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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die "Sieggewisse Schaar".
heissung des Kaisers, dass seine Halsstarrigkeit -- oder Ehrlichkeit
-- ihn zu schlechtem Ende führen werde.

Noch ehe die Vertreter von England und Frankreich die
Vertheidigung von Shang-hae beschlossen, stellten reiche chine-
sische Kaufleute, welche von der Invasion Alles zu fürchten hatten,
dem Tau-tae ansehnliche Geldmittel für Organisirung eines Frei-
corps zur Verfügung. Zwei Americaner von abenteuerlichem Le-
benslauf, Ward und Burgevine warben damals etwa hundert Euro-
päer, Americaner und Leute aus Manila an und rückten mit diesen
im Juli auf die kaum vier Meilen von Shang-hae entfernte Stadt
Sun-kian, für deren Einnahme der Tau-tae eine namhafte Summe
bot. Beim ersten Anlauf abgewiesen, bemächtigte sich Ward in
der folgenden Nacht eines Stadtthores und hielt dasselbe bis zur
Ankunft kaiserlicher Truppen, welche die Tae-pin-Besatzung ver-
trieben. Das war die erste That der "Sieggewissen Schaar", die
später unter dem Befehl englischer Linien-Officiere so wesentlich
zur Vernichtung der Tae-pin-Herrschaft beitrug. -- Die Kaufleute
fuhren fort mit offener Hand zu steuern, und der hohe Sold von
100 Dollars monatlich lockte viele Abenteuerer. So konnte Ward
bald darauf mit 280 Mann und zwei Sechspfündern, unterstützt von
10,000 Mann kaiserlicher Truppen und 200 chinesischen Kanonen-
booten, welche auf dem von Canälen durchfurchten Terrain sehr
nützlich waren, gegen die Stadt Sin-pu rücken. Die Vertheidigung
leitete ein englischer Lootse Savage. Ward wurde beim ersten An-
griff geworfen und schmerzhaft verwundet, holte trotzdem Ver-
stärkung aus Shang-hae, musste aber der Uebermacht des Tsun-
wan
weichen, der von Su-tsau anrückte. Dieser überflügelte ihn,
nahm seine Geschütze und viele Gewehre weg und drängte das
Freicorps auf Sun-kian, welches den Anlauf der Rebellen noch
glücklich bestand.

Unterdessen bereiteten die Tae-pin sich zur Offensive.
Sicher hatten sie bei dem Unternehmen auf Su-tsau ebensowohl
die Verbindung mit den Fremden in Shang-hae, als die Reich-
thümer jener Stadt im Auge. Der Kan-wan, der so lange unter
den Engländern gelebt hatte, kannte die Macht der fremden Waffen
und die Sympathieen, die nicht bloss protestantische Missionare,
sondern auch viele unter den ansässigen Kaufleuten damals noch
für seine Parthei hegten. Die Engländer waren im Kriege gegen
die kaiserliche Regierung begriffen, und die Hoffnung der Insur-

Die »Sieggewisse Schaar«.
heissung des Kaisers, dass seine Halsstarrigkeit — oder Ehrlichkeit
— ihn zu schlechtem Ende führen werde.

Noch ehe die Vertreter von England und Frankreich die
Vertheidigung von Shang-hae beschlossen, stellten reiche chine-
sische Kaufleute, welche von der Invasion Alles zu fürchten hatten,
dem Tau-tae ansehnliche Geldmittel für Organisirung eines Frei-
corps zur Verfügung. Zwei Americaner von abenteuerlichem Le-
benslauf, Ward und Burgevine warben damals etwa hundert Euro-
päer, Americaner und Leute aus Manila an und rückten mit diesen
im Juli auf die kaum vier Meilen von Shang-hae entfernte Stadt
Sun-kiaṅ, für deren Einnahme der Tau-tae eine namhafte Summe
bot. Beim ersten Anlauf abgewiesen, bemächtigte sich Ward in
der folgenden Nacht eines Stadtthores und hielt dasselbe bis zur
Ankunft kaiserlicher Truppen, welche die Tae-piṅ-Besatzung ver-
trieben. Das war die erste That der »Sieggewissen Schaar«, die
später unter dem Befehl englischer Linien-Officiere so wesentlich
zur Vernichtung der Tae-piṅ-Herrschaft beitrug. — Die Kaufleute
fuhren fort mit offener Hand zu steuern, und der hohe Sold von
100 Dollars monatlich lockte viele Abenteuerer. So konnte Ward
bald darauf mit 280 Mann und zwei Sechspfündern, unterstützt von
10,000 Mann kaiserlicher Truppen und 200 chinesischen Kanonen-
booten, welche auf dem von Canälen durchfurchten Terrain sehr
nützlich waren, gegen die Stadt Siṅ-pu rücken. Die Vertheidigung
leitete ein englischer Lootse Savage. Ward wurde beim ersten An-
griff geworfen und schmerzhaft verwundet, holte trotzdem Ver-
stärkung aus Shang-hae, musste aber der Uebermacht des Tšun-
waṅ
weichen, der von Su-tšau anrückte. Dieser überflügelte ihn,
nahm seine Geschütze und viele Gewehre weg und drängte das
Freicorps auf Sun-kiaṅ, welches den Anlauf der Rebellen noch
glücklich bestand.

