Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Chinesische Justiz.
Gelegenheit unhöflich zu sein, wurde aber so barsch zurückgewiesen,
dass er sich schleunigst entfernte. -- So endete Lord Amherst's
Gesandtschaft.

Bis 1829 folgte nun wieder ein Zeitraum der Ruhe, in wel-
chem der Handel nur zwei unbedeutende Unterbrechungen erlitt;
in beiden Fällen thaten die Mandarinen die ersten Schritte zur
1821.Ausgleichung. -- 1821 geschah es, dass Boote von einem der Com-
pagnie-Schiffe am Ufer des Perl-Flusses Wasser einnahmen, dabei
von einer Pöbelrotte überfallen und mit einem Steinhagel begrüsst
wurden. Der die Boote commandirende Officier feuerte einen
Schuss über die Köpfe der Angreifenden; weit dahinter spiel-
ten auf der hohen Uferböschung Knaben, deren einen die Kugel
tödtete. Die Mandarinen verlangten nun die Auslieferung eines
Engländers zur Sühne; der Handelsvorsteher aber weigerte sich
sogar jeder Bestrafung, da das Unglück durch Nothwehr und
Zufall herbeigeführt sei. -- Bald darauf entleibte sich der Schlächter
eines der Compagnie-Schiffe, und die Chinesen beschlossen in ihrer
Verlegenheit, diesen für den Mörder des Knaben anzusehen. Sie
drangen darauf, eine Todtenschau vorzunehmen, und die an Bord
gelassenen Mandarinen erklärten den Selbstmörder ohne Umstände
für den Schuldigen 19); die Behörden waren befriedigt und gaben
den Handel wieder frei. -- Die Fälschung erregte sogar bei der
besseren Classe der Chinesen Anstoss: ein angesehener Bürger
von Kan-ton bewog den Vater des getödteten Knaben zu der
Erklärung, dass er den Schlächter nicht für den Thäter halte;
darauf wurden beide verhaftet und als Unruhestifter bestraft, womit
die Sache abgethan war.

Der zweite Fall war ernster. Die englische Fregatte To-
1821.paze ankerte gegen Ende des Jahres 1821 bei der kleinen Insel
Lin-tin vor der Mündung des Perl-Flusses. Eine Abtheilung
unbewaffneter Matrosen nahm am 15. December dort eben Wasser
ein, als eine zahlreiche Bande hinterlistig über sie herfiel. Der
commandirende Officier an Bord sah den Angriff, schickte ein Boot
mit Seesoldaten ab, welche durch ihr Feuer den Rückzug der
Matrosen deckten, und sandte, um weiterem Zuzug vorzubeugen,
einige Vollkugeln nach dem benachbarten Dorfe. Vierzehn Matrosen

19) Die gegen die Engländer gerichtete Beschuldigung, dass sie zu diesem Ver-
fahren die Hand geliehen hätten, ist nach Davis falsch.

Chinesische Justiz.
Gelegenheit unhöflich zu sein, wurde aber so barsch zurückgewiesen,
dass er sich schleunigst entfernte. — So endete Lord Amherst’s
Gesandtschaft.

Bis 1829 folgte nun wieder ein Zeitraum der Ruhe, in wel-
chem der Handel nur zwei unbedeutende Unterbrechungen erlitt;
in beiden Fällen thaten die Mandarinen die ersten Schritte zur
1821.Ausgleichung. — 1821 geschah es, dass Boote von einem der Com-
pagnie-Schiffe am Ufer des Perl-Flusses Wasser einnahmen, dabei
von einer Pöbelrotte überfallen und mit einem Steinhagel begrüsst
wurden. Der die Boote commandirende Officier feuerte einen
Schuss über die Köpfe der Angreifenden; weit dahinter spiel-
ten auf der hohen Uferböschung Knaben, deren einen die Kugel
tödtete. Die Mandarinen verlangten nun die Auslieferung eines
Engländers zur Sühne; der Handelsvorsteher aber weigerte sich
sogar jeder Bestrafung, da das Unglück durch Nothwehr und
Zufall herbeigeführt sei. — Bald darauf entleibte sich der Schlächter
eines der Compagnie-Schiffe, und die Chinesen beschlossen in ihrer
Verlegenheit, diesen für den Mörder des Knaben anzusehen. Sie
drangen darauf, eine Todtenschau vorzunehmen, und die an Bord
gelassenen Mandarinen erklärten den Selbstmörder ohne Umstände
für den Schuldigen 19); die Behörden waren befriedigt und gaben
den Handel wieder frei. — Die Fälschung erregte sogar bei der
besseren Classe der Chinesen Anstoss: ein angesehener Bürger
von Kan-ton bewog den Vater des getödteten Knaben zu der
Erklärung, dass er den Schlächter nicht für den Thäter halte;
darauf wurden beide verhaftet und als Unruhestifter bestraft, womit
die Sache abgethan war.

