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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Zukunft der Verträge. Anh. II.
Zeit lehren, wieviel widrige Chancen dabei in Rechnung zu bringen
sind: die entfernte Lage, schwierige Verproviantirung, die gefähr-
lichen, stürmischen Küsten, die Natur des Gebirgslandes, der
Patriotismus der Bewohner. Practische Erfolge würde auch der
glücklichste Feldzug kaum haben; denn der japanische Adel ver-
schmerzt leicht materielle Verluste, und das Elend des Volkes würde
ihn kaum rühren. Lehren wie die von Simonoseki lässt der Japaner
sich gefallen und achtet den überlegenen Gegner; im ernsten Kampfe
für die Unabhängigkeit des Landes würde er vielleicht den letzten
Blutstropfen opfern. -- Wenn es, was kaum zu fürchten ist, dem
Hofe von Miako nicht etwa gelingt, die Daimio's zu fanatisiren, so
können die Völker des Westens bei geschickter, würdiger, auf
achtunggebietende Machtentfaltung gestützter Vertretung wohl sicher
auf friedliche Entwickelung ihres Handelsverkehrs mit Japan rechnen.
Ein kräftiger Rückhalt an Kriegsschiffen ist aber erste Bedingung,
da der Japaner, wie seine Geschichte beweist, immer nur mit that-
sächlicher Macht rechnet, und selbst anerkannte Rechte nur dann
berücksichtigt, wenn er die Kraft sieht, welche sie schützt.


Das Eindringen der Fremden hat die Siogun-Herrschaft viel
schneller untergraben, als erwartet wurde. Der Taikun Jye-motsi
erinnert in dem Manifeste vom 29. Juli 1864 daran, dass seine Vor-
fahren die Fremden vor zweihundert Jahren gegen den Willen vieler
Daimio's vertrieben haben, und gibt deutlich den Wunsch zu
erkennen, dass ihm etwas ähnliches auch jetzt möglich sein möchte.
Wie bei Consolidirung des Systems im Anfang des 17. Jahrhunderts
die Vertreibung der Fremden nothwendig wurde, so hört mit dem
Verfall desselben die Möglichkeit auf sich ihrer zu erwehren. Die
Staatsgewalt, welche sich nur durch die äusserste Knechtung der
Daimio's und die dafür nothwendige Ausschliessung der Fremden
halten konnte, musste rasch zusammensinken, sobald sie diese
beiden Grundbedingungen ihrer Existenz aufgab. Sie hat den
Daimio's die Zügel schiessen lassen, und zugleich die Fremden auf-
genommen; wollte sie heut wirklich diese mit Gewalt vertreiben, so
fänden sie den sichersten Rückhalt an den Landesfürsten, über

Zukunft der Verträge. Anh. II.
Zeit lehren, wieviel widrige Chancen dabei in Rechnung zu bringen
sind: die entfernte Lage, schwierige Verproviantirung, die gefähr-
lichen, stürmischen Küsten, die Natur des Gebirgslandes, der
Patriotismus der Bewohner. Practische Erfolge würde auch der
glücklichste Feldzug kaum haben; denn der japanische Adel ver-
schmerzt leicht materielle Verluste, und das Elend des Volkes würde
ihn kaum rühren. Lehren wie die von Simonoseki lässt der Japaner
sich gefallen und achtet den überlegenen Gegner; im ernsten Kampfe
für die Unabhängigkeit des Landes würde er vielleicht den letzten
Blutstropfen opfern. — Wenn es, was kaum zu fürchten ist, dem
Hofe von Miako nicht etwa gelingt, die Daïmio’s zu fanatisiren, so
können die Völker des Westens bei geschickter, würdiger, auf
achtunggebietende Machtentfaltung gestützter Vertretung wohl sicher
auf friedliche Entwickelung ihres Handelsverkehrs mit Japan rechnen.
Ein kräftiger Rückhalt an Kriegsschiffen ist aber erste Bedingung,
da der Japaner, wie seine Geschichte beweist, immer nur mit that-
sächlicher Macht rechnet, und selbst anerkannte Rechte nur dann
berücksichtigt, wenn er die Kraft sieht, welche sie schützt.


