Nun entspann sich im Sommer 1850 zwischen den Pun-ti und Kei-kia um den Besitz eines Mädchens eine heftige Fehde, in welcher die Obrigkeit auf Seite der ersteren trat. Zu schwach oder zu indolent ihnen thätig zu helfen, scheint sie die Pun-ti zur Selbsthülfe getrieben zu haben, und veranlasste einen Bürgerkrieg, welcher die ganze Kei-kia-Bevölkerung zum Aufstande trieb.
So bedurfte es nur der Concentrirung um einen Führer, um den Kaiserlichen gleich mit gewaltiger Masse entgegenzutreten; aber dazu scheint Hun-siu-tsuen die bewegende Thatkraft und militärische Begabung gefehlt zu haben. Hatte er die Absicht die Mandschu zu stürzen, so liess er sich doch von den Ereignissen treiben und blieb auch in der Folge nur das geistliche Haupt der Bewegung. Während die militärische und politische Leitung in die Hände An- derer, vorzüglich des Yan-sin-tsin überging, fuhr Hun-siu-tsuen fort sich der Ausbildung seiner Lehre zu widmen und sittlich auf seine Schaaren zu wirken, welche er mit puritanischer Strenge discipli- nirte und durch Erweckung des Glaubens an göttliche Hülfe unüber- windlich machte. Dass damals Entschlüsse in ihm reiften, beweist der Umstand, dass er im Sommer 1850 seine Anhänger zum Ver- kauf aller liegenden Habe und Ablieferung des Geldes in die gemein- schaftliche Kasse antrieb, aus der alle genährt und gekleidet wur- den. Aller Besitz sollte gemeinsam sein, Keiner etwas Eigenes haben. Wie gross sein Ansehn gewesen sein muss, lässt die Durch- führung dieser radicalen Maassregel erkennen.
Im Spätsommer 1850, um dieselbe Zeit, als die Kei- kia aufstanden, waren auch die Gottesverehrer am Distelberge wieder in Conflict mit der Obrigkeit gerathen. Ein wegen Bil- dersturmes eingekerkerter Verwandter des Hun-siu-tsuen starb an Misshandlungen; er selbst und Fun-yun-san sollten ver- haftet werden als Gründer einer Gesellschaft, "die nicht nur beschuldigt sei, den Gottesdienst Anderer zu stören, sondern auch die Banditen zu begünstigen und insgeheim verbrecherische Absichten gegen die Obrigkeit zu hegen". Hun und Fun flüch- teten mit wenigen Begleitern nach dem Hause eines Freundes in enger auf einem einzigen schmalen Pfade zugänglicher Gebirgs- schlucht. Die Mandarinen erkundeten ihre Zuflucht und besetzten den Pass mit Soldaten; Hun und die Anderen wurden dort aus- gehungert oder gefangen, wenn nicht Hülfe kam. Da zeigte Yan- sin-tsin zum ersten Male seine Kraft und Fähigkeit. Von der Ge-
Concentrirung und Gütergemeinschaft der Tae-piṅ.
Nun entspann sich im Sommer 1850 zwischen den Pun-ti und Kei-kia um den Besitz eines Mädchens eine heftige Fehde, in welcher die Obrigkeit auf Seite der ersteren trat. Zu schwach oder zu indolent ihnen thätig zu helfen, scheint sie die Pun-ti zur Selbsthülfe getrieben zu haben, und veranlasste einen Bürgerkrieg, welcher die ganze Kei-kia-Bevölkerung zum Aufstande trieb.
So bedurfte es nur der Concentrirung um einen Führer, um den Kaiserlichen gleich mit gewaltiger Masse entgegenzutreten; aber dazu scheint Huṅ-siu-tsuen die bewegende Thatkraft und militärische Begabung gefehlt zu haben. Hatte er die Absicht die Mandschu zu stürzen, so liess er sich doch von den Ereignissen treiben und blieb auch in der Folge nur das geistliche Haupt der Bewegung. Während die militärische und politische Leitung in die Hände An- derer, vorzüglich des Yaṅ-sin-tsiṅ überging, fuhr Huṅ-siu-tsuen fort sich der Ausbildung seiner Lehre zu widmen und sittlich auf seine Schaaren zu wirken, welche er mit puritanischer Strenge discipli- nirte und durch Erweckung des Glaubens an göttliche Hülfe unüber- windlich machte. Dass damals Entschlüsse in ihm reiften, beweist der Umstand, dass er im Sommer 1850 seine Anhänger zum Ver- kauf aller liegenden Habe und Ablieferung des Geldes in die gemein- schaftliche Kasse antrieb, aus der alle genährt und gekleidet wur- den. Aller Besitz sollte gemeinsam sein, Keiner etwas Eigenes haben. Wie gross sein Ansehn gewesen sein muss, lässt die Durch- führung dieser radicalen Maassregel erkennen.
