lischen Factorei unterschriebener Protest gegen seine Verhaftung blieb unbeachtet. Flint wurde vom März 1760 bis zum November 1762 festgehalten, dann in Wam-poa an Bord eines eben absegelnden1762. englischen Schiffes gebracht.
Die Provinzial-Behörden verzeihen es niemals, wenn Fremde sich mit Beschwerden an den kaiserlichen Hof wenden. Selbst jetzt, da die Verträge geschlossen sind und Vertreter der west- lichen Mächte in unmittelbarem Verkehr mit den höchsten Beamten der Centralgewalt stehen, umgehen die Mandarinen in den geöff- neten Häfen oft deren Befehle.
Die erzählten Vorfälle steigerten in Kan-ton das gegenseitige Uebelwollen; in den darauf folgenden Jahrzehnten waren die Zusammenstösse zwischen Ausländern und Chinesen häufiger und blutiger als jemals. Nur die Portugiesen liessen sich nach den englischen Berichten Alles gefallen und opferten dem Vortheil Ehre und Bewusstsein. Aus dem Jahre 1773 wird folgendes Ereig-1773. niss berichtet. Ein Chinese war in Macao erschlagen worden; der Verdacht des Mordes fiel auf einen Engländer Scott, der von den Colonialbehörden verhaftet wurde. Der portugiesische Gerichtshof fand trotz allen Zeugenverhören nicht den schwächsten Beweis für die Schuld des Angeklagten; trotzdem forderten die Mandarinen perem- torisch dessen Auslieferung und drohten mit Sperrung des Handels. Die Portugiesen waren überzeugt von der Unschuld des Scott; ein Mitglied des Senates sprach offen aus, dass dessen Auslieferung ehrlos wäre; trotzdem beschloss die Majorität sich zu fügen, und lieferte wirklich den Schuldlosen zur Schlachtbank.
Die despotische Willkür der Chinesen und die damalige Rechtlosigkeit der Fremden beweist unter vielen anderen folgender Vorfall. Am 24. November 1784 gelangte die Nachricht nach1784. Kan-ton, dass drei Chinesen eines Proviantbootes durch einen Salut- schuss des indischen Schiffes Lady Hughes schwer verletzt seien. Einer davon starb am folgenden Morgen. Der Feuerwerker, der ganz schuldlos war, kannte die rachsüchtige Grausamkeit der Landesjustiz und verbarg sich. -- An demselben Tage kam ein Mandarin zum englischen Handelsvorsteher und verlangte Unter- suchung, gab aber zu, dass nach allem Anschein ein Zufall das Unglück herbeigeführt habe. Der Handelsvorsteher hatte keine Gewalt über das indische Schiff (country-ship), das der Compagnie nicht gehörte, versprach aber seinen Einfluss bei dem Supercargo
III. 3
Feigheit der Portugiesen.
lischen Factorei unterschriebener Protest gegen seine Verhaftung blieb unbeachtet. Flint wurde vom März 1760 bis zum November 1762 festgehalten, dann in Wam-poa an Bord eines eben absegelnden1762. englischen Schiffes gebracht.
Die Provinzial-Behörden verzeihen es niemals, wenn Fremde sich mit Beschwerden an den kaiserlichen Hof wenden. Selbst jetzt, da die Verträge geschlossen sind und Vertreter der west- lichen Mächte in unmittelbarem Verkehr mit den höchsten Beamten der Centralgewalt stehen, umgehen die Mandarinen in den geöff- neten Häfen oft deren Befehle.
Die erzählten Vorfälle steigerten in Kan-ton das gegenseitige Uebelwollen; in den darauf folgenden Jahrzehnten waren die Zusammenstösse zwischen Ausländern und Chinesen häufiger und blutiger als jemals. Nur die Portugiesen liessen sich nach den englischen Berichten Alles gefallen und opferten dem Vortheil Ehre und Bewusstsein. Aus dem Jahre 1773 wird folgendes Ereig-1773. niss berichtet. Ein Chinese war in Macao erschlagen worden; der Verdacht des Mordes fiel auf einen Engländer Scott, der von den Colonialbehörden verhaftet wurde. Der portugiesische Gerichtshof fand trotz allen Zeugenverhören nicht den schwächsten Beweis für die Schuld des Angeklagten; trotzdem forderten die Mandarinen perem- torisch dessen Auslieferung und drohten mit Sperrung des Handels. Die Portugiesen waren überzeugt von der Unschuld des Scott; ein Mitglied des Senates sprach offen aus, dass dessen Auslieferung ehrlos wäre; trotzdem beschloss die Majorität sich zu fügen, und lieferte wirklich den Schuldlosen zur Schlachtbank.
