An einem der breiteren Wasserarme auf der linken Seite des Menam liegen die Tempelgründe von Wat Saket, wo die meisten Todten verbrannt werden. Die Hauptgebäude gleichen den früher beschriebenen; in dem grössten ziert eine tolle Darstellung des Fegefeuers die Wände; in der kreuzgangartigen Halle des diesen Tempel umgebenden Hofes sitzen lauter schwarze Götzen, ähnlich den goldenen im Hof von Wat Dzen. -- Ein colossaler vergoldeter Budda steht wieder in einem anderen Hause. Ueberall sieht man dasselbe, nur hundertfach verändert. 166 Bonzen sollen zu Wat Saket gehören.
Mehrere grosse von Rasthallen umgebene Höfe sind mit schönen Palmyra-Palmen (Borassus flabelliformis) bepflanzt. Zur Verbrennung vornehmer Leichen dient ein auf vier Pfeilern ruhender gemauerter Katafalk, unter welchem ein steinerner Sockel für den Scheiterhaufen steht. Das Innere ist von Rauch geschwärzt. Auf der spitzzulaufenden Dachkuppel pflegt regungslos eine Schaar von Aasgeiern zu sitzen; unter den auf Pfählen erhöhten Rasthallen in der Nähe lauern Horden wohlgenährter Hunde. Die Kosten der Verbrennung können nur Reiche bezahlen; Aermere und Solche, die Zerfleischung vorziehen, werden auf einen an den Verbrennungs- platz grenzenden Acker geworfen, wo Hunde, Raben und Geier sie gierig verschlingen. Der üppige Wuchs der kriechenden, klettern- den Rotang-Palme und grossblättriger Sträucher, die stellenweise den Platz überwuchern, steht in grellem Contrast zur scheusslichen Staffage: im Gebüsch liegen angefressene Leichen, blutige Knochen und halbe Gerippe; hier und da qualmen Haufen von Kleidern und Geräthen der Verstorbenen. Bei ihrer Mahlzeit gestört fliehen die Bestien scheu auseinander und setzen sich gierig lauernd in der Runde. -- Nach buddistischer Anschauung liegt in der völligen Vertilgung des Körpers der grösste Segen; die Zerfleischung hat für sie nichts Widerwärtiges. Die Asche der Verbrannten wird in den Fluss geworfen oder in alle Winde zerstreut, bis auf kleine Andenken für die Hinterbliebenen. Nur die Aermsten werden den Fischen zur Beute unzerfleischt dem Strom übergeben.
Wir hatten Gelegenheit bei Wat Saket der Verbrennung einer vornehmen Leiche beizuwohnen. Auf dem steinernen Sockel unter jenem Gebäude war der Holzstoss aus versilberten Scheiten aufgebaut; darauf stand der hölzerne vergoldete Sarg, der oben offen, unten mit eisernen Stäben vergittert ist; ein vergoldeter Bal-
XXI. Wat Saket.
An einem der breiteren Wasserarme auf der linken Seite des Menam liegen die Tempelgründe von Wat Saket, wo die meisten Todten verbrannt werden. Die Hauptgebäude gleichen den früher beschriebenen; in dem grössten ziert eine tolle Darstellung des Fegefeuers die Wände; in der kreuzgangartigen Halle des diesen Tempel umgebenden Hofes sitzen lauter schwarze Götzen, ähnlich den goldenen im Hof von Wat Džeṅ. — Ein colossaler vergoldeter Budda steht wieder in einem anderen Hause. Ueberall sieht man dasselbe, nur hundertfach verändert. 166 Bonzen sollen zu Wat Saket gehören.
