Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

König Maha-monkut. XXI.
von abergläubischen Gebräuchen nicht lossagen. -- Die america-
nischen Missionare, von welchen Maha-monkut Englisch lernte,
hofften bei seinem fleissigen Bibelstudium und eifrigen Forschen
nach den Glaubenslehren ernstlich auf seine Bekehrung, wurden
aber derb zurechtgewiesen, als sie davon sprachen. Das Englische
kannte der König gut und schrieb es, wenn auch fehlerhaft und
ohne logische Satzfolge, ziemlich verständlich; doch konnte sein
zahnloser Mund die fremden Laute nicht deutlich articuliren, die
Worte polterten wie Kiesel heraus. Dazu kaute er beständig Betel.
Bei jener Audienz redete er meist siamesich, Herr Smith übersetzte
schnell und gewandt.

Der König überreichte zunächst jedem Gast in zierlichem
Couvert eine Visitenkarte mit seinem Namen Somdet Phra Para-
mendr Maha Monkut
, auf der Rückseite in seiner eigenen Hand-
schrift "on the 3877th day of reign, being the 24th December 1861".
Er äusserte dann seine Freude über die Ankunft der Gesandtschaft,
die er seit einem Jahr erwartete, fragte nach der Zahl und Grösse
der Kriegsschiffe, dann sogleich, ob Preussen Colonieen besitze oder
zu erwerben denke. Des Gesandten Antwort, dass, sollte es auf
Gründung von Colonieen ausgehen, Preussen sein Auge schwerlich
auf tropische Gegenden richten würde, schien ihn zu trösten: "er
freue sich um so mehr, neue uneigennützige Freunde zu gewinnen,
als die alten eben schwierig würden." Darauf verbreitete sich der
König über die Geschichte der Colonieen und zeigte dabei, so naiv
manche Aeusserung auch im Munde eines Monarchen klang, sowohl
historische Kenntnisse als eigenes Nachdenken über die künftige
Entwickelung des Weltverkehrs. "Zuerst wurden Schiffe gesendet
zu Erforschung fremder Welttheile, dann folgten andere, um Han-
del zu treiben. Dann liessen sich Kaufleute nieder, die entweder
von den Eingebornen befehdet wurden oder diese zu unterjochen
strebten; kurz, durch Schuld und Missverständniss auf beiden
Seiten entstanden Kriege. Immer weiter breiteten die Fremden
ihre Macht aus, bis ihnen ganze Reiche gehörten; nun ist kaum
noch ein Land übrig zu Gründung von Colonieen, ausser Oceanien,
der Inselwelt in der Südsee. Die asiatischen Staaten waren in
argem Nachtheil, da man das in Europa gültige Völkerrecht nicht
auf sie anwendete; zum Glück beginnt man jetzt dessen Grund-
sätze auch in den Beziehungen zu Asien mehr und mehr zu
beobachten."

König Maha-moṅkut. XXI.
von abergläubischen Gebräuchen nicht lossagen. — Die america-
nischen Missionare, von welchen Maha-moṅkut Englisch lernte,
hofften bei seinem fleissigen Bibelstudium und eifrigen Forschen
nach den Glaubenslehren ernstlich auf seine Bekehrung, wurden
aber derb zurechtgewiesen, als sie davon sprachen. Das Englische
kannte der König gut und schrieb es, wenn auch fehlerhaft und
ohne logische Satzfolge, ziemlich verständlich; doch konnte sein
zahnloser Mund die fremden Laute nicht deutlich articuliren, die
Worte polterten wie Kiesel heraus. Dazu kaute er beständig Betel.
Bei jener Audienz redete er meist siamesich, Herr Smith übersetzte
schnell und gewandt.

