[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.Anh. II. Gerüchte. der fremden Regierungen nach den Bedürfnissen und Ansprüchender einzelnen Vertreter ausgeführt werden. Ob die Lage dem Zweck entsprach, lässt sich bezweifeln. Die Gesandten liessen sich bis an die äusserste Gränze der Vorstädte von Yeddo verdrängen, und die Regierung konnte sie hier leichter isoliren, als irgendwo. Zur wirk- lichen Niederlassung auf dem Goten-yama kam es aber niemals: das Grundstück wurde abgesteckt und eingezäunt, der Raum an die Vertragsmächte vertheilt und die ausgedehnten Wohngebäude der englischen Gesandtschaft vollendet; die Häuser der anderen Diplomaten kamen, erst später in Angriff genommen, kaum über die Fundamente hinaus, wodurch sie vor Schaden bewahrt wurden. Den ganzen Juli und August hindurch coursirten in Yeddo Anh. II. Gerüchte. der fremden Regierungen nach den Bedürfnissen und Ansprüchender einzelnen Vertreter ausgeführt werden. Ob die Lage dem Zweck entsprach, lässt sich bezweifeln. Die Gesandten liessen sich bis an die äusserste Gränze der Vorstädte von Yeddo verdrängen, und die Regierung konnte sie hier leichter isoliren, als irgendwo. Zur wirk- lichen Niederlassung auf dem Goten-yama kam es aber niemals: das Grundstück wurde abgesteckt und eingezäunt, der Raum an die Vertragsmächte vertheilt und die ausgedehnten Wohngebäude der englischen Gesandtschaft vollendet; die Häuser der anderen Diplomaten kamen, erst später in Angriff genommen, kaum über die Fundamente hinaus, wodurch sie vor Schaden bewahrt wurden. Den ganzen Juli und August hindurch coursirten in Yeddo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0281" n="261"/><fw place="top" type="header">Anh. II. Gerüchte.</fw><lb/> der fremden Regierungen nach den Bedürfnissen und Ansprüchen<lb/> der einzelnen Vertreter ausgeführt werden. Ob die Lage dem Zweck<lb/> entsprach, lässt sich bezweifeln. Die Gesandten liessen sich bis an<lb/> die äusserste Gränze der Vorstädte von <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> verdrängen, und die<lb/> Regierung konnte sie hier leichter isoliren, als irgendwo. Zur wirk-<lb/> lichen Niederlassung auf dem <hi rendition="#k"><placeName>Goten-yama</placeName></hi> kam es aber niemals: das<lb/> Grundstück wurde abgesteckt und eingezäunt, der Raum an die<lb/> Vertragsmächte vertheilt und die ausgedehnten Wohngebäude<lb/> der englischen Gesandtschaft vollendet; die Häuser der anderen<lb/> Diplomaten kamen, erst später in Angriff genommen, kaum<lb/> über die Fundamente hinaus, wodurch sie vor Schaden bewahrt<lb/> wurden.</p><lb/> <p>Den ganzen Juli und August hindurch coursirten in <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi><lb/> beunruhigende Gerüchte, welche nur auf Umwegen an die Fremden<lb/> gelangten, aber deutlich bewiesen dass die Gährung zunahm. Der<lb/> erste Minister <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">Kudse Yamatto-no-kami</persName></hi> hätte sich vor den Insulten<lb/> und Drohungen der <hi rendition="#k">Lonin</hi>e auf sein Schloss zurückziehen müssen;<lb/> zwei andere Mitglieder des Reichsrathes wären, aus dem Palast<lb/> kommend, von zahlreichen Banden angegriffen und nur durch die<lb/> Tapferkeit ihrer Trabanten gerettet; der Gouverneur von <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi><lb/> durch die gegen die englische Legation Verschworenen oder deren<lb/> Verbündete aus Rache für seine energische Verfolgung im eigenen<lb/> Hause überfallen und gemordet worden. Dann hiess es wieder, er<lb/> habe auf Befehl des Reichsrathes <hi rendition="#k">Harakiru</hi> begangen, und zwar<lb/> wegen einer sehr richtigen, aber scharfen und unberufenen Meinungs-<lb/> äusserung: bei einer Berathung, ob der <hi rendition="#k">Taïkūn</hi> vor der Vermälung<lb/> mit der Schwester des <hi rendition="#k">Mikado</hi> diesem in <hi rendition="#k"><placeName>Miako</placeName></hi> die Huldigung lei-<lb/> sten solle oder nicht, hätte der Gouverneur, die Befugnisse seiner<lb/> Stellung überschreitend, sich sehr energisch und bedeutsam <hi rendition="#g">dagegen</hi><lb/> ausgesprochen. — Diese Gerüchte sind bezeichnend für die Lage;<lb/> die Schwäche der Regierung und die Unsicherheit der Verhältnisse<lb/> trat überall zu Tage. In <hi rendition="#k"><placeName>Kanagava</placeName></hi> wurde das englische Consulat<lb/> bedroht, Consul <persName ref="nognd">Vyse</persName> musste sich eine Schutzwache nehmen; die<lb/><hi rendition="#k">Lonin</hi>e trieben sich dort, den Behörden offenen Trotz bietend,<lb/> in hellen Haufen herum; man sprach sogar von Gefechten, die sie<lb/> den kaiserlichen Truppen geliefert hätten. — Am 17. August wurde<lb/> an die Hausthür des Ministers <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/n84194579">Ando Tsus-sima-no-kami</persName></hi> ein Placat<lb/> mit Drohungen geheftet, deren Ausführung nicht lange auf sich<lb/> warten liess.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [261/0281]
Anh. II. Gerüchte.
der fremden Regierungen nach den Bedürfnissen und Ansprüchen
der einzelnen Vertreter ausgeführt werden. Ob die Lage dem Zweck
entsprach, lässt sich bezweifeln. Die Gesandten liessen sich bis an
die äusserste Gränze der Vorstädte von Yeddo verdrängen, und die
Regierung konnte sie hier leichter isoliren, als irgendwo. Zur wirk-
lichen Niederlassung auf dem Goten-yama kam es aber niemals: das
Grundstück wurde abgesteckt und eingezäunt, der Raum an die
Vertragsmächte vertheilt und die ausgedehnten Wohngebäude
der englischen Gesandtschaft vollendet; die Häuser der anderen
Diplomaten kamen, erst später in Angriff genommen, kaum
über die Fundamente hinaus, wodurch sie vor Schaden bewahrt
wurden.
Den ganzen Juli und August hindurch coursirten in Yeddo
beunruhigende Gerüchte, welche nur auf Umwegen an die Fremden
gelangten, aber deutlich bewiesen dass die Gährung zunahm. Der
erste Minister Kudse Yamatto-no-kami hätte sich vor den Insulten
und Drohungen der Lonine auf sein Schloss zurückziehen müssen;
zwei andere Mitglieder des Reichsrathes wären, aus dem Palast
kommend, von zahlreichen Banden angegriffen und nur durch die
Tapferkeit ihrer Trabanten gerettet; der Gouverneur von Yeddo
durch die gegen die englische Legation Verschworenen oder deren
Verbündete aus Rache für seine energische Verfolgung im eigenen
Hause überfallen und gemordet worden. Dann hiess es wieder, er
habe auf Befehl des Reichsrathes Harakiru begangen, und zwar
wegen einer sehr richtigen, aber scharfen und unberufenen Meinungs-
äusserung: bei einer Berathung, ob der Taïkūn vor der Vermälung
mit der Schwester des Mikado diesem in Miako die Huldigung lei-
sten solle oder nicht, hätte der Gouverneur, die Befugnisse seiner
Stellung überschreitend, sich sehr energisch und bedeutsam dagegen
ausgesprochen. — Diese Gerüchte sind bezeichnend für die Lage;
die Schwäche der Regierung und die Unsicherheit der Verhältnisse
trat überall zu Tage. In Kanagava wurde das englische Consulat
bedroht, Consul Vyse musste sich eine Schutzwache nehmen; die
Lonine trieben sich dort, den Behörden offenen Trotz bietend,
in hellen Haufen herum; man sprach sogar von Gefechten, die sie
den kaiserlichen Truppen geliefert hätten. — Am 17. August wurde
an die Hausthür des Ministers Ando Tsus-sima-no-kami ein Placat
mit Drohungen geheftet, deren Ausführung nicht lange auf sich
warten liess.
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