Mehrere grosse von Rasthallen umgebene Höfe sind mit schönen Palmyra-Palmen (Borassus flabelliformis) bepflanzt. Zur Verbrennung vornehmer Leichen dient ein auf vier Pfeilern ruhender gemauerter Katafalk, unter welchem ein steinerner Sockel für den Scheiterhaufen steht. Das Innere ist von Rauch geschwärzt. Auf der spitzzulaufenden Dachkuppel pflegt regungslos eine Schaar von Aasgeiern zu sitzen; unter den auf Pfählen erhöhten Rasthallen in der Nähe lauern Horden wohlgenährter Hunde. Die Kosten der Verbrennung können nur Reiche bezahlen; Aermere und Solche, die Zerfleischung vorziehen, werden auf einen an den Verbrennungs- platz grenzenden Acker geworfen, wo Hunde, Raben und Geier sie gierig verschlingen. Der üppige Wuchs der kriechenden, klettern- den Rotang-Palme und grossblättriger Sträucher, die stellenweise den Platz überwuchern, steht in grellem Contrast zur scheusslichen Staffage: im Gebüsch liegen angefressene Leichen, blutige Knochen und halbe Gerippe; hier und da qualmen Haufen von Kleidern und Geräthen der Verstorbenen. Bei ihrer Mahlzeit gestört fliehen die Bestien scheu auseinander und setzen sich gierig lauernd in der Runde. — Nach buddistischer Anschauung liegt in der völligen Vertilgung des Körpers der grösste Segen; die Zerfleischung hat für sie nichts Widerwärtiges. Die Asche der Verbrannten wird in den Fluss geworfen oder in alle Winde zerstreut, bis auf kleine Andenken für die Hinterbliebenen. Nur die Aermsten werden den Fischen zur Beute unzerfleischt dem Strom übergeben.
Wir hatten Gelegenheit bei Wat Saket der Verbrennung einer vornehmen Leiche beizuwohnen. Auf dem steinernen Sockel unter jenem Gebäude war der Holzstoss aus versilberten Scheiten aufgebaut; darauf stand der hölzerne vergoldete Sarg, der oben offen, unten mit eisernen Stäben vergittert ist; ein vergoldeter Bal-
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XXI. Wat Saket.
An einem der breiteren Wasserarme auf der linken Seite des
Menam liegen die Tempelgründe von Wat Saket, wo die meisten
Todten verbrannt werden. Die Hauptgebäude gleichen den früher
beschriebenen; in dem grössten ziert eine tolle Darstellung des
Fegefeuers die Wände; in der kreuzgangartigen Halle des diesen
Tempel umgebenden Hofes sitzen lauter schwarze Götzen, ähnlich
den goldenen im Hof von Wat Džeṅ. — Ein colossaler vergoldeter
Budda steht wieder in einem anderen Hause. Ueberall sieht man
dasselbe, nur hundertfach verändert. 166 Bonzen sollen zu Wat
Saket gehören.
Mehrere grosse von Rasthallen umgebene Höfe sind mit
schönen Palmyra-Palmen (Borassus flabelliformis) bepflanzt. Zur
Verbrennung vornehmer Leichen dient ein auf vier Pfeilern ruhender
gemauerter Katafalk, unter welchem ein steinerner Sockel für den
Scheiterhaufen steht. Das Innere ist von Rauch geschwärzt. Auf
der spitzzulaufenden Dachkuppel pflegt regungslos eine Schaar
von Aasgeiern zu sitzen; unter den auf Pfählen erhöhten Rasthallen
in der Nähe lauern Horden wohlgenährter Hunde. Die Kosten der
Verbrennung können nur Reiche bezahlen; Aermere und Solche,
die Zerfleischung vorziehen, werden auf einen an den Verbrennungs-
platz grenzenden Acker geworfen, wo Hunde, Raben und Geier sie
gierig verschlingen. Der üppige Wuchs der kriechenden, klettern-
den Rotang-Palme und grossblättriger Sträucher, die stellenweise
den Platz überwuchern, steht in grellem Contrast zur scheusslichen
Staffage: im Gebüsch liegen angefressene Leichen, blutige Knochen
und halbe Gerippe; hier und da qualmen Haufen von Kleidern und
Geräthen der Verstorbenen. Bei ihrer Mahlzeit gestört fliehen die
Bestien scheu auseinander und setzen sich gierig lauernd in der
Runde. — Nach buddistischer Anschauung liegt in der völligen
Vertilgung des Körpers der grösste Segen; die Zerfleischung hat
für sie nichts Widerwärtiges. Die Asche der Verbrannten wird in
den Fluss geworfen oder in alle Winde zerstreut, bis auf kleine
Andenken für die Hinterbliebenen. Nur die Aermsten werden den
Fischen zur Beute unzerfleischt dem Strom übergeben.
Wir hatten Gelegenheit bei Wat Saket der Verbrennung
einer vornehmen Leiche beizuwohnen. Auf dem steinernen Sockel
unter jenem Gebäude war der Holzstoss aus versilberten Scheiten
aufgebaut; darauf stand der hölzerne vergoldete Sarg, der oben
offen, unten mit eisernen Stäben vergittert ist; ein vergoldeter Bal-
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/297>, abgerufen am 25.11.2024.
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