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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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XIII. Umgebung von Shang-hae.
kein gehobener Seeboden ist. Ueberall ist sie angebaut; wir sahen
nur schlecht bestellte Weizen-, Gersten- und Bohnenfelder, doch
baut man im Sommer auch Reis und Baumwolle. Weit und breit
waren alle Bäume und Haine von den Tae-pin und kaiserlichen
Soldaten umgehauen; Tausende von Särgen, die frei auf den Fel-
dern umherstehen, erhöhen den Eindruck der traurigsten Oede.
Ein günstig gelegener Begräbnissplatz gehört zu des Chinesen
höchsten Lebenswünschen; die Bonzen ziehen Vortheil vom Aber-
glauben des Volkes und suchen für Geld durch Zauberformeln den
besten Platz aus. Die das nicht bestreiten können, scheinen die
Beisetzung auf freiem Felde der Einscharrung vorzuziehen. Faulende
Särge werden oft von wilden Hunden aufgekratzt; dann starrt dem
Wanderer der zerfleischte Leichnam entgegen; benagte Gliedmaassen
liegen auf den Feldern. -- Neben manchen Tempeln stehen Leichen-
häuser, wo bei Vermuthung von Scheintod die Körper bis zum
Eintritt der Verwesung ausgestellt bleiben.

Am 17. April machten wir im Reiseboot des Herrn Probst
einen Ausflug nach der nahgelegenen Pagode. Alle Handlungs-
häuser besitzen solche Boote, auf welchen ihre Reisenden die Sei-
dendistricte besuchen; es sind flache chinesische Fahrzeuge, über
deren Mitte eine bequeme Kajüte gebaut ist; vorn und hinten ar-
beiten die Schiffer. -- Die Fahrt ging stromaufwärts, zunächst
durch dichte Reihen der Dschunken von Su-tsau. Gleich ober-
halb der Stadt liegt To-kan-du, das Mutterhaus der franzö-
sischen Jesuiten, welchen vom päpstlichen Stuhl die Provinzen
Kian-su und Tse-kian zugetheilt sind. Von da an bieten die Ufer
wenig Wechsel ausser vielen gegrabenen Einschnitten, welche durch
einen kurzen Wall geschlossen werden können und zum Ueber-
wintern der Dschunken dienen; denn hier giebt es in der Breite
von Kairo dickes Eis in den Flüssen. -- Nur langsam trieb uns die
Fluth hinauf; dann bog das Boot etwa fünfviertel Meilen oberhalb
Shang-hae in ein engeres Rinnsal ein und hielt bei einem ver-
fallenen Landhaus europäischer Bauart, das die Nähe der Rebellen
unbewohnbar machte. Von da führte der Weg durch gut bestan-
dene Gersten- und Rapsfelder und Gärten mit mächtigen Pfirsich-
bäumen, die in voller Blüthe standen.

Die Pagode, ein schlanker zierlicher Bau von hübschen Ver-
hältnissen, besteht aus einem vierseitigen steinernen Kern, um den
sich auf achteckigem Grundriss ein Holzbau von sieben Stockwerken

XIII. Umgebung von Shang-hae.
kein gehobener Seeboden ist. Ueberall ist sie angebaut; wir sahen
nur schlecht bestellte Weizen-, Gersten- und Bohnenfelder, doch
baut man im Sommer auch Reis und Baumwolle. Weit und breit
waren alle Bäume und Haine von den Tae-piṅ und kaiserlichen
Soldaten umgehauen; Tausende von Särgen, die frei auf den Fel-
dern umherstehen, erhöhen den Eindruck der traurigsten Oede.
Ein günstig gelegener Begräbnissplatz gehört zu des Chinesen
höchsten Lebenswünschen; die Bonzen ziehen Vortheil vom Aber-
glauben des Volkes und suchen für Geld durch Zauberformeln den
besten Platz aus. Die das nicht bestreiten können, scheinen die
Beisetzung auf freiem Felde der Einscharrung vorzuziehen. Faulende
Särge werden oft von wilden Hunden aufgekratzt; dann starrt dem
Wanderer der zerfleischte Leichnam entgegen; benagte Gliedmaassen
liegen auf den Feldern. — Neben manchen Tempeln stehen Leichen-
häuser, wo bei Vermuthung von Scheintod die Körper bis zum
Eintritt der Verwesung ausgestellt bleiben.

