kein Verzug. Gehen die Verhandlungen nicht sachte, welche Schwierigkeiten fänden Seine Excellenz, ihren Marsch auf Tun- tsau fortzusetzen? Es wäre niemals zu spät" u. s. w.
Lord Elgin glaubte diese Anträge nicht ganz von der Hand weisen zu dürfen. Er befragte zunächst Sir Hope Grant über die Möglichkeit einer unmittelbaren Bewegung auf Tun-tsau, und er- hielt aus dessen Hauptquartier die Antwort, dass es nothwendig sei, in Ho-si-wu ein Proviant-Depot anzulegen, Verstärkungen und das schwere Geschütz abzuwarten; darüber könnte eine Woche vergehen. Ungewiss, ob sie Lebensmittel fänden und ohne genü- gende Transportmittel, hatten Sir Hope Grant und General Montauban nur einen Theil der disponiblen Truppen vorgeschoben; Proviant, Munition und das schwere Geschütz mussten auf dem Pei-ho befördert werden, dessen geringer Wasserstand den Trans- port erschwerte. Wies Lord Elgin während dieser Truppen- Concentrirung alle Unterhandlungen zurück, so konnte sich bei den Chinesen leicht der Gedanke befestigen, die Alliirten gingen auf Eroberung, auf den Sturz der Dynastie aus. Die Gefahr ver- zweifelten Widerstandes, einer Massenerhebung im Rücken des Heeres lag nahe. Deshalb liess jetzt Lord Elgin ein Schreiben aufsetzen, in welchem er den Chinesen zwar die Fortsetzung der Bewegung auf Tun-tsau ankündete, zugleich aber versprach, das Heer an einem von da leicht erreichbaren Puncte Halt machen zu lassen, und selbst mit einer Escorte von 1000 Mann zunächst zu Unterzeichnung der Convention nach Tun-tsau, dann zu Ratifi- cirung des Vertrages nach Pe-kin zu gehen, wenn sie für ihr gutes Betragen die Bürgschaft leisten könnten, die er verlangen werde. Die Ueberreichung dieses Schreibens wurde der Discretion der Herren Wade und Parkes überlassen, welche mit Cavallerie- Escorte von zwanzig Mann am 14. September Morgens zunächst nach Ma-tau, das die Commissare verlassen hatten, dann nach Tun-tsau ritten, wo sie dieselben trafen. Sie wurden noch an demselben Nachmittag vom Prinzen Tsae-yuen (Ei-tsin-wan) und Mu-yin sehr höflich empfangen und conferirten mit denselben bis Mitternacht. Für die Frage der Vollmachten zeigten Beide wenig Verständniss. Tsae erklärte vornehm, dass seine Unterschrift eben so bindend sei als die kaiserliche; eine ausdrückliche Vollmacht nach europäischem Muster sei aber leicht zu beschaffen. Den In- halt der Convention kannte er eben so wenig als Mu-yin, obgleich
Anknüpfung von Verhandlungen.
kein Verzug. Gehen die Verhandlungen nicht sachte, welche Schwierigkeiten fänden Seine Excellenz, ihren Marsch auf Tuṅ- tšau fortzusetzen? Es wäre niemals zu spät« u. s. w.
