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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Paudämonium. XVII.
pyramidalem Aufsatz, auf jeder Ecke ein runder spitzzulaufender
Thurm, über und über mit Sculpturen geschmückt. Ein Buddabild
sitzt in einer tiefen Nische über dem Eingang. Innen steigt eine
breite Treppe hinan, die sich in zwei Arme getheilt bis zum ersten
Stockwerk fortsetzt; von da führt eine Wendeltreppe bis zu der
mit Geländern umgebenen Plateform, wo der Tempel und die
Thürme stehen. Die Aussicht ist prächtig. Rechts und links senken
sich Bergrücken herab, -- wie die Flügel eines riesigen Theaters,
-- bedeckt mit Dörfern, Gärten, Schlössern und Warten; im Winkel
der Ebene ein schlängelndes Flüsschen, weiterhin die Seen und
Hügel von Yuan-min-yuan, in der Ferne die langen Linien von
Pe-kin und am äussersten Horizont die Pagode von Tun-tsau. Vor
dem Monument steht ein reiches Portal, halb indisch, halb chinesisch;
über die Wipfel dieser Terrasse sieht man auf die zahlreichen Tempel
und Portale hinab, die symmetrisch um die zur Höhe führende
Treppe geordnet sind; viele andere bunte Dächer liegen im dichten
Wipfelgrün der Abhänge eingebettet. Der Reichthum der Aussicht
ist unbeschreiblich.30)

In einem der Tempel, die wir besahen, wiederholt sich das
Curiosum der tausend gleichgestalteten Götzengruppen. Ein anderer
bildet ein grosses Pantheon. Der Grundriss ist quadratisch: vier
breite Gänge laufen die Seiten entlang, zwei andere kreuzen sich,
auf diesen senkrecht, im Mittelpunct; zu beiden Seiten der Gänge
stehen in dichter Reihe die colossalen Bildsäulen von 500 Wohl-
thätern des Menschengeschlechtes. Der Ausdruck der Gesichter
ist theils fröhlich, jovial, oft fratzenhaft verzerrt, theils ernst und
beschaulich; sehr lustig wirken neben den schwungvollen phan-
tastischen Gestalten der asiatischen Heroen die steife Haltung und
knappe Tracht der von den Chinesen unwillkürlich carrikirten euro-
päischen Krieger und Weisen.

Die freundlichen Bonzen räumten der frühstückenden Gesell-
schaft einen weiten Saal ein, verschmähten aber alle Theilnahme
an dem lucullischen Mahl. Bald nach drei brachen wir auf und
schlugen einen nördlicher liegenden Weg ein, der uns unter die
Mauern des westlich an Yuan-min-yuan grenzenden Parkes Yu-
kiuan-tsan
führte. Ein hoher Erdwall um die ganze Anlage soll
die Schlossgärten profanen Blicken verbergen; uns diente er als
Standpunct. Vor uns lag der schilfbedeckte See Si-ho mit dem

30) S. Ansichten aus Japan, China und Siam VIII.

Paudämonium. XVII.
pyramidalem Aufsatz, auf jeder Ecke ein runder spitzzulaufender
Thurm, über und über mit Sculpturen geschmückt. Ein Buddabild
sitzt in einer tiefen Nische über dem Eingang. Innen steigt eine
breite Treppe hinan, die sich in zwei Arme getheilt bis zum ersten
Stockwerk fortsetzt; von da führt eine Wendeltreppe bis zu der
mit Geländern umgebenen Plateform, wo der Tempel und die
Thürme stehen. Die Aussicht ist prächtig. Rechts und links senken
sich Bergrücken herab, — wie die Flügel eines riesigen Theaters,
— bedeckt mit Dörfern, Gärten, Schlössern und Warten; im Winkel
der Ebene ein schlängelndes Flüsschen, weiterhin die Seen und
Hügel von Yuaṅ-miṅ-yuaṅ, in der Ferne die langen Linien von
Pe-kiṅ und am äussersten Horizont die Pagode von Tuṅ-tšau. Vor
dem Monument steht ein reiches Portal, halb indisch, halb chinesisch;
über die Wipfel dieser Terrasse sieht man auf die zahlreichen Tempel
und Portale hinab, die symmetrisch um die zur Höhe führende
Treppe geordnet sind; viele andere bunte Dächer liegen im dichten
Wipfelgrün der Abhänge eingebettet. Der Reichthum der Aussicht
ist unbeschreiblich.30)

