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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Das englische Geschwader vor Kagosima. Anh. II.
In dem Augenblick wurde er unterbrochen: ein Boot mit Beamten,
die schon von weitem mit Fahnen winkten, ruderte eiligst vom
Lande heran. Der Bevollmächtigte erhielt aus demselben eine Mit-
theilung, stand eiligst auf und verliess die Cajüte; er kam dann
wie unschlüssig wieder, entfernte sich aber endlich mit der Er-
öffnung, dass das Schreiben nicht übergeben werden könne: es sei
ein Fehler darin, der erst verbessert werden müsse.

Die ganze Zeit über bemerkte man in den Uferbatterieen, in
deren Bereich das Geschwader lag, grosse Bewegung. Alle Geschütze
waren auf die englischen Schiffe, die meisten auf den Euryalus ge-
richtet. Mehrere grosse Dschunken von den Liukiu-Inseln, welche
in der Schusslinie lagen, wurden auf die Seite bugsirt, wo sie
der Action nicht im Wege sein konnten. Kurz vor Ankunft der
japanischen Bevollmächtigten waren auch viele Boote von Kagosima
ausgelaufen, die neben einer Bemannung von Soldaten jedes einen
kleinen Vorrath frischer Lebensmittel an Bord hatten. Solche
waren den Abend vorher versprochen worden und man glaubte sie
sollten an Bord gebracht werden, überzeugte sich aber bald, dass
sie nur zur Schau ausgelegt waren, damit man die Boote heran-
kommen liesse. Es war auf eine Recognoscirung abgesehen; die
Späher entfernten sich ohne auszuladen. -- Der Admiral be-
schloss nun sich so weit aus dem Bereiche der Batterieen zu ent-
fernen als die grosse Wassertiefe gestattete; die Anker wurden
in dem Augenblick gelichtet, als der Bevollmächtigte Satsuma's
den Euryalus verliess. Dieser und der Perseus legten sich etwa
auf die doppelte Entfernung ihres ersten Ankerplatzes hinaus,
während die anderen Schiffe in einer Bucht der Kagosima gegen-
überliegenden hohen Insel Sakurasima eine vortheilhafte Stellung
nahmen. -- Am Abend desselben Tages kam der japanische Be-
vollmächtigte nochmals an Bord des Flaggschiffes und übergab
folgendes Antwortschreiben:

Es ist gerecht, dass ein Mensch, der einen anderen
getödtet hat, ergriffen und mit dem Tode bestraft werde,
denn nichts ist so heilig als das menschliche Leben.
Obgleich wir die Mörder festzunehmen wünschen und uns
seit dem vorigen Jahre darum bemüht haben, so ist uns
das doch unmöglich bei dem jetzigen politischen Zwiespalt
unter den japanischen Daimio's, von denen einige solche
Leute sogar bergen und schützen. Ausserdem ist es nicht

Das englische Geschwader vor Kagosima. Anh. II.
In dem Augenblick wurde er unterbrochen: ein Boot mit Beamten,
die schon von weitem mit Fahnen winkten, ruderte eiligst vom
Lande heran. Der Bevollmächtigte erhielt aus demselben eine Mit-
theilung, stand eiligst auf und verliess die Cajüte; er kam dann
wie unschlüssig wieder, entfernte sich aber endlich mit der Er-
öffnung, dass das Schreiben nicht übergeben werden könne: es sei
ein Fehler darin, der erst verbessert werden müsse.

