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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Tae-pin in Su-tsau.
zum Entsatze des hart bedrängten Gan-kin auf; in Kian-si bot
der Hülfskönig den Kaiserlichen die Spitze, und Tsun-wan, der
Treue König rückte in das unberührte reiche Gebiet, das sich öst-
lich von Nan-kin nach der Flussmündung und der Meeresküste
erstreckt. Er schlug die Kaiserlichen in drei Schlachten, bemäch-
tigte sich des Grossen Canales auf die Strecke vom Yan-tse-kian bis
zum Tai-ho-See und bedrohte Su-tsau. Diese in geringer Entfer-
nung von Shang-hae gelegene Stadt galt als die reichste und
blühendste von China. "Oben ist das Paradies, unten Su und Han";107)
"Um glücklich zu leben, muss man aus Su-tsau sein", sagen chine-
sische Sprüche. Der Glanz seiner Marmorbauten, seiner Denkmäler,
Brücken, Strassen und Canäle, die Schönheit und Intelligenz seiner
Bewohner, die Vorzüglichkeit seiner Manufacturen waren im ganzen
Reiche berühmt. Su-tsau galt als Sitz der höchsten Lebensver-
feinerung und Eleganz. Die Stadt selbst soll zwei Meilen Um-
fang gehabt haben; ausserhalb dehnten sich vier mächtige Vor-
städte aus; die Bevölkerung wurde auf zwei Millionen geschätzt.

Beim Anrücken des Tsun-wan liess der in Su-tsau weilende
Statthalter Ho-kwei-tsin die Vorstädte anzünden, um die Stadt
zu retten; da ergriff die kaiserlichen Truppen wilde Raublust; sie
stürzten sich in die brennenden Strassen, plünderten und übten die
schlimmste Gewalt. Die Auflösung war vollständig. Die Tae-pin
fanden keinen Widerstand, und das Volk jauchzte dem einziehen-
den Tsun-wan als Retter zu, während auf der entgegengesetzten
Seite die Kaiserlichen beutebeladen ausrückten. Das geschah am
24. Mai 1860.

Im amtlichen Bericht an den Kaiser über diese Ereignisse
steht Folgendes:

"Die Auflösung des vor Nan-kin gelagerten Hauptkörpers
der Armee war nach der unterthänigsten Ansicht deiner Knechte
dadurch veranlasst, dass Ho-tsun (der commandirende Mandschu-
General) Vertrauen in Männer setzte, die es nicht verdienten. Da-
her Unzufriedenheit unter den Truppen schon von älterem Datum;
während Tsan-kwo-lian, verdrossen über die Unmöglichkeit seine
eigenen Maassregeln auszuführen, sich bei Tan-yan in den Kampf
stürzte und starb. Darauf gerieth das ganze Heer in solchen
Zustand der Demoralisation, dass es sich auflöste, wo immer der

107) Su-tsau, Han-tsau.
III. 18

Die Tae-piṅ in Su-tšau.
zum Entsatze des hart bedrängten Gan-kiṅ auf; in Kiaṅ-si bot
der Hülfskönig den Kaiserlichen die Spitze, und Tšun-waṅ, der
Treue König rückte in das unberührte reiche Gebiet, das sich öst-
lich von Nan-kiṅ nach der Flussmündung und der Meeresküste
erstreckt. Er schlug die Kaiserlichen in drei Schlachten, bemäch-
tigte sich des Grossen Canales auf die Strecke vom Yaṅ-tse-kiaṅ bis
zum Tai-ho-See und bedrohte Su-tšau. Diese in geringer Entfer-
nung von Shang-hae gelegene Stadt galt als die reichste und
blühendste von China. »Oben ist das Paradies, unten Su und Haṅ«;107)
»Um glücklich zu leben, muss man aus Su-tšau sein«, sagen chine-
sische Sprüche. Der Glanz seiner Marmorbauten, seiner Denkmäler,
Brücken, Strassen und Canäle, die Schönheit und Intelligenz seiner
Bewohner, die Vorzüglichkeit seiner Manufacturen waren im ganzen
Reiche berühmt. Su-tšau galt als Sitz der höchsten Lebensver-
feinerung und Eleganz. Die Stadt selbst soll zwei Meilen Um-
fang gehabt haben; ausserhalb dehnten sich vier mächtige Vor-
städte aus; die Bevölkerung wurde auf zwei Millionen geschätzt.

