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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Die politische Lage. Anh. II.

Die fremden Diplomaten gewannen aus den Aeusserungen der
Minister die Ueberzeugung, dass die regierungsfeindliche, -- nach
den Japanern die "fremdenfeindliche" Parthei es zum offenen Bruch
bringen wolle, und dass die Centralgewalt nicht stark genug sei
sich ihrer nachdrücklich zu erwehren. Die Verträge waren ein
missglücktes Experiment, die völlige Isolirung der Fremden in
Yokuhama unausführbar; die materiellen Vortheile wogen nicht den
Verlust des Ansehns auf, welcher der Regierung aus der geschick-
ten Benutzung ihrer auswärtigen Politik durch die Gegner erwuchs.
Man merkte den Würdenträgern deutlich an, dass sie sich der
Fremden am liebsten ganz entledigt oder wenigstens den Verkehr
auf Nangasaki beschränkt hätten. Es gab wohl im Reichsrath selbst,
-- denn dieser musste bei der Unmündigkeit des Taikun als leitende
Staatsbehörde gelten, -- mannichfache Nüancen der Ansicht; die
Einen mochten den Fremden weniger geneigt sein als die Anderen,
und, sei es aus Furcht oder Hass, sei es aus Gründen der blossen
Opportunität für gemässigte oder extreme Maassregeln stimmen.
Sicher sassen im Gorodzio auch geheime oder offene Partheigänger
des Prinzen von Mito, welche alles consequente Handeln der Re-
gierung lähmten, mit Bewusstsein und Absicht die Verhältnisse immer
mehr trübten. Die Parthei war zu stark um sie von der Verwaltung
auszuschliessen, und es wäre gefährlich gewesen einen Zweig des
Herrscherhauses durch gewaltsame Unterdrückung offen in das Lager
des Gegners hinüberzutreiben. Wahrscheinlich forderten schon da-
mals die regierungsfeindlichen Daimio's durch den Mikado die Ver-
treibung der Fremden, welche den Krieg zur Folge gehabt hätte;
die Lonine thaten das Ihre um diese zum Angriff zu reizen und die
Würdenträger einzuschüchtern, und die Parthei des Prinzen von
Mito suchte arglistig die Regierung in die Falle zu treiben. Ihren
Machinationen ist es vielleicht zuzuschreiben, dass der Reichsrath
sich nicht eng mit den Fremden verbündete, -- eine Eventualität,
deren mögliche Tragweite sich nicht beurtheilen lässt. Die Minister
Kudse Yamatto und Ando Tsus-sima-no-kami waren allem Anschein
nach wohlmeinende, zu Fortschritt und Bildung geneigte, den Frem-
den gewogene Männer, und die Vertreter von England und Frank-
reich
hätten sich nach ihrer damaligen Anschauung der japanischen
Verhältnisse auf das Bündniss wohl eingelassen; aber die Lonine
und die Parthei Mito, vielleicht auch diese durch jene, wussten es
zu vereiteln.

Die politische Lage. Anh. II.

