Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.XIX. Der Staatsstreich in Pe-kin. ergriffen von solcher Bedrängniss; und nachdem zur rechten Zeit derPrinz und die Minister, welche mit der allgemeinen Verwaltung der fremden Angelegenheiten betraut sind, die zu Erledigung kommenden auswärtigen Fragen gut geordnet hatten und die gewöhnliche Ruhe der Hauptstadt innerhalb und ausserhalb der Mauern wiederhergestellt war, verlangten Seine Majestät einmal über das andere von den Prinzen und Ministern (Tsae-yuen und Genossen) die Ausfertigung eines Decretes, welches seine Rückkehr ankündigte. Tsae-yuen, Twan-wa und Su-tsuen aber verbargen ihm, Jeder des Anderen Falschheit för- dernd, die Thatsachen, welche alle Menschen bezeugten, und erklärten beständig, dass die Fremden in Gemüth und Handlung immer An- schläge machten. Seine dahingeschiedene Majestät fanden, geängstet und abgezehrt, keine Ruhe bei Tag und Nacht. Jenseit der Grenze war auch die Kälte streng; so verschlimmerte sich das Unwohlsein des geheiligten Herrn, bis er am 17. Tage des 7. Mondes auf dem Drachen aufstieg, ein Gast in der Höhe zu sein. An den Boden gestreckt weinten wir zum Himmel; innen fühlten wir es wie Feuer brennen. Rückwärts blickend bedachten wir, dass die Schlechtigkeit des Tsae- yuen und der Anderen im Verbergen der Wahrheit nicht nur unseren bitteren Zorn, sondern den bitteren Zorn aller Beamten und Unter- thanen des Reiches verdienten; und es war bei der Thronbesteigung unser erster Wunsch, ihre Schuld mit Strenge zu bestrafen. In Be- trachtung jedoch, dass Seine dahingegangene Majestät sie in seinen letzten Augenblicken zu Ministern bestellt hatte, verzogen wir eine Weile, in Erwartung, dass sie das Vergangene gut machen sollten. Aber nichts dergleichen. Am 11. des 8. Mondes (15. September) be- riefen wir Tsae-yuen und die anderen Mitglieder des Rathes der Acht in unsere Gegenwart. Der Censor Tun-yun-tsuan hatte, indem er in einer Denkschrift respectvoll seine beschränkten Ansichten darlegte, gebeten, dass die Kaiserin-Wittwe auf einige Jahre als Regentin fun- giren sollte, und dass uns die Regierung übergeben würde, sobald wir dazu fähig wären; auch dass ein oder zwei Prinzen vom höchsten Range gewählt und zu Räthen ernannt würden; auch dass ein oder zwei Würdenträger des Reiches ausgewählt und zu unseren Lehrern bestellt würden; und diese drei Vorschläge entsprachen ganz unserer Neigung. -- Zwar giebt es für die Regentschaft einer Kaiserin-Wittwe in unserer Dynastie kein Beispiel; aber können wir uns fest an be- stehende Regeln binden, wenn doch von allen uns von der dahin- gegangenen Majestät überkommenen Pflichten die höchste die ist, dass wir nur an die richtige Leitung des Staates und die Wohlfahrt des Volkes denken sollen? Das empfehlen die Worte "Bei Geschäften ist XIX. Der Staatsstreich in Pe-kin. ergriffen von solcher Bedrängniss; und nachdem zur rechten Zeit derPrinz und die Minister, welche mit der allgemeinen Verwaltung der fremden Angelegenheiten betraut sind, die zu Erledigung kommenden auswärtigen Fragen gut geordnet hatten und die gewöhnliche Ruhe der Hauptstadt innerhalb und ausserhalb der Mauern wiederhergestellt war, verlangten Seine Majestät einmal über das andere von den Prinzen und Ministern (Tsae-yuen und Genossen) die Ausfertigung eines Decretes, welches seine Rückkehr ankündigte. Tsae-yuen, Twan-wa und Su-tšuen aber verbargen ihm, Jeder des Anderen Falschheit för- dernd, die Thatsachen, welche alle Menschen bezeugten, und erklärten beständig, dass die Fremden in Gemüth und Handlung immer An- schläge machten. Seine dahingeschiedene Majestät fanden, geängstet und abgezehrt, keine Ruhe bei Tag und Nacht. Jenseit der Grenze war auch die Kälte streng; so verschlimmerte sich das Unwohlsein des geheiligten Herrn, bis er am 17. Tage des 7. Mondes auf dem Drachen aufstieg, ein Gast in der Höhe zu sein. An den Boden gestreckt weinten wir zum Himmel; innen fühlten wir es wie Feuer brennen. Rückwärts blickend bedachten wir, dass die Schlechtigkeit des Tsae- yuen und der Anderen im Verbergen der Wahrheit nicht nur unseren bitteren Zorn, sondern den bitteren Zorn aller Beamten und