Beim Anrücken des Tšun-waṅ liess der in Su-tsau weilende
Statthalter Ho-kwei-tsiṅ die Vorstädte anzünden, um die Stadt
zu retten; da ergriff die kaiserlichen Truppen wilde Raublust; sie
stürzten sich in die brennenden Strassen, plünderten und übten die
schlimmste Gewalt. Die Auflösung war vollständig. Die Tae-piṅ
fanden keinen Widerstand, und das Volk jauchzte dem einziehen-
den Tšun-waṅ als Retter zu, während auf der entgegengesetzten
Seite die Kaiserlichen beutebeladen ausrückten. Das geschah am
24. Mai 1860.

Im amtlichen Bericht an den Kaiser über diese Ereignisse
steht Folgendes:

»Die Auflösung des vor Nan-kiṅ gelagerten Hauptkörpers
der Armee war nach der unterthänigsten Ansicht deiner Knechte
dadurch veranlasst, dass Ho-tšun (der commandirende Mandschu-
General) Vertrauen in Männer setzte, die es nicht verdienten. Da-
her Unzufriedenheit unter den Truppen schon von älterem Datum;
während Tšaṅ-kwo-liaṅ, verdrossen über die Unmöglichkeit seine
eigenen Maassregeln auszuführen, sich bei Tan-yaṅ in den Kampf
stürzte und starb. Darauf gerieth das ganze Heer in solchen
Zustand der Demoralisation, dass es sich auflöste, wo immer der

107) Su-tšau, Haṅ-tšau.
III. 18
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[273/0295] Die Tae-piṅ in Su-tšau. zum Entsatze des hart bedrängten Gan-kiṅ auf; in Kiaṅ-si bot der Hülfskönig den Kaiserlichen die Spitze, und Tšun-waṅ, der Treue König rückte in das unberührte reiche Gebiet, das sich öst- lich von Nan-kiṅ nach der Flussmündung und der Meeresküste erstreckt. Er schlug die Kaiserlichen in drei Schlachten, bemäch- tigte sich des Grossen Canales auf die Strecke vom Yaṅ-tse-kiaṅ bis zum Tai-ho-See und bedrohte Su-tšau. Diese in geringer Entfer- nung von Shang-hae gelegene Stadt galt als die reichste und blühendste von China. »Oben ist das Paradies, unten Su und Haṅ«; 107) »Um glücklich zu leben, muss man aus Su-tšau sein«, sagen chine- sische Sprüche. Der Glanz seiner Marmorbauten, seiner Denkmäler, Brücken, Strassen und Canäle, die Schönheit und Intelligenz seiner Bewohner, die Vorzüglichkeit seiner Manufacturen waren im ganzen Reiche berühmt. Su-tšau galt als Sitz der höchsten Lebensver- feinerung und Eleganz. Die Stadt selbst soll zwei Meilen Um- fang gehabt haben; ausserhalb dehnten sich vier mächtige Vor- städte aus; die Bevölkerung wurde auf zwei Millionen geschätzt. Beim Anrücken des Tšun-waṅ liess der in Su-tsau weilende Statthalter Ho-kwei-tsiṅ die Vorstädte anzünden, um die Stadt zu retten; da ergriff die kaiserlichen Truppen wilde Raublust; sie stürzten sich in die brennenden Strassen, plünderten und übten die schlimmste Gewalt. Die Auflösung war vollständig. Die Tae-piṅ fanden keinen Widerstand, und das Volk jauchzte dem einziehen- den Tšun-waṅ als Retter zu, während auf der entgegengesetzten Seite die Kaiserlichen beutebeladen ausrückten. Das geschah am 24. Mai 1860. Im amtlichen Bericht an den Kaiser über diese Ereignisse steht Folgendes: »Die Auflösung des vor Nan-kiṅ gelagerten Hauptkörpers der Armee war nach der unterthänigsten Ansicht deiner Knechte dadurch veranlasst, dass Ho-tšun (der commandirende Mandschu- General) Vertrauen in Männer setzte, die es nicht verdienten. Da- her Unzufriedenheit unter den Truppen schon von älterem Datum; während Tšaṅ-kwo-liaṅ, verdrossen über die Unmöglichkeit seine eigenen Maassregeln auszuführen, sich bei Tan-yaṅ in den Kampf stürzte und starb. Darauf gerieth das ganze Heer in solchen Zustand der Demoralisation, dass es sich auflöste, wo immer der 107) Su-tšau, Haṅ-tšau. III. 18

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/295>, abgerufen am 21.11.2024.