Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.Lamagrabmal. -- Ausflug. XVII. vollgültiges Zeugniss für die Blüthe der chinesischen Kunst unterKien-lon; der Styl ist ernst und einfach, die Anordnung klar und in den Linien harmonisch. Ein verziertes Gesims darüber schliesst den achteckigen Sockel ab. Oben ruht der Körper des Denkmals, eine oben breitere gedrückte Steintrommel mit Figuren in flachem Relief, auf stufenförmigem Untersatz. Die geringelte Spitze trägt eine vergoldete Krönung, welche die hohenpriesterliche Haube des Grosslama darstellen soll. Zierliche Geländer umgeben den Unter- bau, vor welchem neben der Freitreppe zwei Löwenthiere sitzen.28) -- Das Ganze ist zu willkürlich erfunden, zu sonderbar gegliedert, um beschrieben zu werden; der rechtwinklige Grundriss wechselt in den verschiedenen Stockwerken ohne Grund und Nothwendigkeit mit dem achteckigen und dem runden; man findet kaum Namen für die einzelnen Theile. Architectonische Schönheit zeigt das Mo- nument nur in einzelnen Verhältnissen der Profilirung und im Orna- ment. Trotzdem wirkt der typische Charakter mächtig. Die Stein- metzarbeit ist vollendet: in haarscharfer Modellirung hebt sich das phantastische Ornament vom blauen Himmel ab, der grobkörnige Marmor glitzert wie frischer Schnee durch den düsteren Hain. Am 18. September unternahm Frau von Bourboulon einen 28) S. Ansichten aus Japan China und Siam VIII.
Lamagrabmal. — Ausflug. XVII. vollgültiges Zeugniss für die Blüthe der chinesischen Kunst unterKien-loṅ; der Styl ist ernst und einfach, die Anordnung klar und in den Linien harmonisch. Ein verziertes Gesims darüber schliesst den achteckigen Sockel ab. Oben ruht der Körper des Denkmals, eine oben breitere gedrückte Steintrommel mit Figuren in flachem Relief, auf stufenförmigem Untersatz. Die geringelte Spitze trägt eine vergoldete Krönung, welche die hohenpriesterliche Haube des Grosslama darstellen soll. Zierliche Geländer umgeben den Unter- bau, vor welchem neben der Freitreppe zwei Löwenthiere sitzen.28) — Das Ganze ist zu willkürlich erfunden, zu sonderbar gegliedert, um beschrieben zu werden; der rechtwinklige Grundriss wechselt in den verschiedenen Stockwerken ohne Grund und Nothwendigkeit mit dem achteckigen und dem runden; man findet kaum Namen für die einzelnen Theile. Architectonische Schönheit zeigt das Mo- nument nur in einzelnen Verhältnissen der Profilirung und im Orna- ment. Trotzdem wirkt der typische Charakter mächtig. Die Stein- metzarbeit ist vollendet: in haarscharfer Modellirung hebt sich das phantastische Ornament vom blauen Himmel ab, der grobkörnige Marmor glitzert wie frischer Schnee durch den düsteren Hain. Am 18. September unternahm Frau von Bourboulon einen 28) S. Ansichten aus Japan China und Siam VIII.
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Lamagrabmal. — Ausflug. XVII.
vollgültiges Zeugniss für die Blüthe der chinesischen Kunst unter
Kien-loṅ; der Styl ist ernst und einfach, die Anordnung klar und
in den Linien harmonisch. Ein verziertes Gesims darüber schliesst
den achteckigen Sockel ab. Oben ruht der Körper des Denkmals,
eine oben breitere gedrückte Steintrommel mit Figuren in flachem
Relief, auf stufenförmigem Untersatz. Die geringelte Spitze trägt
eine vergoldete Krönung, welche die hohenpriesterliche Haube des
Grosslama darstellen soll. Zierliche Geländer umgeben den Unter-
bau, vor welchem neben der Freitreppe zwei Löwenthiere sitzen. 28)
— Das Ganze ist zu willkürlich erfunden, zu sonderbar gegliedert,
um beschrieben zu werden; der rechtwinklige Grundriss wechselt
in den verschiedenen Stockwerken ohne Grund und Nothwendigkeit
mit dem achteckigen und dem runden; man findet kaum Namen
für die einzelnen Theile. Architectonische Schönheit zeigt das Mo-
nument nur in einzelnen Verhältnissen der Profilirung und im Orna-
ment. Trotzdem wirkt der typische Charakter mächtig. Die Stein-
metzarbeit ist vollendet: in haarscharfer Modellirung hebt sich das
phantastische Ornament vom blauen Himmel ab, der grobkörnige
Marmor glitzert wie frischer Schnee durch den düsteren Hain.
Am 18. September unternahm Frau von Bourboulon einen
Ausflug nach dem nahen Gebirge. Früh um sechs Uhr brach man
auf; der Weg ging durch den westlichen Theil der Tartarenstadt.
Aus dem Thor tritt man fast unmittelbar in die ländliche Flur;
Vorstädte giebt es auf dieser Seite kaum. Der breite sandige Weg
führt, an den Rändern mit Gebüsch und Bäumen — namentlich
Sophora japonica — bestanden, durch Felder von Hirse, Mais, Se-
sam und Hülsenfrüchten. Nördlich liegen die Hügel von Yuaṅ-
miṅ-yuaṅ, hinter welchen das im Halbkreis gelagerte Gebirge in
die blaue Ferne verschwimmt. — Wohlhabende Dörfer und Tempel
unter schattigem Wipfelgrün säumen vielfach die Strasse. Gegen
zehn erreichten wir, nach gemächlichem Ritt, den Fuss des Ge-
birges, wo die Pferde zurückblieben. Hier liegen nun die sanften
Hänge hinauf Dorf an Dorf und Tempel an Tempel, in grüne
Gärten gebettet. Erst führte der Weg durch lichte Waldung von
Kiefern und Lebensbäumen; dann nahm uns eine Tempelterrasse
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