In einem der Tempel, die wir besahen, wiederholt sich das
Curiosum der tausend gleichgestalteten Götzengruppen. Ein anderer
bildet ein grosses Pantheon. Der Grundriss ist quadratisch: vier
breite Gänge laufen die Seiten entlang, zwei andere kreuzen sich,
auf diesen senkrecht, im Mittelpunct; zu beiden Seiten der Gänge
stehen in dichter Reihe die colossalen Bildsäulen von 500 Wohl-
thätern des Menschengeschlechtes. Der Ausdruck der Gesichter
ist theils fröhlich, jovial, oft fratzenhaft verzerrt, theils ernst und
beschaulich; sehr lustig wirken neben den schwungvollen phan-
tastischen Gestalten der asiatischen Heroen die steife Haltung und
knappe Tracht der von den Chinesen unwillkürlich carrikirten euro-
päischen Krieger und Weisen.

Die freundlichen Bonzen räumten der frühstückenden Gesell-
schaft einen weiten Saal ein, verschmähten aber alle Theilnahme
an dem lucullischen Mahl. Bald nach drei brachen wir auf und
schlugen einen nördlicher liegenden Weg ein, der uns unter die
Mauern des westlich an Yuaṅ-miṅ-yuaṅ grenzenden Parkes Yu-
kiuan-tšan
führte. Ein hoher Erdwall um die ganze Anlage soll
die Schlossgärten profanen Blicken verbergen; uns diente er als
Standpunct. Vor uns lag der schilfbedeckte See Si-ho mit dem

30) S. Ansichten aus Japan, China und Siam VIII.
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[140/0154] Paudämonium. XVII. pyramidalem Aufsatz, auf jeder Ecke ein runder spitzzulaufender Thurm, über und über mit Sculpturen geschmückt. Ein Buddabild sitzt in einer tiefen Nische über dem Eingang. Innen steigt eine breite Treppe hinan, die sich in zwei Arme getheilt bis zum ersten Stockwerk fortsetzt; von da führt eine Wendeltreppe bis zu der mit Geländern umgebenen Plateform, wo der Tempel und die Thürme stehen. Die Aussicht ist prächtig. Rechts und links senken sich Bergrücken herab, — wie die Flügel eines riesigen Theaters, — bedeckt mit Dörfern, Gärten, Schlössern und Warten; im Winkel der Ebene ein schlängelndes Flüsschen, weiterhin die Seen und Hügel von Yuaṅ-miṅ-yuaṅ, in der Ferne die langen Linien von Pe-kiṅ und am äussersten Horizont die Pagode von Tuṅ-tšau. Vor dem Monument steht ein reiches Portal, halb indisch, halb chinesisch; über die Wipfel dieser Terrasse sieht man auf die zahlreichen Tempel und Portale hinab, die symmetrisch um die zur Höhe führende Treppe geordnet sind; viele andere bunte Dächer liegen im dichten Wipfelgrün der Abhänge eingebettet. Der Reichthum der Aussicht ist unbeschreiblich. 30) In einem der Tempel, die wir besahen, wiederholt sich das Curiosum der tausend gleichgestalteten Götzengruppen. Ein anderer bildet ein grosses Pantheon. Der Grundriss ist quadratisch: vier breite Gänge laufen die Seiten entlang, zwei andere kreuzen sich, auf diesen senkrecht, im Mittelpunct; zu beiden Seiten der Gänge stehen in dichter Reihe die colossalen Bildsäulen von 500 Wohl- thätern des Menschengeschlechtes. Der Ausdruck der Gesichter ist theils fröhlich, jovial, oft fratzenhaft verzerrt, theils ernst und beschaulich; sehr lustig wirken neben den schwungvollen phan- tastischen Gestalten der asiatischen Heroen die steife Haltung und knappe Tracht der von den Chinesen unwillkürlich carrikirten euro- päischen Krieger und Weisen. Die freundlichen Bonzen räumten der frühstückenden Gesell- schaft einen weiten Saal ein, verschmähten aber alle Theilnahme an dem lucullischen Mahl. Bald nach drei brachen wir auf und schlugen einen nördlicher liegenden Weg ein, der uns unter die Mauern des westlich an Yuaṅ-miṅ-yuaṅ grenzenden Parkes Yu- kiuan-tšan führte. Ein hoher Erdwall um die ganze Anlage soll die Schlossgärten profanen Blicken verbergen; uns diente er als Standpunct. Vor uns lag der schilfbedeckte See Si-ho mit dem 30) S. Ansichten aus Japan, China und Siam VIII.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/154>, abgerufen am 22.11.2024.