Im Spätsommer 1850, um dieselbe Zeit, als die Kei- kia aufstanden, waren auch die Gottesverehrer am Distelberge wieder in Conflict mit der Obrigkeit gerathen. Ein wegen Bil- dersturmes eingekerkerter Verwandter des Huṅ-siu-tsuen starb an Misshandlungen; er selbst und Fuṅ-yuṅ-san sollten ver- haftet werden als Gründer einer Gesellschaft, »die nicht nur beschuldigt sei, den Gottesdienst Anderer zu stören, sondern auch die Banditen zu begünstigen und insgeheim verbrecherische Absichten gegen die Obrigkeit zu hegen«. Huṅ und Fuṅ flüch- teten mit wenigen Begleitern nach dem Hause eines Freundes in enger auf einem einzigen schmalen Pfade zugänglicher Gebirgs- schlucht. Die Mandarinen erkundeten ihre Zuflucht und besetzten den Pass mit Soldaten; Huṅ und die Anderen wurden dort aus- gehungert oder gefangen, wenn nicht Hülfe kam. Da zeigte Yaṅ- sin-tsiṅ zum ersten Male seine Kraft und Fähigkeit. Von der Ge-
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Concentrirung und Gütergemeinschaft der Tae-piṅ.
Nun entspann sich im Sommer 1850 zwischen den Pun-ti und
Kei-kia um den Besitz eines Mädchens eine heftige Fehde, in
welcher die Obrigkeit auf Seite der ersteren trat. Zu schwach
oder zu indolent ihnen thätig zu helfen, scheint sie die Pun-ti zur
Selbsthülfe getrieben zu haben, und veranlasste einen Bürgerkrieg,
welcher die ganze Kei-kia-Bevölkerung zum Aufstande trieb.
So bedurfte es nur der Concentrirung um einen Führer,
um den Kaiserlichen gleich mit gewaltiger Masse entgegenzutreten;
aber dazu scheint Huṅ-siu-tsuen die bewegende Thatkraft und
militärische Begabung gefehlt zu haben. Hatte er die Absicht die
Mandschu zu stürzen, so liess er sich doch von den Ereignissen treiben
und blieb auch in der Folge nur das geistliche Haupt der Bewegung.
Während die militärische und politische Leitung in die Hände An-
derer, vorzüglich des Yaṅ-sin-tsiṅ überging, fuhr Huṅ-siu-tsuen
fort sich der Ausbildung seiner Lehre zu widmen und sittlich auf seine
Schaaren zu wirken, welche er mit puritanischer Strenge discipli-
nirte und durch Erweckung des Glaubens an göttliche Hülfe unüber-
windlich machte. Dass damals Entschlüsse in ihm reiften, beweist
der Umstand, dass er im Sommer 1850 seine Anhänger zum Ver-
kauf aller liegenden Habe und Ablieferung des Geldes in die gemein-
schaftliche Kasse antrieb, aus der alle genährt und gekleidet wur-
den. Aller Besitz sollte gemeinsam sein, Keiner etwas Eigenes
haben. Wie gross sein Ansehn gewesen sein muss, lässt die Durch-
führung dieser radicalen Maassregel erkennen.
Im Spätsommer 1850, um dieselbe Zeit, als die Kei-
kia aufstanden, waren auch die Gottesverehrer am Distelberge
wieder in Conflict mit der Obrigkeit gerathen. Ein wegen Bil-
dersturmes eingekerkerter Verwandter des Huṅ-siu-tsuen starb
an Misshandlungen; er selbst und Fuṅ-yuṅ-san sollten ver-
haftet werden als Gründer einer Gesellschaft, »die nicht nur
beschuldigt sei, den Gottesdienst Anderer zu stören, sondern
auch die Banditen zu begünstigen und insgeheim verbrecherische
Absichten gegen die Obrigkeit zu hegen«. Huṅ und Fuṅ flüch-
teten mit wenigen Begleitern nach dem Hause eines Freundes in
enger auf einem einzigen schmalen Pfade zugänglicher Gebirgs-
schlucht. Die Mandarinen erkundeten ihre Zuflucht und besetzten
den Pass mit Soldaten; Huṅ und die Anderen wurden dort aus-
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/193>, abgerufen am 15.08.2024.
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