Unterdessen bereiteten die Tae-piṅ sich zur Offensive.
Sicher hatten sie bei dem Unternehmen auf Su-tšau ebensowohl
die Verbindung mit den Fremden in Shang-hae, als die Reich-
thümer jener Stadt im Auge. Der Kan-waṅ, der so lange unter
den Engländern gelebt hatte, kannte die Macht der fremden Waffen
und die Sympathieen, die nicht bloss protestantische Missionare,
sondern auch viele unter den ansässigen Kaufleuten damals noch
für seine Parthei hegten. Die Engländer waren im Kriege gegen
die kaiserliche Regierung begriffen, und die Hoffnung der Insur-

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[276/0298] Die »Sieggewisse Schaar«. heissung des Kaisers, dass seine Halsstarrigkeit — oder Ehrlichkeit — ihn zu schlechtem Ende führen werde. Noch ehe die Vertreter von England und Frankreich die Vertheidigung von Shang-hae beschlossen, stellten reiche chine- sische Kaufleute, welche von der Invasion Alles zu fürchten hatten, dem Tau-tae ansehnliche Geldmittel für Organisirung eines Frei- corps zur Verfügung. Zwei Americaner von abenteuerlichem Le- benslauf, Ward und Burgevine warben damals etwa hundert Euro- päer, Americaner und Leute aus Manila an und rückten mit diesen im Juli auf die kaum vier Meilen von Shang-hae entfernte Stadt Sun-kiaṅ, für deren Einnahme der Tau-tae eine namhafte Summe bot. Beim ersten Anlauf abgewiesen, bemächtigte sich Ward in der folgenden Nacht eines Stadtthores und hielt dasselbe bis zur Ankunft kaiserlicher Truppen, welche die Tae-piṅ-Besatzung ver- trieben. Das war die erste That der »Sieggewissen Schaar«, die später unter dem Befehl englischer Linien-Officiere so wesentlich zur Vernichtung der Tae-piṅ-Herrschaft beitrug. — Die Kaufleute fuhren fort mit offener Hand zu steuern, und der hohe Sold von 100 Dollars monatlich lockte viele Abenteuerer. So konnte Ward bald darauf mit 280 Mann und zwei Sechspfündern, unterstützt von 10,000 Mann kaiserlicher Truppen und 200 chinesischen Kanonen- booten, welche auf dem von Canälen durchfurchten Terrain sehr nützlich waren, gegen die Stadt Siṅ-pu rücken. Die Vertheidigung leitete ein englischer Lootse Savage. Ward wurde beim ersten An- griff geworfen und schmerzhaft verwundet, holte trotzdem Ver- stärkung aus Shang-hae, musste aber der Uebermacht des Tšun- waṅ weichen, der von Su-tšau anrückte. Dieser überflügelte ihn, nahm seine Geschütze und viele Gewehre weg und drängte das Freicorps auf Sun-kiaṅ, welches den Anlauf der Rebellen noch glücklich bestand. Unterdessen bereiteten die Tae-piṅ sich zur Offensive. Sicher hatten sie bei dem Unternehmen auf Su-tšau ebensowohl die Verbindung mit den Fremden in Shang-hae, als die Reich- thümer jener Stadt im Auge. Der Kan-waṅ, der so lange unter den Engländern gelebt hatte, kannte die Macht der fremden Waffen und die Sympathieen, die nicht bloss protestantische Missionare, sondern auch viele unter den ansässigen Kaufleuten damals noch für seine Parthei hegten. Die Engländer waren im Kriege gegen die kaiserliche Regierung begriffen, und die Hoffnung der Insur-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/298>, abgerufen am 21.11.2024.