Das Eindringen der Fremden hat die Siogun-Herrschaft viel
schneller untergraben, als erwartet wurde. Der Taïkūn Jye-motsi
erinnert in dem Manifeste vom 29. Juli 1864 daran, dass seine Vor-
fahren die Fremden vor zweihundert Jahren gegen den Willen vieler
Daïmio’s vertrieben haben, und gibt deutlich den Wunsch zu
erkennen, dass ihm etwas ähnliches auch jetzt möglich sein möchte.
Wie bei Consolidirung des Systems im Anfang des 17. Jahrhunderts
die Vertreibung der Fremden nothwendig wurde, so hört mit dem
Verfall desselben die Möglichkeit auf sich ihrer zu erwehren. Die
Staatsgewalt, welche sich nur durch die äusserste Knechtung der
Daïmio’s und die dafür nothwendige Ausschliessung der Fremden
halten konnte, musste rasch zusammensinken, sobald sie diese
beiden Grundbedingungen ihrer Existenz aufgab. Sie hat den
Daïmio’s die Zügel schiessen lassen, und zugleich die Fremden auf-
genommen; wollte sie heut wirklich diese mit Gewalt vertreiben, so
fänden sie den sichersten Rückhalt an den Landesfürsten, über

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[358/0378] Zukunft der Verträge. Anh. II. Zeit lehren, wieviel widrige Chancen dabei in Rechnung zu bringen sind: die entfernte Lage, schwierige Verproviantirung, die gefähr- lichen, stürmischen Küsten, die Natur des Gebirgslandes, der Patriotismus der Bewohner. Practische Erfolge würde auch der glücklichste Feldzug kaum haben; denn der japanische Adel ver- schmerzt leicht materielle Verluste, und das Elend des Volkes würde ihn kaum rühren. Lehren wie die von Simonoseki lässt der Japaner sich gefallen und achtet den überlegenen Gegner; im ernsten Kampfe für die Unabhängigkeit des Landes würde er vielleicht den letzten Blutstropfen opfern. — Wenn es, was kaum zu fürchten ist, dem Hofe von Miako nicht etwa gelingt, die Daïmio’s zu fanatisiren, so können die Völker des Westens bei geschickter, würdiger, auf achtunggebietende Machtentfaltung gestützter Vertretung wohl sicher auf friedliche Entwickelung ihres Handelsverkehrs mit Japan rechnen. Ein kräftiger Rückhalt an Kriegsschiffen ist aber erste Bedingung, da der Japaner, wie seine Geschichte beweist, immer nur mit that- sächlicher Macht rechnet, und selbst anerkannte Rechte nur dann berücksichtigt, wenn er die Kraft sieht, welche sie schützt. Das Eindringen der Fremden hat die Siogun-Herrschaft viel schneller untergraben, als erwartet wurde. Der Taïkūn Jye-motsi erinnert in dem Manifeste vom 29. Juli 1864 daran, dass seine Vor- fahren die Fremden vor zweihundert Jahren gegen den Willen vieler Daïmio’s vertrieben haben, und gibt deutlich den Wunsch zu erkennen, dass ihm etwas ähnliches auch jetzt möglich sein möchte. Wie bei Consolidirung des Systems im Anfang des 17. Jahrhunderts die Vertreibung der Fremden nothwendig wurde, so hört mit dem Verfall desselben die Möglichkeit auf sich ihrer zu erwehren. Die Staatsgewalt, welche sich nur durch die äusserste Knechtung der Daïmio’s und die dafür nothwendige Ausschliessung der Fremden halten konnte, musste rasch zusammensinken, sobald sie diese beiden Grundbedingungen ihrer Existenz aufgab. Sie hat den Daïmio’s die Zügel schiessen lassen, und zugleich die Fremden auf- genommen; wollte sie heut wirklich diese mit Gewalt vertreiben, so fänden sie den sichersten Rückhalt an den Landesfürsten, über

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/378>, abgerufen am 28.11.2024.