Die despotische Willkür der Chinesen und die damalige Rechtlosigkeit der Fremden beweist unter vielen anderen folgender Vorfall. Am 24. November 1784 gelangte die Nachricht nach1784. Kan-ton, dass drei Chinesen eines Proviantbootes durch einen Salut- schuss des indischen Schiffes Lady Hughes schwer verletzt seien. Einer davon starb am folgenden Morgen. Der Feuerwerker, der ganz schuldlos war, kannte die rachsüchtige Grausamkeit der Landesjustiz und verbarg sich. — An demselben Tage kam ein Mandarin zum englischen Handelsvorsteher und verlangte Unter- suchung, gab aber zu, dass nach allem Anschein ein Zufall das Unglück herbeigeführt habe. Der Handelsvorsteher hatte keine Gewalt über das indische Schiff (country-ship), das der Compagnie nicht gehörte, versprach aber seinen Einfluss bei dem Supercargo
III. 3
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[33/0055]
Feigheit der Portugiesen.
lischen Factorei unterschriebener Protest gegen seine Verhaftung
blieb unbeachtet. Flint wurde vom März 1760 bis zum November
1762 festgehalten, dann in Wam-poa an Bord eines eben absegelnden
englischen Schiffes gebracht.
1762.
Die Provinzial-Behörden verzeihen es niemals, wenn Fremde
sich mit Beschwerden an den kaiserlichen Hof wenden. Selbst
jetzt, da die Verträge geschlossen sind und Vertreter der west-
lichen Mächte in unmittelbarem Verkehr mit den höchsten Beamten
der Centralgewalt stehen, umgehen die Mandarinen in den geöff-
neten Häfen oft deren Befehle.
Die erzählten Vorfälle steigerten in Kan-ton das gegenseitige
Uebelwollen; in den darauf folgenden Jahrzehnten waren die
Zusammenstösse zwischen Ausländern und Chinesen häufiger und
blutiger als jemals. Nur die Portugiesen liessen sich nach den
englischen Berichten Alles gefallen und opferten dem Vortheil
Ehre und Bewusstsein. Aus dem Jahre 1773 wird folgendes Ereig-
niss berichtet. Ein Chinese war in Macao erschlagen worden; der
Verdacht des Mordes fiel auf einen Engländer Scott, der von den
Colonialbehörden verhaftet wurde. Der portugiesische Gerichtshof
fand trotz allen Zeugenverhören nicht den schwächsten Beweis für die
Schuld des Angeklagten; trotzdem forderten die Mandarinen perem-
torisch dessen Auslieferung und drohten mit Sperrung des Handels.
Die Portugiesen waren überzeugt von der Unschuld des Scott; ein
Mitglied des Senates sprach offen aus, dass dessen Auslieferung
ehrlos wäre; trotzdem beschloss die Majorität sich zu fügen, und
lieferte wirklich den Schuldlosen zur Schlachtbank.
1773.
Die despotische Willkür der Chinesen und die damalige
Rechtlosigkeit der Fremden beweist unter vielen anderen folgender
Vorfall. Am 24. November 1784 gelangte die Nachricht nach
Kan-ton, dass drei Chinesen eines Proviantbootes durch einen Salut-
schuss des indischen Schiffes Lady Hughes schwer verletzt seien.
Einer davon starb am folgenden Morgen. Der Feuerwerker, der
ganz schuldlos war, kannte die rachsüchtige Grausamkeit der
Landesjustiz und verbarg sich. — An demselben Tage kam ein
Mandarin zum englischen Handelsvorsteher und verlangte Unter-
suchung, gab aber zu, dass nach allem Anschein ein Zufall das
Unglück herbeigeführt habe. Der Handelsvorsteher hatte keine
Gewalt über das indische Schiff (country-ship), das der Compagnie
nicht gehörte, versprach aber seinen Einfluss bei dem Supercargo
1784.
III. 3
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/55>, abgerufen am 04.12.2024.
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