Die ganze Zeit über bemerkte man in den Uferbatterieen, in
deren Bereich das Geschwader lag, grosse Bewegung. Alle Geschütze
waren auf die englischen Schiffe, die meisten auf den Euryalus ge-
richtet. Mehrere grosse Dschunken von den Liukiu-Inseln, welche
in der Schusslinie lagen, wurden auf die Seite bugsirt, wo sie
der Action nicht im Wege sein konnten. Kurz vor Ankunft der
japanischen Bevollmächtigten waren auch viele Boote von Kagosima
ausgelaufen, die neben einer Bemannung von Soldaten jedes einen
kleinen Vorrath frischer Lebensmittel an Bord hatten. Solche
waren den Abend vorher versprochen worden und man glaubte sie
sollten an Bord gebracht werden, überzeugte sich aber bald, dass
sie nur zur Schau ausgelegt waren, damit man die Boote heran-
kommen liesse. Es war auf eine Recognoscirung abgesehen; die
Späher entfernten sich ohne auszuladen. — Der Admiral be-
schloss nun sich so weit aus dem Bereiche der Batterieen zu ent-
fernen als die grosse Wassertiefe gestattete; die Anker wurden
in dem Augenblick gelichtet, als der Bevollmächtigte Satsuma’s
den Euryalus verliess. Dieser und der Perseus legten sich etwa
auf die doppelte Entfernung ihres ersten Ankerplatzes hinaus,
während die anderen Schiffe in einer Bucht der Kagosima gegen-
überliegenden hohen Insel Sakurasima eine vortheilhafte Stellung
nahmen. — Am Abend desselben Tages kam der japanische Be-
vollmächtigte nochmals an Bord des Flaggschiffes und übergab
folgendes Antwortschreiben:

Es ist gerecht, dass ein Mensch, der einen anderen
getödtet hat, ergriffen und mit dem Tode bestraft werde,
denn nichts ist so heilig als das menschliche Leben.
Obgleich wir die Mörder festzunehmen wünschen und uns
seit dem vorigen Jahre darum bemüht haben, so ist uns
das doch unmöglich bei dem jetzigen politischen Zwiespalt
unter den japanischen Daïmio’s, von denen einige solche
Leute sogar bergen und schützen. Ausserdem ist es nicht

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[296/0316] Das englische Geschwader vor Kagosima. Anh. II. In dem Augenblick wurde er unterbrochen: ein Boot mit Beamten, die schon von weitem mit Fahnen winkten, ruderte eiligst vom Lande heran. Der Bevollmächtigte erhielt aus demselben eine Mit- theilung, stand eiligst auf und verliess die Cajüte; er kam dann wie unschlüssig wieder, entfernte sich aber endlich mit der Er- öffnung, dass das Schreiben nicht übergeben werden könne: es sei ein Fehler darin, der erst verbessert werden müsse. Die ganze Zeit über bemerkte man in den Uferbatterieen, in deren Bereich das Geschwader lag, grosse Bewegung. Alle Geschütze waren auf die englischen Schiffe, die meisten auf den Euryalus ge- richtet. Mehrere grosse Dschunken von den Liukiu-Inseln, welche in der Schusslinie lagen, wurden auf die Seite bugsirt, wo sie der Action nicht im Wege sein konnten. Kurz vor Ankunft der japanischen Bevollmächtigten waren auch viele Boote von Kagosima ausgelaufen, die neben einer Bemannung von Soldaten jedes einen kleinen Vorrath frischer Lebensmittel an Bord hatten. Solche waren den Abend vorher versprochen worden und man glaubte sie sollten an Bord gebracht werden, überzeugte sich aber bald, dass sie nur zur Schau ausgelegt waren, damit man die Boote heran- kommen liesse. Es war auf eine Recognoscirung abgesehen; die Späher entfernten sich ohne auszuladen. — Der Admiral be- schloss nun sich so weit aus dem Bereiche der Batterieen zu ent- fernen als die grosse Wassertiefe gestattete; die Anker wurden in dem Augenblick gelichtet, als der Bevollmächtigte Satsuma’s den Euryalus verliess. Dieser und der Perseus legten sich etwa auf die doppelte Entfernung ihres ersten Ankerplatzes hinaus, während die anderen Schiffe in einer Bucht der Kagosima gegen- überliegenden hohen Insel Sakurasima eine vortheilhafte Stellung nahmen. — Am Abend desselben Tages kam der japanische Be- vollmächtigte nochmals an Bord des Flaggschiffes und übergab folgendes Antwortschreiben: Es ist gerecht, dass ein Mensch, der einen anderen getödtet hat, ergriffen und mit dem Tode bestraft werde, denn nichts ist so heilig als das menschliche Leben. Obgleich wir die Mörder festzunehmen wünschen und uns seit dem vorigen Jahre darum bemüht haben, so ist uns das doch unmöglich bei dem jetzigen politischen Zwiespalt unter den japanischen Daïmio’s, von denen einige solche Leute sogar bergen und schützen. Ausserdem ist es nicht

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/316>, abgerufen am 22.11.2024.