Der zweite Fall war ernster. Die englische Fregatte To-
1821.paze ankerte gegen Ende des Jahres 1821 bei der kleinen Insel
Lin-tin vor der Mündung des Perl-Flusses. Eine Abtheilung
unbewaffneter Matrosen nahm am 15. December dort eben Wasser
ein, als eine zahlreiche Bande hinterlistig über sie herfiel. Der
commandirende Officier an Bord sah den Angriff, schickte ein Boot
mit Seesoldaten ab, welche durch ihr Feuer den Rückzug der
Matrosen deckten, und sandte, um weiterem Zuzug vorzubeugen,
einige Vollkugeln nach dem benachbarten Dorfe. Vierzehn Matrosen

19) Die gegen die Engländer gerichtete Beschuldigung, dass sie zu diesem Ver-
fahren die Hand geliehen hätten, ist nach Davis falsch.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="48"/><fw place="top" type="header">Chinesische Justiz.</fw><lb/>
Gelegenheit unhöflich zu sein, wurde aber so barsch zurückgewiesen,<lb/>
dass er sich schleunigst entfernte. &#x2014; So endete Lord <persName ref="http://d-nb.info/gnd/124523609">Amherst&#x2019;s</persName><lb/>
Gesandtschaft.</p><lb/>
          <p>Bis 1829 folgte nun wieder ein Zeitraum der Ruhe, in wel-<lb/>
chem der Handel nur zwei unbedeutende Unterbrechungen erlitt;<lb/>
in beiden Fällen thaten die Mandarinen die ersten Schritte zur<lb/><note place="left">1821.</note>Ausgleichung. &#x2014; 1821 geschah es, dass Boote von einem der Com-<lb/>
pagnie-Schiffe am Ufer des <placeName>Perl-Flusses</placeName> Wasser einnahmen, dabei<lb/>
von einer Pöbelrotte überfallen und mit einem Steinhagel begrüsst<lb/>
wurden. Der die Boote commandirende Officier feuerte einen<lb/>
Schuss über die Köpfe der Angreifenden; weit dahinter spiel-<lb/>
ten auf der hohen Uferböschung Knaben, deren einen die Kugel<lb/>
tödtete. Die Mandarinen verlangten nun die Auslieferung eines<lb/>
Engländers zur Sühne; der Handelsvorsteher aber weigerte sich<lb/>
sogar jeder Bestrafung, da das Unglück durch Nothwehr und<lb/>
Zufall herbeigeführt sei. &#x2014; Bald darauf entleibte sich der Schlächter<lb/>
eines der Compagnie-Schiffe, und die Chinesen beschlossen in ihrer<lb/>
Verlegenheit, diesen für den Mörder des Knaben anzusehen. Sie<lb/>
drangen darauf, eine Todtenschau vorzunehmen, und die an Bord<lb/>
gelassenen Mandarinen erklärten den Selbstmörder ohne Umstände<lb/>
für den Schuldigen <note place="foot" n="19)">Die gegen die Engländer gerichtete Beschuldigung, dass sie zu diesem Ver-<lb/>
fahren die Hand geliehen hätten, ist nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/121769232">Davis</persName> falsch.</note>; die Behörden waren befriedigt und gaben<lb/>
den Handel wieder frei. &#x2014; Die Fälschung erregte sogar bei der<lb/>
besseren Classe der Chinesen Anstoss: ein angesehener Bürger<lb/>
von <hi rendition="#k"><placeName>Kan-ton</placeName></hi> bewog den Vater des getödteten Knaben zu der<lb/>
Erklärung, dass er den Schlächter nicht für den Thäter halte;<lb/>
darauf wurden beide verhaftet und als Unruhestifter bestraft, womit<lb/>
die Sache abgethan war.</p><lb/>