Der König überreichte zunächst jedem Gast in zierlichem
Couvert eine Visitenkarte mit seinem Namen Somdet Phra Para-
mendr Maha Moṅkut
, auf der Rückseite in seiner eigenen Hand-
schrift »on the 3877th day of reign, being the 24th December 1861«.
Er äusserte dann seine Freude über die Ankunft der Gesandtschaft,
die er seit einem Jahr erwartete, fragte nach der Zahl und Grösse
der Kriegsschiffe, dann sogleich, ob Preussen Colonieen besitze oder
zu erwerben denke. Des Gesandten Antwort, dass, sollte es auf
Gründung von Colonieen ausgehen, Preussen sein Auge schwerlich
auf tropische Gegenden richten würde, schien ihn zu trösten: »er
freue sich um so mehr, neue uneigennützige Freunde zu gewinnen,
als die alten eben schwierig würden.« Darauf verbreitete sich der
König über die Geschichte der Colonieen und zeigte dabei, so naiv
manche Aeusserung auch im Munde eines Monarchen klang, sowohl
historische Kenntnisse als eigenes Nachdenken über die künftige
Entwickelung des Weltverkehrs. »Zuerst wurden Schiffe gesendet
zu Erforschung fremder Welttheile, dann folgten andere, um Han-
del zu treiben. Dann liessen sich Kaufleute nieder, die entweder
von den Eingebornen befehdet wurden oder diese zu unterjochen
strebten; kurz, durch Schuld und Missverständniss auf beiden
Seiten entstanden Kriege. Immer weiter breiteten die Fremden
ihre Macht aus, bis ihnen ganze Reiche gehörten; nun ist kaum
noch ein Land übrig zu Gründung von Colonieen, ausser Oceanien,
der Inselwelt in der Südsee. Die asiatischen Staaten waren in
argem Nachtheil, da man das in Europa gültige Völkerrecht nicht
auf sie anwendete; zum Glück beginnt man jetzt dessen Grund-
sätze auch in den Beziehungen zu Asien mehr und mehr zu
beobachten.«