Am 17. April machten wir im Reiseboot des Herrn Probst
einen Ausflug nach der nahgelegenen Pagode. Alle Handlungs-
häuser besitzen solche Boote, auf welchen ihre Reisenden die Sei-
dendistricte besuchen; es sind flache chinesische Fahrzeuge, über
deren Mitte eine bequeme Kajüte gebaut ist; vorn und hinten ar-
beiten die Schiffer. — Die Fahrt ging stromaufwärts, zunächst
durch dichte Reihen der Dschunken von Su-tšau. Gleich ober-
halb der Stadt liegt To-kan-du, das Mutterhaus der franzö-
sischen Jesuiten, welchen vom päpstlichen Stuhl die Provinzen
Kiaṅ-su und Tše-kiaṅ zugetheilt sind. Von da an bieten die Ufer
wenig Wechsel ausser vielen gegrabenen Einschnitten, welche durch
einen kurzen Wall geschlossen werden können und zum Ueber-
wintern der Dschunken dienen; denn hier giebt es in der Breite
von Kaïro dickes Eis in den Flüssen. — Nur langsam trieb uns die
Fluth hinauf; dann bog das Boot etwa fünfviertel Meilen oberhalb
Shang-hae in ein engeres Rinnsal ein und hielt bei einem ver-
fallenen Landhaus europäischer Bauart, das die Nähe der Rebellen
unbewohnbar machte. Von da führte der Weg durch gut bestan-
dene Gersten- und Rapsfelder und Gärten mit mächtigen Pfirsich-
bäumen, die in voller Blüthe standen.

Die Pagode, ein schlanker zierlicher Bau von hübschen Ver-
hältnissen, besteht aus einem vierseitigen steinernen Kern, um den
sich auf achteckigem Grundriss ein Holzbau von sieben Stockwerken

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[395/0417] XIII. Umgebung von Shang-hae. kein gehobener Seeboden ist. Ueberall ist sie angebaut; wir sahen nur schlecht bestellte Weizen-, Gersten- und Bohnenfelder, doch baut man im Sommer auch Reis und Baumwolle. Weit und breit waren alle Bäume und Haine von den Tae-piṅ und kaiserlichen Soldaten umgehauen; Tausende von Särgen, die frei auf den Fel- dern umherstehen, erhöhen den Eindruck der traurigsten Oede. Ein günstig gelegener Begräbnissplatz gehört zu des Chinesen höchsten Lebenswünschen; die Bonzen ziehen Vortheil vom Aber- glauben des Volkes und suchen für Geld durch Zauberformeln den besten Platz aus. Die das nicht bestreiten können, scheinen die Beisetzung auf freiem Felde der Einscharrung vorzuziehen. Faulende Särge werden oft von wilden Hunden aufgekratzt; dann starrt dem Wanderer der zerfleischte Leichnam entgegen; benagte Gliedmaassen liegen auf den Feldern. — Neben manchen Tempeln stehen Leichen- häuser, wo bei Vermuthung von Scheintod die Körper bis zum Eintritt der Verwesung ausgestellt bleiben. Am 17. April machten wir im Reiseboot des Herrn Probst einen Ausflug nach der nahgelegenen Pagode. Alle Handlungs- häuser besitzen solche Boote, auf welchen ihre Reisenden die Sei- dendistricte besuchen; es sind flache chinesische Fahrzeuge, über deren Mitte eine bequeme Kajüte gebaut ist; vorn und hinten ar- beiten die Schiffer. — Die Fahrt ging stromaufwärts, zunächst durch dichte Reihen der Dschunken von Su-tšau. Gleich ober- halb der Stadt liegt To-kan-du, das Mutterhaus der franzö- sischen Jesuiten, welchen vom päpstlichen Stuhl die Provinzen Kiaṅ-su und Tše-kiaṅ zugetheilt sind. Von da an bieten die Ufer wenig Wechsel ausser vielen gegrabenen Einschnitten, welche durch einen kurzen Wall geschlossen werden können und zum Ueber- wintern der Dschunken dienen; denn hier giebt es in der Breite von Kaïro dickes Eis in den Flüssen. — Nur langsam trieb uns die Fluth hinauf; dann bog das Boot etwa fünfviertel Meilen oberhalb Shang-hae in ein engeres Rinnsal ein und hielt bei einem ver- fallenen Landhaus europäischer Bauart, das die Nähe der Rebellen unbewohnbar machte. Von da führte der Weg durch gut bestan- dene Gersten- und Rapsfelder und Gärten mit mächtigen Pfirsich- bäumen, die in voller Blüthe standen. Die Pagode, ein schlanker zierlicher Bau von hübschen Ver- hältnissen, besteht aus einem vierseitigen steinernen Kern, um den sich auf achteckigem Grundriss ein Holzbau von sieben Stockwerken

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/417>, abgerufen am 21.11.2024.