Die ihnen aufgetragenen Mittheilungen an den Gesandten formulirten die Commissare in einem zweiten Schreiben und schlossen mit der Bemerkung, sie seien eben bei Abfassung eines Berichtes an den Prinzen von Kun gewesen, damit derselbe vom kaiserlichen Thron für Preussen das Gesandtschaftsrecht erflehe; das ungesetz- liche Betragen der preussischen Beamten in Pe-kin habe jedoch Aergerniss gegeben, und nun dürften sie nicht zu seinen Gunsten reden. -- Am folgenden Morgen -- den 25. Juni -- besuchte Graf Eulenburg die Commissare, erklärte ihnen die Motive seines Ver- fahrens und wies die gegen seine Attaches erhobene Anklage der Gewaltsamkeit von vornherein als unbegründet zurück. Den Com- missaren selbst kam der Erlass sehr überraschend; sie hofften aber zu Fortsetzung der Verhandlungen ermächtigt zu werden, wenn Graf Eulenburg sich zu schleuniger Abberufung seiner Beamten entschlösse. Deren Ankunft in Pe-kin biete der Umgebung des Kaisers willkommenen Anlass, den Prinzen von Kun zu verderben; zu seiner Rechtfertigung müsse derselbe unter Androhung von Ge- walt und Abbruch der Verhandlungen auf ihre Entfernung dringen. Ohne Pass von den Behörden der Vertragsmächte werde jetzt kein Fremder in die Hauptstadt gelassen; Graf Eulenburg habe einen ernsten Conflict zu gewärtigen, wenn er selbst den Versuch wage.
Der Gesandte wäre nun am liebsten auf dem einge- schlagenen Wege fortgeschritten, mit einer Escorte von der Arkona nach Pe-kin aufgebrochen. Die persönliche Genugthuung solchen Auftretens musste aber practischen Rücksichten wei- chen. Den Eintritt in die Hauptstadt konnte man nicht er- zwingen; die Zurückweisung wäre eine Beleidigung gewesen, welcher Graf Eulenburg die preussische Regierung nicht aus- setzen durfte. Gelang es ihm selbst in die Hauptstadt einzu- dringen, so konnte der Prinz ihm noch immer die Audienz verweigern, und, erbittert durch seinen Trotz, den Abbruch der Verhandlungen aufrecht halten. -- War die Mittheilung des französischen Secretärs genau, so musste auch jetzt noch die Reise als letztes Mittel gewagt sein; die freundschaftliche Stim- mung der Commissare bewies aber, dass es um Erfüllung der preussischen Forderungen durchaus nicht so verzweifelt stand, wie Graf Kleczkowski schrieb. Und doch beruhte dessen Mitthei- lung, wie wir später erfuhren, auf einer ausdrücklichen in Gegen- wart des Herrn de Meritens abgegebenen Erklärung des Prinzen.
Mittheilungen der Commissare. XV.
Die ihnen aufgetragenen Mittheilungen an den Gesandten formulirten die Commissare in einem zweiten Schreiben und schlossen mit der Bemerkung, sie seien eben bei Abfassung eines Berichtes an den Prinzen von Kuṅ gewesen, damit derselbe vom kaiserlichen Thron für Preussen das Gesandtschaftsrecht erflehe; das ungesetz- liche Betragen der preussischen Beamten in Pe-kiṅ habe jedoch Aergerniss gegeben, und nun dürften sie nicht zu seinen Gunsten reden. — Am folgenden Morgen — den 25. Juni — besuchte Graf Eulenburg die Commissare, erklärte ihnen die Motive seines Ver- fahrens und wies die gegen seine Attachés erhobene Anklage der Gewaltsamkeit von vornherein als unbegründet zurück. Den Com- missaren selbst kam der Erlass sehr überraschend; sie hofften aber zu Fortsetzung der Verhandlungen ermächtigt zu werden, wenn Graf Eulenburg sich zu schleuniger Abberufung seiner Beamten entschlösse. Deren Ankunft in Pe-kiṅ biete der Umgebung des Kaisers willkommenen Anlass, den Prinzen von Kuṅ zu verderben; zu seiner Rechtfertigung müsse derselbe unter Androhung von Ge- walt und Abbruch der Verhandlungen auf ihre Entfernung dringen. Ohne Pass von den Behörden der Vertragsmächte werde jetzt kein Fremder in die Hauptstadt gelassen; Graf Eulenburg habe einen ernsten Conflict zu gewärtigen, wenn er selbst den Versuch wage.