Die fremden Diplomaten gewannen aus den Aeusserungen der
Minister die Ueberzeugung, dass die regierungsfeindliche, — nach
den Japanern die »fremdenfeindliche« Parthei es zum offenen Bruch
bringen wolle, und dass die Centralgewalt nicht stark genug sei
sich ihrer nachdrücklich zu erwehren. Die Verträge waren ein
missglücktes Experiment, die völlige Isolirung der Fremden in
Yokuhama unausführbar; die materiellen Vortheile wogen nicht den
Verlust des Ansehns auf, welcher der Regierung aus der geschick-
ten Benutzung ihrer auswärtigen Politik durch die Gegner erwuchs.
Man merkte den Würdenträgern deutlich an, dass sie sich der
Fremden am liebsten ganz entledigt oder wenigstens den Verkehr
auf Naṅgasaki beschränkt hätten. Es gab wohl im Reichsrath selbst,
— denn dieser musste bei der Unmündigkeit des Taïkūn als leitende
Staatsbehörde gelten, — mannichfache Nüancen der Ansicht; die
Einen mochten den Fremden weniger geneigt sein als die Anderen,
und, sei es aus Furcht oder Hass, sei es aus Gründen der blossen
Opportunität für gemässigte oder extreme Maassregeln stimmen.
Sicher sassen im Gorodžio auch geheime oder offene Partheigänger
des Prinzen von Mito, welche alles consequente Handeln der Re-
gierung lähmten, mit Bewusstsein und Absicht die Verhältnisse immer
mehr trübten. Die Parthei war zu stark um sie von der Verwaltung
auszuschliessen, und es wäre gefährlich gewesen einen Zweig des
Herrscherhauses durch gewaltsame Unterdrückung offen in das Lager
des Gegners hinüberzutreiben. Wahrscheinlich forderten schon da-
mals die regierungsfeindlichen Daïmio’s durch den Mikado die Ver-
treibung der Fremden, welche den Krieg zur Folge gehabt hätte;
die Lonine thaten das Ihre um diese zum Angriff zu reizen und die
Würdenträger einzuschüchtern, und die Parthei des Prinzen von
Mito suchte arglistig die Regierung in die Falle zu treiben. Ihren
Machinationen ist es vielleicht zuzuschreiben, dass der Reichsrath
sich nicht eng mit den Fremden verbündete, — eine Eventualität,
deren mögliche Tragweite sich nicht beurtheilen lässt. Die Minister
Kudse Yamatto und Ando Tsus-sima-no-kami waren allem Anschein
nach wohlmeinende, zu Fortschritt und Bildung geneigte, den Frem-
den gewogene Männer, und die Vertreter von England und Frank-
reich
hätten sich nach ihrer damaligen Anschauung der japanischen
Verhältnisse auf das Bündniss wohl eingelassen; aber die Lonine
und die Parthei Mito, vielleicht auch diese durch jene, wussten es
zu vereiteln.

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[262/0282] Die politische Lage. Anh. II. Die fremden Diplomaten gewannen aus den Aeusserungen der Minister die Ueberzeugung, dass die regierungsfeindliche, — nach den Japanern die »fremdenfeindliche« Parthei es zum offenen Bruch bringen wolle, und dass die Centralgewalt nicht stark genug sei sich ihrer nachdrücklich zu erwehren. Die Verträge waren ein missglücktes Experiment, die völlige Isolirung der Fremden in Yokuhama unausführbar; die materiellen Vortheile wogen nicht den Verlust des Ansehns auf, welcher der Regierung aus der geschick- ten Benutzung ihrer auswärtigen Politik durch die Gegner erwuchs. Man merkte den Würdenträgern deutlich an, dass sie sich der Fremden am liebsten ganz entledigt oder wenigstens den Verkehr auf Naṅgasaki beschränkt hätten. Es gab wohl im Reichsrath selbst, — denn dieser musste bei der Unmündigkeit des Taïkūn als leitende Staatsbehörde gelten, — mannichfache Nüancen der Ansicht; die Einen mochten den Fremden weniger geneigt sein als die Anderen, und, sei es aus Furcht oder Hass, sei es aus Gründen der blossen Opportunität für gemässigte oder extreme Maassregeln stimmen. Sicher sassen im Gorodžio auch geheime oder offene Partheigänger des Prinzen von Mito, welche alles consequente Handeln der Re- gierung lähmten, mit Bewusstsein und Absicht die Verhältnisse immer mehr trübten. Die Parthei war zu stark um sie von der Verwaltung auszuschliessen, und es wäre gefährlich gewesen einen Zweig des Herrscherhauses durch gewaltsame Unterdrückung offen in das Lager des Gegners hinüberzutreiben. Wahrscheinlich forderten schon da- mals die regierungsfeindlichen Daïmio’s durch den Mikado die Ver- treibung der Fremden, welche den Krieg zur Folge gehabt hätte; die Lonine thaten das Ihre um diese zum Angriff zu reizen und die Würdenträger einzuschüchtern, und die Parthei des Prinzen von Mito suchte arglistig die Regierung in die Falle zu treiben. Ihren Machinationen ist es vielleicht zuzuschreiben, dass der Reichsrath sich nicht eng mit den Fremden verbündete, — eine Eventualität, deren mögliche Tragweite sich nicht beurtheilen lässt. Die Minister Kudse Yamatto und Ando Tsus-sima-no-kami waren allem Anschein nach wohlmeinende, zu Fortschritt und Bildung geneigte, den Frem- den gewogene Männer, und die Vertreter von England und Frank- reich hätten sich nach ihrer damaligen Anschauung der japanischen Verhältnisse auf das Bündniss wohl eingelassen; aber die Lonine und die Parthei Mito, vielleicht auch diese durch jene, wussten es zu vereiteln.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/282>, abgerufen am 22.11.2024.