Von den Vertretern des Auslandes blieb, wie gesagt, nur der amerikanische ganz in Yeddo wohnen. Herr Harris wurde im Frühjahr 1862 abberufen und durch General Pruyn ersetzt, der seinen Wohnsitz ebenfalls in der Hauptstadt nahm. Herr von Belle- court lebte meist in Yokuhama und ging nur zu den Geschäften nach Yeddo. Der englische Geschäftsträger, Legations-Secretär St. John Neale traf bald nach Herrn Alcock's Abreise in Japan ein und wohnte abwechselnd in Yeddo und Yokuhama. Am Jahrestage des Angriffes auf To-dzen-dzi nach japanischer Zeitrechnung, -- den 28. Juni, -- stattete ihm dort ein Bunyo der auswärtigen Abtheilung einen Glück- wunschbesuch ab. Abends waren alle Hausgenossen bis auf die wenigen Schildwachen, -- Matrosen und Seesoldaten vom Kriegs- schiff Reynard, -- zur Ruhe gegangen, als der Geschäftsträger den vor seiner Thür stehenden Posten jemand anrufen hörte; wenige Secunden darauf ertönte das Angstgeschrei eines Sterbenden und der dumpfe Laut schwerer Streiche; dann fiel ein Schuss. Herr Neale sprang auf und rannte nach dem Wachtzimmer; alle Haus- bewohner waren im Nu auf den Füssen und bewaffnet, -- da wankte aus klaffenden Wunden blutend die Schildwache mitten unter sie. Die Engländer zogen sich nun sämmtlich in das grösste Zimmer zurück, um dort dem erwarteten Angriff die Stirn zu bieten, doch blieb Alles ruhig. Man vermisste erst jetzt einen Unterofficier der Seesoldaten; ihn zu suchen ging der Commandeur der Gesandtschafts- wache mit einigen Leuten hinaus und fand ihn todt an der Schwelle von Herrn Neale's Zimmer, vor der Thür nach dem Garten, mit Schwert- und Lanzenwunden bedeckt. -- Der sterbende Matrose konnte noch Folgendes aussagen. Die Nacht war sehr dunkel, und er hatte wie gewöhnlich einen japanischen Soldaten mit seiner Pa- pierlaterne bei sich; da nähert sich ein dunkeles Ding auf der Brücke, die über den Goldfischbach dicht vor dem Hause führt. Er rief es an und erhielt die richtige Parole "Tama" zurück, ging aber, da es ihm verdächtig schien, darauf los, als ein Mensch, der auf allen Vieren über die Brücke gekrochen war, plötzlich aufsprang und mit der Lanze nach ihm stach. Im nächsten Augenblick trennte ein Schwertstreich seine Hand, welche die Muskete hielt, fast ganz vom Arme, dann folgte eine Fluth scharfer Hiebe, als der Unter- officier zu Hülfe kam und Feuer gab. Der Mörder stürzte sich nun sogleich auf diesen, verfolgte ihn unter wüthenden Streichen bis an die Thürschwelle und hieb ihn fast in Stücke. Der Japaner mit der
Anh. II. Ermordung englischer Schildwachen.
Von den Vertretern des Auslandes blieb, wie gesagt, nur der amerikanische ganz in Yeddo wohnen. Herr Harris wurde im Frühjahr 1862 abberufen und durch General Pruyn ersetzt, der seinen Wohnsitz ebenfalls in der Hauptstadt nahm. Herr von Belle- court lebte meist in Yokuhama und ging nur zu den Geschäften nach Yeddo. Der englische Geschäftsträger, Legations-Secretär St. John Neale traf bald nach Herrn Alcock’s Abreise in Japan ein und wohnte abwechselnd in Yeddo und Yokuhama. Am Jahrestage des Angriffes auf To-džen-dži nach japanischer Zeitrechnung, — den 28. Juni, — stattete ihm dort ein Bunyo der auswärtigen Abtheilung einen Glück- wunschbesuch ab. Abends waren alle Hausgenossen bis auf die wenigen Schildwachen, — Matrosen und Seesoldaten vom Kriegs- schiff Reynard, — zur Ruhe gegangen, als der Geschäftsträger den vor seiner Thür stehenden Posten jemand anrufen hörte; wenige Secunden darauf ertönte das Angstgeschrei eines Sterbenden und der dumpfe Laut schwerer Streiche; dann fiel ein Schuss. Herr Neale sprang auf und rannte nach dem Wachtzimmer; alle Haus- bewohner waren im Nu auf den Füssen und bewaffnet, — da wankte aus klaffenden Wunden blutend die Schildwache mitten unter sie. Die Engländer zogen sich nun sämmtlich in das grösste Zimmer zurück, um dort dem erwarteten Angriff die Stirn zu bieten, doch