[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.Justizmorde. unter der Bedingung aufzubieten, dass die Untersuchung in derFactorei geführt werde. Solche Zusage wurde anfangs gegeben, dann aber zurückgezogen: in der Stadt sollte das Verhör vor dem Fu-yuen stattfinden. Als dem nicht sofort entsprochen wurde, lockten die Chinesen, nachdem sie den Argwohn der Eng- länder durch geheuchelte Nachgiebigkeit beschwichtigt hatten, den Supercargo Smith aus der Factorei auf die Strasse und schleppten ihn in die Stadt. Zugleich wurden die Zugänge zu den Factoreien von aussen gesperrt und jede Verbindung mit Wam-poa abgeschnitten; alle chinesischen Diener und Dolmetscher flohen. Den Handelsvorstehern gelang es, einen Befehl nach Wam-poa zu senden, dass alle Boote der Schiffe armirt und nach Kan-ton geschickt werden sollten; die meisten erreichten auch trotz dem Feuer der Dschunken und Strandbatterieen die Stadt; man stand sich drohend gegenüber. Nun suchten die Chinesen zu beschwichtigen: der Fu-yuen wolle Herrn Smith nur Einiges fragen und dann befreien. Als darauf die Fremden nicht wichen, erliess der Fu-yuen ein Vernichtung drohendes Decret und liess Boote mit Soldaten vor den Factoreien auffahren. Dort unterzeich- neten am 28. November alle Ausländer ein Gesuch um Freigebung des Smith, und an demselben Abend empfing der Fu-yuen eine Deputation derselben; er war sehr aufgeregt und wünschte sich offenbar aus dem Handel zu ziehen, machte aber noch keine Zu- sagen. Etwas Festigkeit von Seiten der Fremden hätte sicher zu gutem Ende geführt. -- Nun gelangte aber ein Schreiben des Supercargo Smith nach den Factoreien: man möge doch den Feuer- werker oder sonst Jemand zum Verhör in die Stadt senden; der Vorsteher der englischen Factorei schickte nach Wam-poa, und der unglückliche Feuerwerker, ein ältlicher Mann, wurde gegen die Versicherung vornehmer Mandarinen, dass für sein Leben nicht zu fürchten sei und nur die kaiserliche Entscheidung abgewartet werden müsse, der chinesischen Justiz am 30. November aus- geliefert. Eine Stunde darauf kam Smith nach der Factorei zurück; er war höflich behandelt worden. Der Feuerwerker wurde am 8. Januar 1785 zu Kan-ton strangulirt. Die Engländer sahen sich durch diesen und ähnliche frühere Justizmorde. unter der Bedingung aufzubieten, dass die Untersuchung in derFactorei geführt werde. Solche Zusage wurde anfangs gegeben, dann aber zurückgezogen: in der Stadt sollte das Verhör vor dem Fu-yuen stattfinden. Als dem nicht sofort entsprochen wurde, lockten die Chinesen, nachdem sie den Argwohn der Eng- länder durch geheuchelte Nachgiebigkeit beschwichtigt hatten, den Supercargo Smith aus der Factorei auf die Strasse und schleppten ihn in die Stadt. Zugleich wurden die Zugänge zu den Factoreien von aussen gesperrt und jede Verbindung mit Wam-poa abgeschnitten; alle chinesischen Diener und Dolmetscher flohen. Den Handelsvorstehern gelang es, einen Befehl nach Wam-poa zu senden, dass alle Boote der Schiffe armirt und nach Kan-ton geschickt werden sollten; die meisten erreichten auch trotz dem Feuer der Dschunken und Strandbatterieen die Stadt; man stand sich drohend gegenüber. Nun suchten die Chinesen zu beschwichtigen: der Fu-yuen wolle Herrn Smith nur Einiges fragen und dann befreien. Als darauf die Fremden nicht wichen, erliess der Fu-yuen ein Vernichtung drohendes Decret und liess Boote mit Soldaten vor den Factoreien auffahren. Dort unterzeich- neten am 28. November alle Ausländer ein Gesuch um Freigebung des Smith, und an demselben Abend empfing der Fu-yuen eine Deputation derselben; er war sehr aufgeregt und wünschte sich offenbar aus dem Handel zu ziehen, machte aber noch keine Zu- sagen. Etwas Festigkeit von Seiten der Fremden hätte sicher zu gutem Ende geführt. — Nun gelangte aber ein Schreiben des Supercargo Smith nach den Factoreien: man möge doch den Feuer- werker oder sonst Jemand zum Verhör in die Stadt senden; der Vorsteher der englischen Factorei schickte nach Wam-poa, und der unglückliche Feuerwerker, ein ältlicher Mann, wurde gegen die Versicherung vornehmer Mandarinen, dass für sein Leben nicht zu fürchten sei und nur die kaiserliche Entscheidung abgewartet werden müsse, der chinesischen Justiz am 30. November aus- geliefert. Eine Stunde darauf kam Smith nach der Factorei zurück; er war höflich behandelt worden. Der Feuerwerker wurde am 8. Januar 1785 zu Kan-ton strangulirt. 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Justizmorde.