Der Gesandte wäre nun am liebsten auf dem einge- schlagenen Wege fortgeschritten, mit einer Escorte von der Arkona nach Pe-kiṅ aufgebrochen. Die persönliche Genugthuung solchen Auftretens musste aber practischen Rücksichten wei- chen. Den Eintritt in die Hauptstadt konnte man nicht er- zwingen; die Zurückweisung wäre eine Beleidigung gewesen, welcher Graf Eulenburg die preussische Regierung nicht aus- setzen durfte. Gelang es ihm selbst in die Hauptstadt einzu- dringen, so konnte der Prinz ihm noch immer die Audienz verweigern, und, erbittert durch seinen Trotz, den Abbruch der Verhandlungen aufrecht halten. — War die Mittheilung des französischen Secretärs genau, so musste auch jetzt noch die Reise als letztes Mittel gewagt sein; die freundschaftliche Stim- mung der Commissare bewies aber, dass es um Erfüllung der preussischen Forderungen durchaus nicht so verzweifelt stand, wie Graf Kleczkowski schrieb. Und doch beruhte dessen Mitthei- lung, wie wir später erfuhren, auf einer ausdrücklichen in Gegen- wart des Herrn de Méritens abgegebenen Erklärung des Prinzen.
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Mittheilungen der Commissare. XV.
Die ihnen aufgetragenen Mittheilungen an den Gesandten
formulirten die Commissare in einem zweiten Schreiben und schlossen
mit der Bemerkung, sie seien eben bei Abfassung eines Berichtes
an den Prinzen von Kuṅ gewesen, damit derselbe vom kaiserlichen
Thron für Preussen das Gesandtschaftsrecht erflehe; das ungesetz-
liche Betragen der preussischen Beamten in Pe-kiṅ habe jedoch
Aergerniss gegeben, und nun dürften sie nicht zu seinen Gunsten
reden. — Am folgenden Morgen — den 25. Juni — besuchte Graf
Eulenburg die Commissare, erklärte ihnen die Motive seines Ver-
fahrens und wies die gegen seine Attachés erhobene Anklage der
Gewaltsamkeit von vornherein als unbegründet zurück. Den Com-
missaren selbst kam der Erlass sehr überraschend; sie hofften aber
zu Fortsetzung der Verhandlungen ermächtigt zu werden, wenn
Graf Eulenburg sich zu schleuniger Abberufung seiner Beamten
entschlösse. Deren Ankunft in Pe-kiṅ biete der Umgebung des
Kaisers willkommenen Anlass, den Prinzen von Kuṅ zu verderben;
zu seiner Rechtfertigung müsse derselbe unter Androhung von Ge-
walt und Abbruch der Verhandlungen auf ihre Entfernung dringen.
Ohne Pass von den Behörden der Vertragsmächte werde jetzt kein
Fremder in die Hauptstadt gelassen; Graf Eulenburg habe einen
ernsten Conflict zu gewärtigen, wenn er selbst den Versuch wage.
Der Gesandte wäre nun am liebsten auf dem einge-
schlagenen Wege fortgeschritten, mit einer Escorte von der
Arkona nach Pe-kiṅ aufgebrochen. Die persönliche Genugthuung
solchen Auftretens musste aber practischen Rücksichten wei-
chen. Den Eintritt in die Hauptstadt konnte man nicht er-
zwingen; die Zurückweisung wäre eine Beleidigung gewesen,
welcher Graf Eulenburg die preussische Regierung nicht aus-
setzen durfte. Gelang es ihm selbst in die Hauptstadt einzu-
dringen, so konnte der Prinz ihm noch immer die Audienz
verweigern, und, erbittert durch seinen Trotz, den Abbruch
der Verhandlungen aufrecht halten. — War die Mittheilung des
französischen Secretärs genau, so musste auch jetzt noch die
Reise als letztes Mittel gewagt sein; die freundschaftliche Stim-
mung der Commissare bewies aber, dass es um Erfüllung der
preussischen Forderungen durchaus nicht so verzweifelt stand,
wie Graf Kleczkowski schrieb. Und doch beruhte dessen Mitthei-
lung, wie wir später erfuhren, auf einer ausdrücklichen in Gegen-
wart des Herrn de Méritens abgegebenen Erklärung des Prinzen.
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/76>, abgerufen am 25.11.2024.
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