          <p>Der zweite Fall war ernster. Die englische Fregatte To-<lb/><note place="left">1821.</note>paze ankerte gegen Ende des Jahres 1821 bei der kleinen Insel<lb/><hi rendition="#k"><placeName>Lin-tin</placeName></hi> vor der Mündung des <placeName>Perl-Flusses</placeName>. Eine Abtheilung<lb/>
unbewaffneter Matrosen nahm am 15. December dort eben Wasser<lb/>
ein, als eine zahlreiche Bande hinterlistig über sie herfiel. Der<lb/>
commandirende Officier an Bord sah den Angriff, schickte ein Boot<lb/>
mit Seesoldaten ab, welche durch ihr Feuer den Rückzug der<lb/>
Matrosen deckten, und sandte, um weiterem Zuzug vorzubeugen,<lb/>
einige Vollkugeln nach dem benachbarten Dorfe. Vierzehn Matrosen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0070] Chinesische Justiz. Gelegenheit unhöflich zu sein, wurde aber so barsch zurückgewiesen, dass er sich schleunigst entfernte. — So endete Lord Amherst’s Gesandtschaft. Bis 1829 folgte nun wieder ein Zeitraum der Ruhe, in wel- chem der Handel nur zwei unbedeutende Unterbrechungen erlitt; in beiden Fällen thaten die Mandarinen die ersten Schritte zur Ausgleichung. — 1821 geschah es, dass Boote von einem der Com- pagnie-Schiffe am Ufer des Perl-Flusses Wasser einnahmen, dabei von einer Pöbelrotte überfallen und mit einem Steinhagel begrüsst wurden. Der die Boote commandirende Officier feuerte einen Schuss über die Köpfe der Angreifenden; weit dahinter spiel- ten auf der hohen Uferböschung Knaben, deren einen die Kugel tödtete. Die Mandarinen verlangten nun die Auslieferung eines Engländers zur Sühne; der Handelsvorsteher aber weigerte sich sogar jeder Bestrafung, da das Unglück durch Nothwehr und Zufall herbeigeführt sei. — Bald darauf entleibte sich der Schlächter eines der Compagnie-Schiffe, und die Chinesen beschlossen in ihrer Verlegenheit, diesen für den Mörder des Knaben anzusehen. Sie drangen darauf, eine Todtenschau vorzunehmen, und die an Bord gelassenen Mandarinen erklärten den Selbstmörder ohne Umstände für den Schuldigen 19); die Behörden waren befriedigt und gaben den Handel wieder frei. — Die Fälschung erregte sogar bei der besseren Classe der Chinesen Anstoss: ein angesehener Bürger von Kan-ton bewog den Vater des getödteten Knaben zu der Erklärung, dass er den Schlächter nicht für den Thäter halte; darauf wurden beide verhaftet und als Unruhestifter bestraft, womit die Sache abgethan war. 1821. Der zweite Fall war ernster. Die englische Fregatte To- paze ankerte gegen Ende des Jahres 1821 bei der kleinen Insel Lin-tin vor der Mündung des Perl-Flusses. Eine Abtheilung unbewaffneter Matrosen nahm am 15. December dort eben Wasser ein, als eine zahlreiche Bande hinterlistig über sie herfiel. Der commandirende Officier an Bord sah den Angriff, schickte ein Boot mit Seesoldaten ab, welche durch ihr Feuer den Rückzug der Matrosen deckten, und sandte, um weiterem Zuzug vorzubeugen, einige Vollkugeln nach dem benachbarten Dorfe. Vierzehn Matrosen 1821. 19) Die gegen die Engländer gerichtete Beschuldigung, dass sie zu diesem Ver- fahren die Hand geliehen hätten, ist nach Davis falsch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/70
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/70>, abgerufen am 04.12.2024.