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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Zweiter Band. Berlin, 1867.

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Begränzung der Arten derselben.
von Bandjar (Java). Nur Reihen von Exemplaren bestimmter Fundorte
können hier Aufschluss geben und es gilt hier noch mehr als sonst,
dass man die Arten und ihre Charaktere herausfinden, nicht con-
sequent nach irgend einem Merkmal aufstellen muss. Ich erlaube
mir hierbei eine Stelle aus einer Arbeit meines verehrten Lehrers
A. Braun anzuführen, welche ganz andere Gegenstände betreffend
doch hieher gehört: "Arten sind nicht bloss schematische, sondern
historisch festgestellte, für eine gewisse Weltperiode haltbar ge-
wordene Differenzirungen; es muss daher auch bei der Beurtheilung
fraglicher Formen in Anschlag gebracht werden, ob sie sich in ihrer
grösseren oder geringeren Eigenthümlichkeit beständig verhalten oder
nicht, ob sie in ihren Charakteren scharf abgesondert oder durch
Uebergangsglieder mit verwandten Formen verbunden erscheinen,
ja selbst die Verhältnisse der Lebensweise und geographischen
Verbreitung werden in Verbindung mit den übrigen Merkmalen nicht
ausser Acht zu lassen sein." (Monatsberichte Berl. Akad. 1863 S. 623.)

Die geographische Verbreitung dieser Gruppe ist so bestimmt
und enggeschlossen, wie die irgend einer anderen und fällt zum
Theil mit unserem Gebiet zusammen, nimmt aber ausserdem noch
die hinterindische Halbinsel ein bis in das südlichste China? (B. si-
nensis) und den östlichen Theil des Himalaya (B. Sylheticus Reeve,
die kleinste Art); sie erstreckt sich nicht auf die Molukken, obwohl
sie noch Timor, Celebes und die Philippinen umfasst.

So wenig bei der Begränzung der Gruppe Zweifel und
Meinungsverschiedenheiten herrschen, so viel ist dieses der Fall
bei der Unterscheidung der Arten, eben ihrer grossen Ueberein-
stimmung wegen, wie z. B. auch bei den Achatinellen und Clausilien.

Linne erkannte nur eine Art an, Helix perversa, innerhalb
derer er drei Varietäten unterscheidet a) einfarbig schwefelgelb,
b) gelb mit vereinzelten purpurbraunen Varicen und c) blass mit
gedrängten braunen Striemen. Dass dieselbe Art rechts und links
vorkommt, nahm er schon an, denn er sagt: anfractus saepe
contrarii. Mus. Lud. Ulr. p. 669.

O. Fr. Müller (hist. verm. 1774) unterschied schärfer und
nahm mehrere Arten an, liess sich aber wie bei Helix pomatia durch
theoretische Gründe verführen, die rechts- und linksgewundenen
als artlich verschieden zu betrachten, obwohl er selbst an der
Richtigkeit dieses Vorhabens zu zweifeln begann; so kommt er zu
zwei Artenpaaren, die sich nur durch die Richtung der Aufwindung

Begränzung der Arten derselben.
von Bandjar (Java). Nur Reihen von Exemplaren bestimmter Fundorte
können hier Aufschluss geben und es gilt hier noch mehr als sonst,
dass man die Arten und ihre Charaktere herausfinden, nicht con-
sequent nach irgend einem Merkmal aufstellen muss. Ich erlaube
mir hierbei eine Stelle aus einer Arbeit meines verehrten Lehrers
A. Braun anzuführen, welche ganz andere Gegenstände betreffend
doch hieher gehört: »Arten sind nicht bloss schematische, sondern
historisch festgestellte, für eine gewisse Weltperiode haltbar ge-
wordene Differenzirungen; es muss daher auch bei der Beurtheilung
fraglicher Formen in Anschlag gebracht werden, ob sie sich in ihrer
grösseren oder geringeren Eigenthümlichkeit beständig verhalten oder
nicht, ob sie in ihren Charakteren scharf abgesondert oder durch
Uebergangsglieder mit verwandten Formen verbunden erscheinen,
ja selbst die Verhältnisse der Lebensweise und geographischen
Verbreitung werden in Verbindung mit den übrigen Merkmalen nicht
ausser Acht zu lassen sein.« (Monatsberichte Berl. Akad. 1863 S. 623.)