Lord Elgin glaubte diese Anträge nicht ganz von der Hand weisen zu dürfen. Er befragte zunächst Sir Hope Grant über die Möglichkeit einer unmittelbaren Bewegung auf Tuṅ-tšau, und er- hielt aus dessen Hauptquartier die Antwort, dass es nothwendig sei, in Ho-si-wu ein Proviant-Depot anzulegen, Verstärkungen und das schwere Geschütz abzuwarten; darüber könnte eine Woche vergehen. Ungewiss, ob sie Lebensmittel fänden und ohne genü- gende Transportmittel, hatten Sir Hope Grant und General Montauban nur einen Theil der disponiblen Truppen vorgeschoben; Proviant, Munition und das schwere Geschütz mussten auf dem Pei-ho befördert werden, dessen geringer Wasserstand den Trans- port erschwerte. Wies Lord Elgin während dieser Truppen- Concentrirung alle Unterhandlungen zurück, so konnte sich bei den Chinesen leicht der Gedanke befestigen, die Alliirten gingen auf Eroberung, auf den Sturz der Dynastie aus. Die Gefahr ver- zweifelten Widerstandes, einer Massenerhebung im Rücken des Heeres lag nahe. Deshalb liess jetzt Lord Elgin ein Schreiben aufsetzen, in welchem er den Chinesen zwar die Fortsetzung der Bewegung auf Tuṅ-tšau ankündete, zugleich aber versprach, das Heer an einem von da leicht erreichbaren Puncte Halt machen zu lassen, und selbst mit einer Escorte von 1000 Mann zunächst zu Unterzeichnung der Convention nach Tuṅ-tšau, dann zu Ratifi- cirung des Vertrages nach Pe-kiṅ zu gehen, wenn sie für ihr gutes Betragen die Bürgschaft leisten könnten, die er verlangen werde. Die Ueberreichung dieses Schreibens wurde der Discretion der Herren Wade und Parkes überlassen, welche mit Cavallerie- Escorte von zwanzig Mann am 14. September Morgens zunächst nach Ma-tau, das die Commissare verlassen hatten, dann nach Tuṅ-tšau ritten, wo sie dieselben trafen. Sie wurden noch an demselben Nachmittag vom Prinzen Tsae-yuen (Ei-tsiṅ-waṅ) und Mu-yin sehr höflich empfangen und conferirten mit denselben bis Mitternacht. Für die Frage der Vollmachten zeigten Beide wenig Verständniss. Tsae erklärte vornehm, dass seine Unterschrift eben so bindend sei als die kaiserliche; eine ausdrückliche Vollmacht nach europäischem Muster sei aber leicht zu beschaffen. Den In- halt der Convention kannte er eben so wenig als Mu-yin, obgleich
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Anknüpfung von Verhandlungen.
kein Verzug. Gehen die Verhandlungen nicht sachte, welche
Schwierigkeiten fänden Seine Excellenz, ihren Marsch auf Tuṅ-
tšau fortzusetzen? Es wäre niemals zu spät« u. s. w.
Lord Elgin glaubte diese Anträge nicht ganz von der Hand
weisen zu dürfen. Er befragte zunächst Sir Hope Grant über die
Möglichkeit einer unmittelbaren Bewegung auf Tuṅ-tšau, und er-
hielt aus dessen Hauptquartier die Antwort, dass es nothwendig
sei, in Ho-si-wu ein Proviant-Depot anzulegen, Verstärkungen und
das schwere Geschütz abzuwarten; darüber könnte eine Woche
vergehen. Ungewiss, ob sie Lebensmittel fänden und ohne genü-
gende Transportmittel, hatten Sir Hope Grant und General
Montauban nur einen Theil der disponiblen Truppen vorgeschoben;
Proviant, Munition und das schwere Geschütz mussten auf dem
Pei-ho befördert werden, dessen geringer Wasserstand den Trans-
port erschwerte. Wies Lord Elgin während dieser Truppen-
Concentrirung alle Unterhandlungen zurück, so konnte sich bei den
Chinesen leicht der Gedanke befestigen, die Alliirten gingen auf
Eroberung, auf den Sturz der Dynastie aus. Die Gefahr ver-
zweifelten Widerstandes, einer Massenerhebung im Rücken des
Heeres lag nahe. Deshalb liess jetzt Lord Elgin ein Schreiben
aufsetzen, in welchem er den Chinesen zwar die Fortsetzung der
Bewegung auf Tuṅ-tšau ankündete, zugleich aber versprach, das
Heer an einem von da leicht erreichbaren Puncte Halt machen zu
lassen, und selbst mit einer Escorte von 1000 Mann zunächst zu
Unterzeichnung der Convention nach Tuṅ-tšau, dann zu Ratifi-
cirung des Vertrages nach Pe-kiṅ zu gehen, wenn sie für ihr
gutes Betragen die Bürgschaft leisten könnten, die er verlangen
werde. Die Ueberreichung dieses Schreibens wurde der Discretion
der Herren Wade und Parkes überlassen, welche mit Cavallerie-
Escorte von zwanzig Mann am 14. September Morgens zunächst
nach Ma-tau, das die Commissare verlassen hatten, dann nach
Tuṅ-tšau ritten, wo sie dieselben trafen. Sie wurden noch an
demselben Nachmittag vom Prinzen Tsae-yuen (Ei-tsiṅ-waṅ) und
Mu-yin sehr höflich empfangen und conferirten mit denselben bis
Mitternacht. Für die Frage der Vollmachten zeigten Beide wenig
Verständniss. Tsae erklärte vornehm, dass seine Unterschrift eben
so bindend sei als die kaiserliche; eine ausdrückliche Vollmacht
nach europäischem Muster sei aber leicht zu beschaffen. Den In-
halt der Convention kannte er eben so wenig als Mu-yin, obgleich
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/352>, abgerufen am 22.11.2024.
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