Capitän Kattandyck, späteren niederländischen Marine-
Ministers und eines Oberingenieurs an ihrem jetzigen Standorte auf-
gestellt. Sie enthält einen Dampfhammer, Giessereien und Werk-
stätten zur Fabrication aller möglichen Dampfmaschinentheile, und
ist beständig in vollem Gange. Anfangs von holländischen Arbeitern
betrieben war sie zur Zeit unserer Anwesenheit bis auf die oberste
Leitung ganz in den Händen der Japaner. Der zurückgebliebene
holländische Vorsteher rühmte die Einsicht und Anstelligkeit seiner
japanischen Schüler und hat jetzt dieselben wohl längst sich selbst
überlassen. Die Anstalt bewahrt übrigens einen glänzenden Beweis
für die Intelligenz und Geschicklichkeit der Eingeborenen in einer
Dampfmaschine mit röhrenförmigem Kessel, welche von japanischen
Mechanikern verfertigt und mit Erfolg zur Fortbewegung eines Bootes
angewendet worden ist, ehe irgend ein Dampfschiff die japanischen
Gewässer besuchte. Die Angabe dass sie erst nach Ankunft des
amerikanischen Dampfers Missisippi gebaut wäre, beruht auf einem
Irrthum. Die Maschine ist natürlich sehr unvollkommen; aber die
Thatsache, dass sie bloss nach Abbildungen und Beschreibungen
ohne irgend ein europäisches Modell gebaut wurde, ist ein redendes
Zeugniss von dem Verständniss der japanischen Ingenieure für die
Gesetze der Physik und Mechanik.

Der Gesandte empfing an Bord der Arkona täglich viele Be-
suche, unter denen vor allen der des Oberst von Siebold zu erwähnen
ist. Er lebte damals auf einem Landhause in der Nähe der Stadt,
wo Graf Eulenburg noch am Tage vor der Abreise seinen Besuch
erwiederte. Die Wohngebäude liegen sehr hübsch am Fusse des
Berges: der umgebende Garten zieht sich den Abhang hinan: hier

XI. Inasia. Dampfmaschinenfabrik.
die russische Fregatte Aschol in einem Zustande hier ein, der um-
fassende Reparaturen nothwendig machte; die Mannschaft wurde
ausgeschifft und liess sich auf diesem von den Behörden angewie-
senen Grundstück häuslich nieder. Seitdem haben die Russen den
Platz nicht wieder herausgegeben, sondern als Kohlenlager und
Proviantstation für ihre im Stillen Ocean kreuzenden Kriegsschiffe
benutzt. Sie besitzen dort auch einen Begräbnissplatz, wo am
22. Februar die Leiche eines auf der Arkona gestorbenen Unteroffi-
ciers beigesetzt wurde. Der Ort heisst Inasia.

Nicht weit von dieser Niederlassung liegt die Dampfmaschinen-
Fabrik des Fürsten von Fidsen. Die ganze Anstalt wurde für den
Besitzer vor einigen Jahren in Holland ausgeführt und dann unter
Aufsicht des Capitän Kattandyck, späteren niederländischen Marine-
Ministers und eines Oberingenieurs an ihrem jetzigen Standorte auf-
gestellt. Sie enthält einen Dampfhammer, Giessereien und Werk-
stätten zur Fabrication aller möglichen Dampfmaschinentheile, und
ist beständig in vollem Gange. Anfangs von holländischen Arbeitern
betrieben war sie zur Zeit unserer Anwesenheit bis auf die oberste
Leitung ganz in den Händen der Japaner. Der zurückgebliebene
holländische Vorsteher rühmte die Einsicht und Anstelligkeit seiner
japanischen Schüler und hat jetzt dieselben wohl längst sich selbst
überlassen. Die Anstalt bewahrt übrigens einen glänzenden Beweis
für die Intelligenz und Geschicklichkeit der Eingeborenen in einer
Dampfmaschine mit röhrenförmigem Kessel, welche von japanischen
Mechanikern verfertigt und mit Erfolg zur Fortbewegung eines Bootes
angewendet worden ist, ehe irgend ein Dampfschiff die japanischen
Gewässer besuchte. Die Angabe dass sie erst nach Ankunft des
amerikanischen Dampfers Missisippi gebaut wäre, beruht auf einem
Irrthum. Die Maschine ist natürlich sehr unvollkommen; aber die
Thatsache, dass sie bloss nach Abbildungen und Beschreibungen
ohne irgend ein europäisches Modell gebaut wurde, ist ein redendes
Zeugniss von dem Verständniss der japanischen Ingenieure für die
Gesetze der Physik und Mechanik.

