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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Anh. II. Verhandlungen um Freigebung eines Hafens.
welche die Functionen des Organismus bedingen; die besten Kräfte
könnten es schwerlich retten. Die Centralgewalt besteht wohl nur
noch durch ihre Ohnmacht, weil sie den einzelnen Landesfürsten
nicht furchtbar ist, und diese keine Veranlassung haben gemein-
schaftliche Sache zu machen. Das politische Drama spielt sich
jetzt im Herzen des Landes, auf dem uralten Schauplatz der Kämpfe
und Umwälzungen bei Osaka und Miako ab, wo seit einem Jahr-
tausend die Mächtigen des Landes periodisch um die Herrschaft
stritten, und heut viel Bedeutsames vorgehen mag ohne dass die
Fremden ein Wort erfahren. Ohne Zweifel ist der Hof des Mikado
in seinem fanatischen Nationalstolz noch immer den Verträgen ab-
hold, und diese Disposition scheint wieder von regierungsfeind-
lichen Fürsten zu Cabalen benutzt worden zu sein; das dem Ver-
fasser vorliegende Material gewährt darüber keinen deutlichen Auf-
schluss.


Der in die Convention vom 22. October aufgenommene Artikel
über eventuelle Freigebung von Simonoseki oder einem anderen
Hafen statt Zahlung der drei Millionen führte zu weiteren Verhand-
lungen. Nach der Verabredung sollte die Summe in vierteljähr-
lichen Raten von 500,000 Dollars abgetragen werden und die Til-
gung beim Eintreffen der Ratifications-Instrumente beginnen. Die
heimathlichen Regierungen wiesen ihre Vertreter nun an, sich über
die Zweckmässigkeit der Annahme eines neuen Hafens zu verstän-
digen und ihr Verhalten den Umständen anzupassen. Der Reichs-
rath erklärte aber alsbald die Freigebung eines solchen für unmög-
lich, -- offenbar, weil er dort den Verkehr nicht bewachen konnte,
-- und zog vor die Entschädigung zu zahlen, welche durch den
Verkauf von Ländereien des Fürsten von Nangato aufgebracht
werden sollte. Da nun die Eroberung dieses Gebietes unterblieb
und die Regierung aus Geldmangel die stipulirten Zahlungen nicht
leisten konnte, so kamen die Diplomaten auf jenen Punct zurück
und forderten die Freigebung von Fiogo zum 1. Januar 1866, wofür
dem Taikun zwei Drittheile der Kriegsentschädigung erlassen werden
sollten. -- Simonoseki war ja thatsächlich den Fremden schon
zugänglich. -- Mittlerweile gelangte aber die Weisung an die

II. 23

Anh. II. Verhandlungen um Freigebung eines Hafens.
welche die Functionen des Organismus bedingen; die besten Kräfte
könnten es schwerlich retten. Die Centralgewalt besteht wohl nur
noch durch ihre Ohnmacht, weil sie den einzelnen Landesfürsten
nicht furchtbar ist, und diese keine Veranlassung haben gemein-
schaftliche Sache zu machen. Das politische Drama spielt sich
jetzt im Herzen des Landes, auf dem uralten Schauplatz der Kämpfe
und Umwälzungen bei Osaka und Miako ab, wo seit einem Jahr-
tausend die Mächtigen des Landes periodisch um die Herrschaft
stritten, und heut viel Bedeutsames vorgehen mag ohne dass die
Fremden ein Wort erfahren. Ohne Zweifel ist der Hof des Mikado
in seinem fanatischen Nationalstolz noch immer den Verträgen ab-
hold, und diese Disposition scheint wieder von regierungsfeind-
lichen Fürsten zu Cabalen benutzt worden zu sein; das dem Ver-
fasser vorliegende Material gewährt darüber keinen deutlichen Auf-
schluss.