blieb Alles ruhig. Man vermisste erst jetzt einen Unterofficier der Seesoldaten; ihn zu suchen ging der Commandeur der Gesandtschafts- wache mit einigen Leuten hinaus und fand ihn todt an der Schwelle von Herrn Neale’s Zimmer, vor der Thür nach dem Garten, mit Schwert- und Lanzenwunden bedeckt. — Der sterbende Matrose konnte noch Folgendes aussagen. Die Nacht war sehr dunkel, und er hatte wie gewöhnlich einen japanischen Soldaten mit seiner Pa- pierlaterne bei sich; da nähert sich ein dunkeles Ding auf der Brücke, die über den Goldfischbach dicht vor dem Hause führt. Er rief es an und erhielt die richtige Parole »Tama« zurück, ging aber, da es ihm verdächtig schien, darauf los, als ein Mensch, der auf allen Vieren über die Brücke gekrochen war, plötzlich aufsprang und mit der Lanze nach ihm stach. Im nächsten Augenblick trennte ein Schwertstreich seine Hand, welche die Muskete hielt, fast ganz vom Arme, dann folgte eine Fluth scharfer Hiebe, als der Unter- officier zu Hülfe kam und Feuer gab. Der Mörder stürzte sich nun sogleich auf diesen, verfolgte ihn unter wüthenden Streichen bis an die Thürschwelle und hieb ihn fast in Stücke. Der Japaner mit der
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Anh. II. Ermordung englischer Schildwachen.
Von den Vertretern des Auslandes blieb, wie gesagt, nur
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Frühjahr 1862 abberufen und durch General Pruyn ersetzt, der
seinen Wohnsitz ebenfalls in der Hauptstadt nahm. Herr von Belle-
court lebte meist in Yokuhama und ging nur zu den Geschäften nach
Yeddo. Der englische Geschäftsträger, Legations-Secretär St. John
Neale traf bald nach Herrn Alcock’s Abreise in Japan ein und wohnte
abwechselnd in Yeddo und Yokuhama. Am Jahrestage des Angriffes
auf To-džen-dži nach japanischer Zeitrechnung, — den 28. Juni, —
stattete ihm dort ein Bunyo der auswärtigen Abtheilung einen Glück-
wunschbesuch ab. Abends waren alle Hausgenossen bis auf die
wenigen Schildwachen, — Matrosen und Seesoldaten vom Kriegs-
schiff Reynard, — zur Ruhe gegangen, als der Geschäftsträger den
vor seiner Thür stehenden Posten jemand anrufen hörte; wenige
Secunden darauf ertönte das Angstgeschrei eines Sterbenden und
der dumpfe Laut schwerer Streiche; dann fiel ein Schuss. Herr
Neale sprang auf und rannte nach dem Wachtzimmer; alle Haus-
bewohner waren im Nu auf den Füssen und bewaffnet, — da wankte
aus klaffenden Wunden blutend die Schildwache mitten unter sie.
Die Engländer zogen sich nun sämmtlich in das grösste Zimmer
zurück, um dort dem erwarteten Angriff die Stirn zu bieten, doch
blieb Alles ruhig. Man vermisste erst jetzt einen Unterofficier der
Seesoldaten; ihn zu suchen ging der Commandeur der Gesandtschafts-
wache mit einigen Leuten hinaus und fand ihn todt an der Schwelle
von Herrn Neale’s Zimmer, vor der Thür nach dem Garten, mit
Schwert- und Lanzenwunden bedeckt. — Der sterbende Matrose
konnte noch Folgendes aussagen. Die Nacht war sehr dunkel, und
er hatte wie gewöhnlich einen japanischen Soldaten mit seiner Pa-
pierlaterne bei sich; da nähert sich ein dunkeles Ding auf der
Brücke, die über den Goldfischbach dicht vor dem Hause führt.
Er rief es an und erhielt die richtige Parole »Tama« zurück, ging
aber, da es ihm verdächtig schien, darauf los, als ein Mensch, der
auf allen Vieren über die Brücke gekrochen war, plötzlich aufsprang
und mit der Lanze nach ihm stach. Im nächsten Augenblick trennte
ein Schwertstreich seine Hand, welche die Muskete hielt, fast ganz
vom Arme, dann folgte eine Fluth scharfer Hiebe, als der Unter-
officier zu Hülfe kam und Feuer gab. Der Mörder stürzte sich nun
sogleich auf diesen, verfolgte ihn unter wüthenden Streichen bis an
die Thürschwelle und hieb ihn fast in Stücke. Der Japaner mit der
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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