Der Gesandte empfing an Bord der Arkona täglich viele Be-
suche, unter denen vor allen der des Oberst von Siebold zu erwähnen
ist. Er lebte damals auf einem Landhause in der Nähe der Stadt,
wo Graf Eulenburg noch am Tage vor der Abreise seinen Besuch
erwiederte. Die Wohngebäude liegen sehr hübsch am Fusse des
Berges: der umgebende Garten zieht sich den Abhang hinan: hier

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[201/0221] XI. Inasia. Dampfmaschinenfabrik. die russische Fregatte Aschol in einem Zustande hier ein, der um- fassende Reparaturen nothwendig machte; die Mannschaft wurde ausgeschifft und liess sich auf diesem von den Behörden angewie- senen Grundstück häuslich nieder. Seitdem haben die Russen den Platz nicht wieder herausgegeben, sondern als Kohlenlager und Proviantstation für ihre im Stillen Ocean kreuzenden Kriegsschiffe benutzt. Sie besitzen dort auch einen Begräbnissplatz, wo am 22. Februar die Leiche eines auf der Arkona gestorbenen Unteroffi- ciers beigesetzt wurde. Der Ort heisst Inasia. Nicht weit von dieser Niederlassung liegt die Dampfmaschinen- Fabrik des Fürsten von Fidsen. Die ganze Anstalt wurde für den Besitzer vor einigen Jahren in Holland ausgeführt und dann unter Aufsicht des Capitän Kattandyck, späteren niederländischen Marine- Ministers und eines Oberingenieurs an ihrem jetzigen Standorte auf- gestellt. Sie enthält einen Dampfhammer, Giessereien und Werk- stätten zur Fabrication aller möglichen Dampfmaschinentheile, und ist beständig in vollem Gange. Anfangs von holländischen Arbeitern betrieben war sie zur Zeit unserer Anwesenheit bis auf die oberste Leitung ganz in den Händen der Japaner. Der zurückgebliebene holländische Vorsteher rühmte die Einsicht und Anstelligkeit seiner japanischen Schüler und hat jetzt dieselben wohl längst sich selbst überlassen. Die Anstalt bewahrt übrigens einen glänzenden Beweis für die Intelligenz und Geschicklichkeit der Eingeborenen in einer Dampfmaschine mit röhrenförmigem Kessel, welche von japanischen Mechanikern verfertigt und mit Erfolg zur Fortbewegung eines Bootes angewendet worden ist, ehe irgend ein Dampfschiff die japanischen Gewässer besuchte. Die Angabe dass sie erst nach Ankunft des amerikanischen Dampfers Missisippi gebaut wäre, beruht auf einem Irrthum. Die Maschine ist natürlich sehr unvollkommen; aber die Thatsache, dass sie bloss nach Abbildungen und Beschreibungen ohne irgend ein europäisches Modell gebaut wurde, ist ein redendes Zeugniss von dem Verständniss der japanischen Ingenieure für die Gesetze der Physik und Mechanik. Der Gesandte empfing an Bord der Arkona täglich viele Be- suche, unter denen vor allen der des Oberst von Siebold zu erwähnen ist. Er lebte damals auf einem Landhause in der Nähe der Stadt, wo Graf Eulenburg noch am Tage vor der Abreise seinen Besuch erwiederte. Die Wohngebäude liegen sehr hübsch am Fusse des Berges: der umgebende Garten zieht sich den Abhang hinan: hier

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/221>, abgerufen am 21.11.2024.