gefiederte Haupt: immer mehr weicht die Dürre des steinigen Bo- dens der gestaltenden Cultur. -- Abends bietet Hong-kong von der Rhede gesehen einen reizenden Anblick; aus den terrassen- förmig den dunkelen Bergrücken hinansteigenden Häuserreihen er- glänzen tausend Lichter, die sich flimmernd im Meere spiegeln.
Am Lande war es den Tag über drückend heiss, und der Aufenthalt an Bord so viel angenehmer, der Verkehr mit der Küste so leicht und bequem, dass der Gesandte vorzog auf der Arkona zu wohnen. Man führte trotzdem ein bewegtes Leben. Da ein grosser Theil der Garnison von Tien-tsin sich jetzt, auf der Heim- reise begriffen, in Hong-kong befand, so fühlten wir uns kaum fremd; auf Schritt und Tritt begrüsste man alte Bekannte und lebte fast im gewohnten Kreise.
Als der Gesandte mit dem Commodor und den Attaches am 12. November an das Land fuhr, um den Gouverneur Sir Hercules Robinson zu besuchen, grüssten ihn die Geschütze der Strandbatterieen und eine am Ufer aufgestellte Ehrenwache. Der Gouvernements- Palast liegt reizend am Bergeshange; eben so schön wohnte der commandirende General Sir John Mitchell, welchen der Gesandte an demselben Tage begrüsste. Hohe Camelienbüsche und indische Ficus umgeben das Haus, dessen luftige Räume auf die Stadt und die Rhede hinabsehen.
Am Nachmittag des 13. November besuchte der Gesandte mit dem preussischen Consul für Kan-ton, Herrn von Carlowitz, und dem Consular-Agenten Herrn Overbeck das von der Berliner Missionsgesellschaft gegründete Findelhaus, ein stattliches Gebäude am Bergeshang. Der Hausvater Herr Ladenburg besorgt mit seiner Gattin, drei Diakonissen und zwei in der Anstalt erzogenen Chinesin- nen die Pflege und den Unterricht der Kinder. Damals waren zwanzig Mädchen in der Anstalt, das älteste etwa zwölf Jahre, das jüngste kaum drei Monate alt; je sechs der kleineren versieht eine chinesische Wärterin, von der sie zunächst ihre Muttersprache lernen. Der Unterricht wird chinesisch ertheilt, doch verstehen die meisten deutsch und einige reden es auch. -- Graf Eulenburg besah die Schul- und Wirthschaftsräume, und wohnte der kurzen Abend- andacht bei: unter Begleitung eines Harmonium sangen die Kinder ein geistliches Lied und beteten deutsch das Vaterunser. Es war ein rührender Anblick und eine Freude, die Kleinen so frisch und zufrieden zu sehn. Nach der Andacht reichten sie den Gästen eine
XIX. Besuche.
gefiederte Haupt: immer mehr weicht die Dürre des steinigen Bo- dens der gestaltenden Cultur. — Abends bietet Hong-kong von der Rhede gesehen einen reizenden Anblick; aus den terrassen- förmig den dunkelen Bergrücken hinansteigenden Häuserreihen er- glänzen tausend Lichter, die sich flimmernd im Meere spiegeln.
Am Lande war es den Tag über drückend heiss, und der Aufenthalt an Bord so viel angenehmer, der Verkehr mit der Küste so leicht und bequem, dass der Gesandte vorzog auf der Arkona zu wohnen. Man führte trotzdem ein bewegtes Leben. Da ein grosser Theil der Garnison von Tien-tsin sich jetzt, auf der Heim- reise begriffen, in Hong-kong befand, so fühlten wir uns kaum fremd; auf Schritt und Tritt begrüsste man alte Bekannte und lebte fast im gewohnten Kreise.
Als der Gesandte mit dem Commodor und den Attachés am 12. November an das Land fuhr, um den Gouverneur Sir Hercules Robinson zu besuchen, grüssten ihn die Geschütze der Strandbatterieen und eine am Ufer aufgestellte Ehrenwache. Der Gouvernements- Palast liegt reizend am Bergeshange; eben so schön wohnte der commandirende General Sir John Mitchell, welchen der Gesandte an demselben Tage begrüsste. Hohe Camelienbüsche und indische Ficus umgeben das Haus, dessen luftige Räume auf die Stadt und die Rhede hinabsehen.