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0278" n="264"/><fw place="top" type="header">König <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119137003">Maha-mon&#x0307;kut</persName></hi>. XXI.</fw><lb/>
von abergläubischen Gebräuchen nicht lossagen. &#x2014; Die america-<lb/>
nischen Missionare, von welchen <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119137003">Maha-mon&#x0307;kut</persName></hi> Englisch lernte,<lb/>
hofften bei seinem fleissigen Bibelstudium und eifrigen Forschen<lb/>
nach den Glaubenslehren ernstlich auf seine Bekehrung, wurden<lb/>
aber derb zurechtgewiesen, als sie davon sprachen. Das Englische<lb/>
kannte der König gut und schrieb es, wenn auch fehlerhaft und<lb/>
ohne logische Satzfolge, ziemlich verständlich; doch konnte sein<lb/>
zahnloser Mund die fremden Laute nicht deutlich articuliren, die<lb/>
Worte polterten wie Kiesel heraus. Dazu kaute er beständig Betel.<lb/>
Bei jener Audienz redete er meist siamesich, Herr <persName ref="nognd">Smith</persName> übersetzte<lb/>
schnell und gewandt.</p><lb/>
          <p>Der König überreichte zunächst jedem Gast in zierlichem<lb/>
Couvert eine Visitenkarte mit seinem Namen <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119137003">Somdet Phra Para-<lb/>
mendr Maha Mon&#x0307;kut</persName></hi>, auf der Rückseite in seiner eigenen Hand-<lb/>
schrift »on the 3877<hi rendition="#sup">th</hi> day of reign, being the 24<hi rendition="#sup">th</hi> December 1861«.<lb/>
Er äusserte dann seine Freude über die Ankunft der Gesandtschaft,<lb/>
die er seit einem Jahr erwartete, fragte nach der Zahl und Grösse<lb/>
der Kriegsschiffe, dann sogleich, ob <placeName>Preussen</placeName> Colonieen besitze oder<lb/>
zu erwerben denke. Des Gesandten Antwort, dass, sollte es auf<lb/>
Gründung von Colonieen ausgehen, <placeName>Preussen</placeName> sein Auge schwerlich<lb/>
auf tropische Gegenden richten würde, schien ihn zu trösten: »er<lb/>
freue sich um so mehr, neue uneigennützige Freunde zu gewinnen,<lb/>
als die alten eben schwierig würden.« Darauf verbreitete sich der<lb/>
König über die Geschichte der Colonieen und zeigte dabei, so naiv<lb/>
manche Aeusserung auch im Munde eines Monarchen klang, sowohl<lb/>
historische Kenntnisse als eigenes Nachdenken über die künftige<lb/>
Entwickelung des Weltverkehrs. »Zuerst wurden Schiffe gesendet<lb/>
zu Erforschung fremder Welttheile, dann folgten andere, um Han-<lb/>
del zu treiben. Dann liessen sich Kaufleute nieder, die entweder<lb/>
von den Eingebornen befehdet wurden oder diese zu unterjochen<lb/>
strebten; kurz, durch Schuld und Missverständniss auf beiden<lb/>
Seiten entstanden Kriege. Immer weiter breiteten die Fremden<lb/>
ihre Macht aus, bis ihnen ganze Reiche gehörten; nun ist kaum<lb/>
noch ein Land übrig zu Gründung von Colonieen, ausser Oceanien,<lb/>
der Inselwelt in der <placeName>Südsee</placeName>. Die asiatischen Staaten waren in<lb/>
argem Nachtheil, da man das in <placeName>Europa</placeName> gültige Völkerrecht nicht<lb/>
auf sie anwendete; zum Glück beginnt man jetzt dessen Grund-<lb/>
sätze auch in den Beziehungen zu <placeName>Asien</placeName> mehr und mehr zu<lb/>
beobachten.«</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0278] König Maha-moṅkut. XXI. von abergläubischen Gebräuchen nicht lossagen. — Die america- nischen Missionare, von welchen Maha-moṅkut Englisch lernte, hofften bei seinem fleissigen Bibelstudium und eifrigen Forschen nach den Glaubenslehren ernstlich auf seine Bekehrung, wurden aber derb zurechtgewiesen, als sie davon sprachen. Das Englische kannte der König gut und schrieb es, wenn auch fehlerhaft und ohne logische Satzfolge, ziemlich verständlich; doch konnte sein zahnloser Mund die fremden Laute nicht deutlich articuliren, die Worte polterten wie Kiesel heraus. Dazu kaute er beständig Betel. Bei jener Audienz redete er meist siamesich, Herr Smith übersetzte schnell und gewandt. Der König überreichte zunächst jedem Gast in zierlichem Couvert eine Visitenkarte mit seinem Namen Somdet Phra Para- mendr Maha Moṅkut, auf der Rückseite in seiner eigenen Hand- schrift »on the 3877th day of reign, being the 24th December 1861«. Er äusserte dann seine Freude über die Ankunft der Gesandtschaft, die er seit einem Jahr erwartete, fragte nach der Zahl und Grösse der Kriegsschiffe, dann sogleich, ob Preussen Colonieen besitze oder zu erwerben denke. Des Gesandten Antwort, dass, sollte es auf Gründung von Colonieen ausgehen, Preussen sein Auge schwerlich auf tropische Gegenden richten würde, schien ihn zu trösten: »er freue sich um so mehr, neue uneigennützige Freunde zu gewinnen, als die alten eben schwierig würden.« Darauf verbreitete sich der König über die Geschichte der Colonieen und zeigte dabei, so naiv manche Aeusserung auch im Munde eines Monarchen klang, sowohl historische Kenntnisse als eigenes Nachdenken über die künftige Entwickelung des Weltverkehrs. »Zuerst wurden Schiffe gesendet zu Erforschung fremder Welttheile, dann folgten andere, um Han- del zu treiben. Dann liessen sich Kaufleute nieder, die entweder von den Eingebornen befehdet wurden oder diese zu unterjochen strebten; kurz, durch Schuld und Missverständniss auf beiden Seiten entstanden Kriege. Immer weiter breiteten die Fremden ihre Macht aus, bis ihnen ganze Reiche gehörten; nun ist kaum noch ein Land übrig zu Gründung von Colonieen, ausser Oceanien, der Inselwelt in der Südsee. Die asiatischen Staaten waren in argem Nachtheil, da man das in Europa gültige Völkerrecht nicht auf sie anwendete; zum Glück beginnt man jetzt dessen Grund- sätze auch in den Beziehungen zu Asien mehr und mehr zu beobachten.«

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/278
Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/278>, abgerufen am 22.11.2024.