Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Legföhren. Bestände trifft man allenthalben in den Kalkalpen bei einer Höhevon 5000 Fuß und darüber. Die Legföhre ist endlich durchaus kein schlechtes Strauchwerk Bis in die jüngste Zeit achtete man die Legföhre lediglich um Legföhren. Beſtände trifft man allenthalben in den Kalkalpen bei einer Höhevon 5000 Fuß und darüber. Die Legföhre iſt endlich durchaus kein ſchlechtes Strauchwerk Bis in die jüngſte Zeit achtete man die Legföhre lediglich um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0122" n="96"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Legföhren</hi>.<lb/></fw>Beſtände trifft man allenthalben in den Kalkalpen bei einer Höhe<lb/> von 5000 Fuß und darüber.</p><lb/> <p>Die Legföhre iſt endlich durchaus kein ſchlechtes Strauchwerk<lb/> oder forſtwirthſchaftliches Unkraut; ſie iſt eine höchſt nützliche, kon¬<lb/> ſervirende Schutzpflanze, ein kerniger Damm gegen die deſtruiren¬<lb/> den Tendenzen der Alpverwilderung. Was der Menſch durch<lb/> Bannwälder und ähnliche Defenſivmittel zu erſtreben bemüht iſt,<lb/> beſorgt ſie naturgemäß von ſich aus. Ohne Legföhren exiſtirte<lb/> manche kräftige, ſaftreiche, kräuterüppige Alpmatte nicht mehr; los¬<lb/> gebröckeltes Steingeröll und Bergſchutt hätten ſchon manche Alp<lb/> zerſtört. Ihr zähes Flechtwerk nimmt im Herbſte die erſten aus<lb/> der Atmoſphäre niederfallenden Schneeladungen in ſeine Geſträuchs¬<lb/> maſchen auf und bindet dadurch allen ſpäter fallenden Schnee an<lb/> die geneigte Fläche; ſo verhindert ſie poſitiv das Anbrechen von<lb/> Grundlauinen und aller durch dieſe herbeigeführten Verheerungen.<lb/> Ebenſo vereitelt ſie energiſch die Bildung von Rüffen und Stein¬<lb/> ſchlägen, und fängt als natürliches Faſchinenverhau alle niederrol¬<lb/> lenden Felsablöſungen auf. Sie läßt ferner den wildeſten Schlag¬<lb/> regen, die furchtbarſten Gewittergüſſe nur wie ein regulirendes<lb/> Filtrum durch und trägt dadurch außerordentlich zur Vermehrung<lb/> guter anhaltender Quellen und zur Erhaltung tieferliegender Raſen¬<lb/> halden bei; — und endlich begünſtigt ſie unter ſicherem Schutz<lb/> die Humusbildung durch das abgefallene Genadel in hohem Grade.</p><lb/> <p>Bis in die jüngſte Zeit achtete man die Legföhre lediglich um<lb/> dieſes indirekten Nutzens willen; — höchſtens daß der Aelpler ſich<lb/> für ſeine Sennhütte etwas Brennmaterial aus derſelben verſchaffte.<lb/> Neuerdings haben aber Holzmangel und rationelle Waldwirthſchaft<lb/> den Werth dieſes Waldwuchſes geſteigert, und jetzt durchforſtet man<lb/> dieſelben ebenſo wie eigentliche Wälder. Die Brennkraft des Hol¬<lb/> zes kommt dem der Buche faſt gleich, und die daraus gewonnenen<lb/> Kohlen werden ſehr geſchätzt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [96/0122]
Legföhren.
Beſtände trifft man allenthalben in den Kalkalpen bei einer Höhe
von 5000 Fuß und darüber.
Die Legföhre iſt endlich durchaus kein ſchlechtes Strauchwerk
oder forſtwirthſchaftliches Unkraut; ſie iſt eine höchſt nützliche, kon¬
ſervirende Schutzpflanze, ein kerniger Damm gegen die deſtruiren¬
den Tendenzen der Alpverwilderung. Was der Menſch durch
Bannwälder und ähnliche Defenſivmittel zu erſtreben bemüht iſt,
beſorgt ſie naturgemäß von ſich aus. Ohne Legföhren exiſtirte
manche kräftige, ſaftreiche, kräuterüppige Alpmatte nicht mehr; los¬
gebröckeltes Steingeröll und Bergſchutt hätten ſchon manche Alp
zerſtört. Ihr zähes Flechtwerk nimmt im Herbſte die erſten aus
der Atmoſphäre niederfallenden Schneeladungen in ſeine Geſträuchs¬
maſchen auf und bindet dadurch allen ſpäter fallenden Schnee an
die geneigte Fläche; ſo verhindert ſie poſitiv das Anbrechen von
Grundlauinen und aller durch dieſe herbeigeführten Verheerungen.
Ebenſo vereitelt ſie energiſch die Bildung von Rüffen und Stein¬
ſchlägen, und fängt als natürliches Faſchinenverhau alle niederrol¬
lenden Felsablöſungen auf. Sie läßt ferner den wildeſten Schlag¬
regen, die furchtbarſten Gewittergüſſe nur wie ein regulirendes
Filtrum durch und trägt dadurch außerordentlich zur Vermehrung
guter anhaltender Quellen und zur Erhaltung tieferliegender Raſen¬
halden bei; — und endlich begünſtigt ſie unter ſicherem Schutz
die Humusbildung durch das abgefallene Genadel in hohem Grade.
Bis in die jüngſte Zeit achtete man die Legföhre lediglich um
dieſes indirekten Nutzens willen; — höchſtens daß der Aelpler ſich
für ſeine Sennhütte etwas Brennmaterial aus derſelben verſchaffte.
Neuerdings haben aber Holzmangel und rationelle Waldwirthſchaft
den Werth dieſes Waldwuchſes geſteigert, und jetzt durchforſtet man
dieſelben ebenſo wie eigentliche Wälder. Die Brennkraft des Hol¬
zes kommt dem der Buche faſt gleich, und die daraus gewonnenen
Kohlen werden ſehr geſchätzt.
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Zitationshilfe: | Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/122>, abgerufen am 16.02.2025. |