Am Nachmittag des 13. November besuchte der Gesandte mit dem preussischen Consul für Kan-ton, Herrn von Carlowitz, und dem Consular-Agenten Herrn Overbeck das von der Berliner Missionsgesellschaft gegründete Findelhaus, ein stattliches Gebäude am Bergeshang. Der Hausvater Herr Ladenburg besorgt mit seiner Gattin, drei Diakonissen und zwei in der Anstalt erzogenen Chinesin- nen die Pflege und den Unterricht der Kinder. Damals waren zwanzig Mädchen in der Anstalt, das älteste etwa zwölf Jahre, das jüngste kaum drei Monate alt; je sechs der kleineren versieht eine chinesische Wärterin, von der sie zunächst ihre Muttersprache lernen. Der Unterricht wird chinesisch ertheilt, doch verstehen die meisten deutsch und einige reden es auch. — Graf Eulenburg besah die Schul- und Wirthschaftsräume, und wohnte der kurzen Abend- andacht bei: unter Begleitung eines Harmonium sangen die Kinder ein geistliches Lied und beteten deutsch das Vaterunser. Es war ein rührender Anblick und eine Freude, die Kleinen so frisch und zufrieden zu sehn. Nach der Andacht reichten sie den Gästen eine
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gefiederte Haupt: immer mehr weicht die Dürre des steinigen Bo-
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der Rhede gesehen einen reizenden Anblick; aus den terrassen-
förmig den dunkelen Bergrücken hinansteigenden Häuserreihen er-
glänzen tausend Lichter, die sich flimmernd im Meere spiegeln.
Am Lande war es den Tag über drückend heiss, und der
Aufenthalt an Bord so viel angenehmer, der Verkehr mit der Küste
so leicht und bequem, dass der Gesandte vorzog auf der Arkona
zu wohnen. Man führte trotzdem ein bewegtes Leben. Da ein
grosser Theil der Garnison von Tien-tsin sich jetzt, auf der Heim-
reise begriffen, in Hong-kong befand, so fühlten wir uns kaum
fremd; auf Schritt und Tritt begrüsste man alte Bekannte und
lebte fast im gewohnten Kreise.
Als der Gesandte mit dem Commodor und den Attachés am
12. November an das Land fuhr, um den Gouverneur Sir Hercules
Robinson zu besuchen, grüssten ihn die Geschütze der Strandbatterieen
und eine am Ufer aufgestellte Ehrenwache. Der Gouvernements-
Palast liegt reizend am Bergeshange; eben so schön wohnte der
commandirende General Sir John Mitchell, welchen der Gesandte
an demselben Tage begrüsste. Hohe Camelienbüsche und indische
Ficus umgeben das Haus, dessen luftige Räume auf die Stadt und
die Rhede hinabsehen.
Am Nachmittag des 13. November besuchte der Gesandte
mit dem preussischen Consul für Kan-ton, Herrn von Carlowitz,
und dem Consular-Agenten Herrn Overbeck das von der Berliner
Missionsgesellschaft gegründete Findelhaus, ein stattliches Gebäude
am Bergeshang. Der Hausvater Herr Ladenburg besorgt mit seiner
Gattin, drei Diakonissen und zwei in der Anstalt erzogenen Chinesin-
nen die Pflege und den Unterricht der Kinder. Damals waren
zwanzig Mädchen in der Anstalt, das älteste etwa zwölf Jahre, das
jüngste kaum drei Monate alt; je sechs der kleineren versieht eine
chinesische Wärterin, von der sie zunächst ihre Muttersprache
lernen. Der Unterricht wird chinesisch ertheilt, doch verstehen die
meisten deutsch und einige reden es auch. — Graf Eulenburg besah
die Schul- und Wirthschaftsräume, und wohnte der kurzen Abend-
andacht bei: unter Begleitung eines Harmonium sangen die Kinder
ein geistliches Lied und beteten deutsch das Vaterunser. Es war
ein rührender Anblick und eine Freude, die Kleinen so frisch und
zufrieden zu sehn. Nach der Andacht reichten sie den Gästen eine
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/197>, abgerufen am 23.11.2024.
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