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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Anh. IV. Su-tsau belagert.
schlug. Er musste versprechen China zu verlassen und ging nach
Yokuhama, kehrte jedoch Anfang 1865 nach Shang-hae zurück, und
ging dann nach A-moi, wo er nochmals mit den Tae-pin in Ver-
bindung zu treten suchte und in der Folge ein geheimnissvolles
Ende fand.


Die Siegreiche Schaar war vor Su-tsau 2100 Mann stark;
ausserdem verfügte Gordon über 400 Franco-Chinesen. An kaiser-
lichen Truppen standen 10,000 Mann vor der Stadt, und um Fu-
san
concentrirt ein Corps von 25,000 Mann. Zu völliger Cernirung
von Su-tsau war diese Streitmacht zu schwach; Gordon nahm aber
eine feste Stellung nach der anderen und liess sie von den Kaiser-
lichen besetzen. Die Tae-pin hatten in Su-tsau 40,000 Mann, und
20,000 in Wu-sie, nordwestlich davon; zwischen beiden Städten
stand der Tsun-wan, der, in seine Würden restituirt, mit 18,000
Mann dem bedrängten Su-tsau zu Hülfe zog, aber ausserhalb der
Stadt blieb und bald von aller Verbindung mit derselben abge-
schnitten wurde; denn die Belagerer beherrschten auch den Taiho-
See
und die anderen Wasserstrassen. Aufgefangene Briefe des Tsun-
wan
bewiesen die verzweifelte Lage der Tae-pin, die auch in
Nan-kin hart bedrängt wurden und viele wichtige Positionen verloren.

Mitte November hatte Major Gordon den kleinen Dampfer
Firefly nach Shang-hae gesandt. Sein Commandant war angewiesen,
nur zwei Stunden dort zu verweilen und dann zurückzukehren;
General Brown aber wollte den Dampfer zu einem Besuch bei
Gordon benutzen und behielt wegen schlechten Wetters den Com-
mandanten die Nacht über bei sich, während der Dampfer im Fluss
vor Anker lag. An Bord befanden sich vier Europäer, darunter
ein Officier der englischen Artillerie. Um Mitternacht stieg eine
Rotte fremder Abenteurer auf das Schiff, schloss die Zugänge der
Kajüte, hob die Anker und entführte den Dampfer, dessen Kessel
geheizt waren, im Dunkel der Nacht. Der Tsun-wan soll 20,000
Pfd. St. dafür gezahlt haben.82) -- Die grässlich verstümmelten

82) Der Rädelsführer war ein Engländer, der unter dem Namen Lin-lee,
wahrscheinlich Lindley, ein abenteuerliches Buch über den Tae-pin-Krieg publicirt
hat. Er entkam mit seinem Raube nach England, nachdem er beim Zank über die
Theilung einen seiner Spiessgesellen erschossen hatte. Ein anderer bei der Caperei
betheiligter Engländer, White, wurde nachher in Shang-hae festgenommen und mit
zweijährigem Gefängniss bestraft.
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Anh. IV. Su-tšau belagert.
schlug. Er musste versprechen China zu verlassen und ging nach
Yokuhama, kehrte jedoch Anfang 1865 nach Shang-hae zurück, und
ging dann nach A-moi, wo er nochmals mit den Tae-piṅ in Ver-
bindung zu treten suchte und in der Folge ein geheimnissvolles
Ende fand.


Die Siegreiche Schaar war vor Su-tšau 2100 Mann stark;
ausserdem verfügte Gordon über 400 Franco-Chinesen. An kaiser-
lichen Truppen standen 10,000 Mann vor der Stadt, und um Fu-
šan
concentrirt ein Corps von 25,000 Mann. Zu völliger Cernirung
von Su-tšau war diese Streitmacht zu schwach; Gordon nahm aber
eine feste Stellung nach der anderen und liess sie von den Kaiser-
lichen besetzen. Die Tae-piṅ hatten in Su-tšau 40,000 Mann, und
20,000 in Wu-sie, nordwestlich davon; zwischen beiden Städten
stand der Tšun-waṅ, der, in seine Würden restituirt, mit 18,000
Mann dem bedrängten Su-tšau zu Hülfe zog, aber ausserhalb der
Stadt blieb und bald von aller Verbindung mit derselben abge-
schnitten wurde; denn die Belagerer beherrschten auch den Taiho-
See
und die anderen Wasserstrassen. Aufgefangene Briefe des Tšun-
waṅ
bewiesen die verzweifelte Lage der Tae-piṅ, die auch in
Nan-kiṅ hart bedrängt wurden und viele wichtige Positionen verloren.