Der in die Convention vom 22. October aufgenommene Artikel
über eventuelle Freigebung von Simonoseki oder einem anderen
Hafen statt Zahlung der drei Millionen führte zu weiteren Verhand-
lungen. Nach der Verabredung sollte die Summe in vierteljähr-
lichen Raten von 500,000 Dollars abgetragen werden und die Til-
gung beim Eintreffen der Ratifications-Instrumente beginnen. Die
heimathlichen Regierungen wiesen ihre Vertreter nun an, sich über
die Zweckmässigkeit der Annahme eines neuen Hafens zu verstän-
digen und ihr Verhalten den Umständen anzupassen. Der Reichs-
rath erklärte aber alsbald die Freigebung eines solchen für unmög-
lich, — offenbar, weil er dort den Verkehr nicht bewachen konnte,
— und zog vor die Entschädigung zu zahlen, welche durch den
Verkauf von Ländereien des Fürsten von Naṅgato aufgebracht
werden sollte. Da nun die Eroberung dieses Gebietes unterblieb
und die Regierung aus Geldmangel die stipulirten Zahlungen nicht
leisten konnte, so kamen die Diplomaten auf jenen Punct zurück
und forderten die Freigebung von Fiogo zum 1. Januar 1866, wofür
dem Taïkūn zwei Drittheile der Kriegsentschädigung erlassen werden
sollten. — Simonoseki war ja thatsächlich den Fremden schon
zugänglich. — Mittlerweile gelangte aber die Weisung an die

II. 23
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[353/0373] Anh. II. Verhandlungen um Freigebung eines Hafens. welche die Functionen des Organismus bedingen; die besten Kräfte könnten es schwerlich retten. Die Centralgewalt besteht wohl nur noch durch ihre Ohnmacht, weil sie den einzelnen Landesfürsten nicht furchtbar ist, und diese keine Veranlassung haben gemein- schaftliche Sache zu machen. Das politische Drama spielt sich jetzt im Herzen des Landes, auf dem uralten Schauplatz der Kämpfe und Umwälzungen bei Osaka und Miako ab, wo seit einem Jahr- tausend die Mächtigen des Landes periodisch um die Herrschaft stritten, und heut viel Bedeutsames vorgehen mag ohne dass die Fremden ein Wort erfahren. Ohne Zweifel ist der Hof des Mikado in seinem fanatischen Nationalstolz noch immer den Verträgen ab- hold, und diese Disposition scheint wieder von regierungsfeind- lichen Fürsten zu Cabalen benutzt worden zu sein; das dem Ver- fasser vorliegende Material gewährt darüber keinen deutlichen Auf- schluss. Der in die Convention vom 22. October aufgenommene Artikel über eventuelle Freigebung von Simonoseki oder einem anderen Hafen statt Zahlung der drei Millionen führte zu weiteren Verhand- lungen. Nach der Verabredung sollte die Summe in vierteljähr- lichen Raten von 500,000 Dollars abgetragen werden und die Til- gung beim Eintreffen der Ratifications-Instrumente beginnen. Die heimathlichen Regierungen wiesen ihre Vertreter nun an, sich über die Zweckmässigkeit der Annahme eines neuen Hafens zu verstän- digen und ihr Verhalten den Umständen anzupassen. Der Reichs- rath erklärte aber alsbald die Freigebung eines solchen für unmög- lich, — offenbar, weil er dort den Verkehr nicht bewachen konnte, — und zog vor die Entschädigung zu zahlen, welche durch den Verkauf von Ländereien des Fürsten von Naṅgato aufgebracht werden sollte. Da nun die Eroberung dieses Gebietes unterblieb und die Regierung aus Geldmangel die stipulirten Zahlungen nicht leisten konnte, so kamen die Diplomaten auf jenen Punct zurück und forderten die Freigebung von Fiogo zum 1. Januar 1866, wofür dem Taïkūn zwei Drittheile der Kriegsentschädigung erlassen werden sollten. — Simonoseki war ja thatsächlich den Fremden schon zugänglich. — Mittlerweile gelangte aber die Weisung an die II. 23

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/373>, abgerufen am 28.11.2024.