unter der Bedingung aufzubieten, dass die Untersuchung in der
Factorei geführt werde. Solche Zusage wurde anfangs gegeben,
dann aber zurückgezogen: in der Stadt sollte das Verhör
vor dem Fu-yuen stattfinden. Als dem nicht sofort entsprochen
wurde, lockten die Chinesen, nachdem sie den Argwohn der Eng-
länder durch geheuchelte Nachgiebigkeit beschwichtigt hatten,
den Supercargo Smith aus der Factorei auf die Strasse und
schleppten ihn in die Stadt. Zugleich wurden die Zugänge zu
den Factoreien von aussen gesperrt und jede Verbindung mit
Wam-poa abgeschnitten; alle chinesischen Diener und Dolmetscher
flohen. Den Handelsvorstehern gelang es, einen Befehl nach
Wam-poa zu senden, dass alle Boote der Schiffe armirt und nach
Kan-ton geschickt werden sollten; die meisten erreichten auch trotz
dem Feuer der Dschunken und Strandbatterieen die Stadt; man
stand sich drohend gegenüber. Nun suchten die Chinesen zu
beschwichtigen: der Fu-yuen wolle Herrn Smith nur Einiges
fragen und dann befreien. Als darauf die Fremden nicht wichen,
erliess der Fu-yuen ein Vernichtung drohendes Decret und liess
Boote mit Soldaten vor den Factoreien auffahren. Dort unterzeich-
neten am 28. November alle Ausländer ein Gesuch um Freigebung
des Smith, und an demselben Abend empfing der Fu-yuen eine
Deputation derselben; er war sehr aufgeregt und wünschte sich
offenbar aus dem Handel zu ziehen, machte aber noch keine Zu-
sagen. Etwas Festigkeit von Seiten der Fremden hätte sicher zu
gutem Ende geführt. — Nun gelangte aber ein Schreiben des
Supercargo Smith nach den Factoreien: man möge doch den Feuer-
werker oder sonst Jemand zum Verhör in die Stadt senden; der
Vorsteher der englischen Factorei schickte nach Wam-poa, und der
unglückliche Feuerwerker, ein ältlicher Mann, wurde gegen die
Versicherung vornehmer Mandarinen, dass für sein Leben nicht zu
fürchten sei und nur die kaiserliche Entscheidung abgewartet
werden müsse, der chinesischen Justiz am 30. November aus-
geliefert. Eine Stunde darauf kam Smith nach der Factorei zurück;
er war höflich behandelt worden. Der Feuerwerker wurde am
8. Januar 1785 zu Kan-ton strangulirt.
Die Engländer sahen sich durch diesen und ähnliche frühere
Vorfälle gewarnt und lieferten nachher niemals wieder einen Lands-
mann aus. Gegen andere Völker aber, die unsicher auftraten, sind
Fälle brutalen Justizmordes auch später verübt worden. Ameri-
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