Unter- thanen des Reiches verdienten; und es war bei der Thronbesteigung unser erster Wunsch, ihre Schuld mit Strenge zu bestrafen. In Be- trachtung jedoch, dass Seine dahingegangene Majestät sie in seinen letzten Augenblicken zu Ministern bestellt hatte, verzogen wir eine Weile, in Erwartung, dass sie das Vergangene gut machen sollten. Aber nichts dergleichen. Am 11. des 8. Mondes (15. September) be- riefen wir Tsae-yuen und die anderen Mitglieder des Rathes der Acht in unsere Gegenwart. Der Censor Tuṅ-yuṅ-tšuan hatte, indem er in einer Denkschrift respectvoll seine beschränkten Ansichten darlegte, gebeten, dass die Kaiserin-Wittwe auf einige Jahre als Regentin fun- giren sollte, und dass uns die Regierung übergeben würde, sobald wir dazu fähig wären; auch dass ein oder zwei Prinzen vom höchsten Range gewählt und zu Räthen ernannt würden; auch dass ein oder zwei Würdenträger des Reiches ausgewählt und zu unseren Lehrern bestellt würden; und diese drei Vorschläge entsprachen ganz unserer Neigung. — Zwar giebt es für die Regentschaft einer Kaiserin-Wittwe in unserer Dynastie kein Beispiel; aber können wir uns fest an be- stehende Regeln binden, wenn doch von allen uns von der dahin- gegangenen Majestät überkommenen Pflichten die höchste die ist, dass wir nur an die richtige Leitung des Staates und die Wohlfahrt des Volkes denken sollen? 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XIX. Der Staatsstreich in Pe-kin.
ergriffen von solcher Bedrängniss; und nachdem zur rechten Zeit der
Prinz und die Minister, welche mit der allgemeinen Verwaltung der
fremden Angelegenheiten betraut sind, die zu Erledigung kommenden
auswärtigen Fragen gut geordnet hatten und die gewöhnliche Ruhe
der Hauptstadt innerhalb und ausserhalb der Mauern wiederhergestellt
war, verlangten Seine Majestät einmal über das andere von den Prinzen
und Ministern (Tsae-yuen und Genossen) die Ausfertigung eines
Decretes, welches seine Rückkehr ankündigte. Tsae-yuen, Twan-wa
und Su-tšuen aber verbargen ihm, Jeder des Anderen Falschheit för-
dernd, die Thatsachen, welche alle Menschen bezeugten, und erklärten
beständig, dass die Fremden in Gemüth und Handlung immer An-
schläge machten. Seine dahingeschiedene Majestät fanden, geängstet
und abgezehrt, keine Ruhe bei Tag und Nacht. Jenseit der Grenze
war auch die Kälte streng; so verschlimmerte sich das Unwohlsein des
geheiligten Herrn, bis er am 17. Tage des 7. Mondes auf dem Drachen
aufstieg, ein Gast in der Höhe zu sein. An den Boden gestreckt
weinten wir zum Himmel; innen fühlten wir es wie Feuer brennen.
Rückwärts blickend bedachten wir, dass die Schlechtigkeit des Tsae-
yuen und der Anderen im Verbergen der Wahrheit nicht nur unseren
bitteren Zorn, sondern den bitteren Zorn aller Beamten und Unter-
thanen des Reiches verdienten; und es war bei der Thronbesteigung
unser erster Wunsch, ihre Schuld mit Strenge zu bestrafen. In Be-
trachtung jedoch, dass Seine dahingegangene Majestät sie in seinen
letzten Augenblicken zu Ministern bestellt hatte, verzogen wir eine
Weile, in Erwartung, dass sie das Vergangene gut machen sollten.
Aber nichts dergleichen. Am 11. des 8. Mondes (15. September) be-
riefen wir Tsae-yuen und die anderen Mitglieder des Rathes der Acht
in unsere Gegenwart. Der Censor Tuṅ-yuṅ-tšuan hatte, indem er in
einer Denkschrift respectvoll seine beschränkten Ansichten darlegte,
gebeten, dass die Kaiserin-Wittwe auf einige Jahre als Regentin fun-
giren sollte, und dass uns die Regierung übergeben würde, sobald wir
dazu fähig wären; auch dass ein oder zwei Prinzen vom höchsten
Range gewählt und zu Räthen ernannt würden; auch dass ein oder
zwei Würdenträger des Reiches ausgewählt und zu unseren Lehrern
bestellt würden; und diese drei Vorschläge entsprachen ganz unserer
Neigung. — Zwar giebt es für die Regentschaft einer Kaiserin-Wittwe
in unserer Dynastie kein Beispiel; aber können wir uns fest an be-
stehende Regeln binden, wenn doch von allen uns von der dahin-
gegangenen Majestät überkommenen Pflichten die höchste die ist, dass
wir nur an die richtige Leitung des Staates und die Wohlfahrt des
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