Die geographische Verbreitung dieser Gruppe ist so bestimmt
und enggeschlossen, wie die irgend einer anderen und fällt zum
Theil mit unserem Gebiet zusammen, nimmt aber ausserdem noch
die hinterindische Halbinsel ein bis in das südlichste China? (B. si-
nensis) und den östlichen Theil des Himalaya (B. Sylheticus Reeve,
die kleinste Art); sie erstreckt sich nicht auf die Molukken, obwohl
sie noch Timor, Celebes und die Philippinen umfasst.

So wenig bei der Begränzung der Gruppe Zweifel und
Meinungsverschiedenheiten herrschen, so viel ist dieses der Fall
bei der Unterscheidung der Arten, eben ihrer grossen Ueberein-
stimmung wegen, wie z. B. auch bei den Achatinellen und Clausilien.

Linne erkannte nur eine Art an, Helix perversa, innerhalb
derer er drei Varietäten unterscheidet a) einfarbig schwefelgelb,
b) gelb mit vereinzelten purpurbraunen Varicen und c) blass mit
gedrängten braunen Striemen. Dass dieselbe Art rechts und links
vorkommt, nahm er schon an, denn er sagt: anfractus saepe
contrarii. Mus. Lud. Ulr. p. 669.

O. Fr. Müller (hist. verm. 1774) unterschied schärfer und
nahm mehrere Arten an, liess sich aber wie bei Helix pomatia durch
theoretische Gründe verführen, die rechts- und linksgewundenen
als artlich verschieden zu betrachten, obwohl er selbst an der
Richtigkeit dieses Vorhabens zu zweifeln begann; so kommt er zu
zwei Artenpaaren, die sich nur durch die Richtung der Aufwindung

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[333/0353] Begränzung der Arten derselben. von Bandjar (Java). Nur Reihen von Exemplaren bestimmter Fundorte können hier Aufschluss geben und es gilt hier noch mehr als sonst, dass man die Arten und ihre Charaktere herausfinden, nicht con- sequent nach irgend einem Merkmal aufstellen muss. Ich erlaube mir hierbei eine Stelle aus einer Arbeit meines verehrten Lehrers A. Braun anzuführen, welche ganz andere Gegenstände betreffend doch hieher gehört: »Arten sind nicht bloss schematische, sondern historisch festgestellte, für eine gewisse Weltperiode haltbar ge- wordene Differenzirungen; es muss daher auch bei der Beurtheilung fraglicher Formen in Anschlag gebracht werden, ob sie sich in ihrer grösseren oder geringeren Eigenthümlichkeit beständig verhalten oder nicht, ob sie in ihren Charakteren scharf abgesondert oder durch Uebergangsglieder mit verwandten Formen verbunden erscheinen, ja selbst die Verhältnisse der Lebensweise und geographischen Verbreitung werden in Verbindung mit den übrigen Merkmalen nicht ausser Acht zu lassen sein.« (Monatsberichte Berl. Akad. 1863 S. 623.) Die geographische Verbreitung dieser Gruppe ist so bestimmt und enggeschlossen, wie die irgend einer anderen und fällt zum Theil mit unserem Gebiet zusammen, nimmt aber ausserdem noch die hinterindische Halbinsel ein bis in das südlichste China? (B. si- nensis) und den östlichen Theil des Himalaya (B. Sylheticus Reeve, die kleinste Art); sie erstreckt sich nicht auf die Molukken, obwohl sie noch Timor, Celebes und die Philippinen umfasst. So wenig bei der Begränzung der Gruppe Zweifel und Meinungsverschiedenheiten herrschen, so viel ist dieses der Fall bei der Unterscheidung der Arten, eben ihrer grossen Ueberein- stimmung wegen, wie z. B. auch bei den Achatinellen und Clausilien. Linne erkannte nur eine Art an, Helix perversa, innerhalb derer er drei Varietäten unterscheidet a) einfarbig schwefelgelb, b) gelb mit vereinzelten purpurbraunen Varicen und c) blass mit gedrängten braunen Striemen. Dass dieselbe Art rechts und links vorkommt, nahm er schon an, denn er sagt: anfractus saepe contrarii. Mus. Lud. Ulr. p. 669. O. Fr. Müller (hist. verm. 1774) unterschied schärfer und nahm mehrere Arten an, liess sich aber wie bei Helix pomatia durch theoretische Gründe verführen, die rechts- und linksgewundenen als artlich verschieden zu betrachten, obwohl er selbst an der Richtigkeit dieses Vorhabens zu zweifeln begann; so kommt er zu zwei Artenpaaren, die sich nur durch die Richtung der Aufwindung

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Zweiter Band. Berlin, 1867, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie02_1867/353>, abgerufen am 22.11.2024.