Mitte November hatte Major Gordon den kleinen Dampfer
Firefly nach Shang-hae gesandt. Sein Commandant war angewiesen,
nur zwei Stunden dort zu verweilen und dann zurückzukehren;
General Brown aber wollte den Dampfer zu einem Besuch bei
Gordon benutzen und behielt wegen schlechten Wetters den Com-
mandanten die Nacht über bei sich, während der Dampfer im Fluss
vor Anker lag. An Bord befanden sich vier Europäer, darunter
ein Officier der englischen Artillerie. Um Mitternacht stieg eine
Rotte fremder Abenteurer auf das Schiff, schloss die Zugänge der
Kajüte, hob die Anker und entführte den Dampfer, dessen Kessel
geheizt waren, im Dunkel der Nacht. Der Tšun-waṅ soll 20,000
Pfd. St. dafür gezahlt haben.82) — Die grässlich verstümmelten

82) Der Rädelsführer war ein Engländer, der unter dem Namen Lin-lee,
wahrscheinlich Lindley, ein abenteuerliches Buch über den Tae-piṅ-Krieg publicirt
hat. Er entkam mit seinem Raube nach England, nachdem er beim Zank über die
Theilung einen seiner Spiessgesellen erschossen hatte. Ein anderer bei der Caperei
betheiligter Engländer, White, wurde nachher in Shang-hae festgenommen und mit
zweijährigem Gefängniss bestraft.
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[419/0433] Anh. IV. Su-tšau belagert. schlug. Er musste versprechen China zu verlassen und ging nach Yokuhama, kehrte jedoch Anfang 1865 nach Shang-hae zurück, und ging dann nach A-moi, wo er nochmals mit den Tae-piṅ in Ver- bindung zu treten suchte und in der Folge ein geheimnissvolles Ende fand. Die Siegreiche Schaar war vor Su-tšau 2100 Mann stark; ausserdem verfügte Gordon über 400 Franco-Chinesen. An kaiser- lichen Truppen standen 10,000 Mann vor der Stadt, und um Fu- šan concentrirt ein Corps von 25,000 Mann. Zu völliger Cernirung von Su-tšau war diese Streitmacht zu schwach; Gordon nahm aber eine feste Stellung nach der anderen und liess sie von den Kaiser- lichen besetzen. Die Tae-piṅ hatten in Su-tšau 40,000 Mann, und 20,000 in Wu-sie, nordwestlich davon; zwischen beiden Städten stand der Tšun-waṅ, der, in seine Würden restituirt, mit 18,000 Mann dem bedrängten Su-tšau zu Hülfe zog, aber ausserhalb der Stadt blieb und bald von aller Verbindung mit derselben abge- schnitten wurde; denn die Belagerer beherrschten auch den Taiho- See und die anderen Wasserstrassen. Aufgefangene Briefe des Tšun- waṅ bewiesen die verzweifelte Lage der Tae-piṅ, die auch in Nan-kiṅ hart bedrängt wurden und viele wichtige Positionen verloren. Mitte November hatte Major Gordon den kleinen Dampfer Firefly nach Shang-hae gesandt. Sein Commandant war angewiesen, nur zwei Stunden dort zu verweilen und dann zurückzukehren; General Brown aber wollte den Dampfer zu einem Besuch bei Gordon benutzen und behielt wegen schlechten Wetters den Com- mandanten die Nacht über bei sich, während der Dampfer im Fluss vor Anker lag. An Bord befanden sich vier Europäer, darunter ein Officier der englischen Artillerie. Um Mitternacht stieg eine Rotte fremder Abenteurer auf das Schiff, schloss die Zugänge der Kajüte, hob die Anker und entführte den Dampfer, dessen Kessel geheizt waren, im Dunkel der Nacht. Der Tšun-waṅ soll 20,000 Pfd. St. dafür gezahlt haben. 82) — Die grässlich verstümmelten 82) Der Rädelsführer war ein Engländer, der unter dem Namen Lin-lee, wahrscheinlich Lindley, ein abenteuerliches Buch über den Tae-piṅ-Krieg publicirt hat. Er entkam mit seinem Raube nach England, nachdem er beim Zank über die Theilung einen seiner Spiessgesellen erschossen hatte. Ein anderer bei der Caperei betheiligter Engländer, White, wurde nachher in Shang-hae festgenommen und mit zweijährigem Gefängniss bestraft. 27*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/433>, abgerufen am 22.11.2024.