Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Legföhren. allen anderen halten sich Bären gern darin auf, wenn man ihnennachsetzt, und haben sie dieses Asyl erreicht, so sind sie ziemlich sicher vor jedem Angriff. Darum wird das Legföhren-Gestrüpp im Davos (Graubünden) auch "Bärenkrys" genannt. -- Tem¬ porär halten sich Bergfüchse (deren eigentlicher Bau am liebsten unter Felsen) darin auf, um Beute zu erhaschen; der Marder geht dort auf die Jagd und der weiße Hase (Lepus variabilis) flüch¬ tet sich hinein. Im Spätherbst ists der Lieblingsaufenhalt des Spiel¬ hahns (Tetrao tetrix L.) und am Rande der nahen Schnee¬ gränze nistet das Weißhuhn oder Alpenschneehuhn (Tetrao lagopus) unter dem Schutz der kleinen mageren Krummholz-Gesträuche. Die ständige Bewohnerin derselben aber ist die Ringamsel, welche jähr¬ lich zweimal in diesem Versteck brütet, -- der vorübergehenden Bewohner, wie Kernbeißer, Kreuzschnäbel u. s. w., nicht zu ge¬ denken. So sehr nun dieser Föhrenhag den Jäger freut, weil er in Legföhren. allen anderen halten ſich Bären gern darin auf, wenn man ihnennachſetzt, und haben ſie dieſes Aſyl erreicht, ſo ſind ſie ziemlich ſicher vor jedem Angriff. Darum wird das Legföhren-Geſtrüpp im Davos (Graubünden) auch „Bärenkrys“ genannt. — Tem¬ porär halten ſich Bergfüchſe (deren eigentlicher Bau am liebſten unter Felſen) darin auf, um Beute zu erhaſchen; der Marder geht dort auf die Jagd und der weiße Haſe (Lepus variabilis) flüch¬ tet ſich hinein. Im Spätherbſt iſts der Lieblingsaufenhalt des Spiel¬ hahns (Tetrao tetrix L.) und am Rande der nahen Schnee¬ gränze niſtet das Weißhuhn oder Alpenſchneehuhn (Tetrao lagopus) unter dem Schutz der kleinen mageren Krummholz-Geſträuche. Die ſtändige Bewohnerin derſelben aber iſt die Ringamſel, welche jähr¬ lich zweimal in dieſem Verſteck brütet, — der vorübergehenden Bewohner, wie Kernbeißer, Kreuzſchnäbel u. ſ. w., nicht zu ge¬ denken. So ſehr nun dieſer Föhrenhag den Jäger freut, weil er in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0121" n="95"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Legföhren</hi>.<lb/></fw>allen anderen halten ſich Bären gern darin auf, wenn man ihnen<lb/> nachſetzt, und haben ſie dieſes Aſyl erreicht, ſo ſind ſie ziemlich<lb/> ſicher vor jedem Angriff. Darum wird das Legföhren-Geſtrüpp<lb/> im Davos (Graubünden) auch „Bärenkrys“ genannt. — Tem¬<lb/> porär halten ſich Bergfüchſe (deren eigentlicher Bau am liebſten<lb/> unter Felſen) darin auf, um Beute zu erhaſchen; der Marder geht<lb/> dort auf die Jagd und der weiße Haſe (<hi rendition="#aq">Lepus variabilis</hi>) flüch¬<lb/> tet ſich hinein. Im Spätherbſt iſts der Lieblingsaufenhalt des Spiel¬<lb/> hahns (<hi rendition="#aq">Tetrao tetrix L.</hi>) und am Rande der nahen Schnee¬<lb/> gränze niſtet das Weißhuhn oder Alpenſchneehuhn (<hi rendition="#aq">Tetrao lagopus</hi>)<lb/> unter dem Schutz der kleinen mageren Krummholz-Geſträuche. Die<lb/> ſtändige Bewohnerin derſelben aber iſt die Ringamſel, welche jähr¬<lb/> lich zweimal in dieſem Verſteck brütet, — der vorübergehenden<lb/> Bewohner, wie Kernbeißer, Kreuzſchnäbel u. ſ. w., nicht zu ge¬<lb/> denken.</p><lb/> <p>So ſehr nun dieſer Föhrenhag den Jäger freut, weil er in<lb/> der Regel Wild darin findet, — einen ſo peinlichen, düſteren, ja<lb/> faſt ſchauerigen Eindruck macht er auf den Alpen-Naturfreund.<lb/> Unbeſchreibliche Einförmigkeit trotz der bizarren Aſtvariationen,<lb/> trübe, träumeriſche Melancholie lagert über ſolchen finſteren Ge¬<lb/> hängen, das Gefühl des Unheimlichen, des Verlaſſenſeins beſchleicht<lb/> den Wanderer, wo der Pfad lange durch Legföhrenhorſte führt.<lb/> Es iſt, als ob die Natur hier eingeſchlafen wäre, und unwillkür¬<lb/> lich wird man an Grimms Mährchen vom Dornenröschen erinnert.<lb/> Das Knieholz iſt im Gebirge etwa das, was in der Fläche die<lb/> Heide iſt. Paſcher und Schleichhändler an der Gränze wählen es<lb/> gern zu Raſt- und Ablöſungsplätzen, und mancher Kampf zwiſchen<lb/> dieſen und den Gränzjägern iſt ſchon in ſolchem Geſtrüpp vorge¬<lb/> fallen. Am Maſſenhafteſten iſt die Legföhre wohl am „Wolfgang“<lb/> bei Davos (Graubünden) und am Ofnerberg (Unter-Engadin) bis<lb/> hinab zur Alp Stabl-dſchod entwickelt; auch an den Abhängen<lb/> des Scarl-Thales kommt ſie in mächtigen Strecken vor. Kleinere<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [95/0121]
Legföhren.
allen anderen halten ſich Bären gern darin auf, wenn man ihnen
nachſetzt, und haben ſie dieſes Aſyl erreicht, ſo ſind ſie ziemlich
ſicher vor jedem Angriff. Darum wird das Legföhren-Geſtrüpp
im Davos (Graubünden) auch „Bärenkrys“ genannt. — Tem¬
porär halten ſich Bergfüchſe (deren eigentlicher Bau am liebſten
unter Felſen) darin auf, um Beute zu erhaſchen; der Marder geht
dort auf die Jagd und der weiße Haſe (Lepus variabilis) flüch¬
tet ſich hinein. Im Spätherbſt iſts der Lieblingsaufenhalt des Spiel¬
hahns (Tetrao tetrix L.) und am Rande der nahen Schnee¬
gränze niſtet das Weißhuhn oder Alpenſchneehuhn (Tetrao lagopus)
unter dem Schutz der kleinen mageren Krummholz-Geſträuche. Die
ſtändige Bewohnerin derſelben aber iſt die Ringamſel, welche jähr¬
lich zweimal in dieſem Verſteck brütet, — der vorübergehenden
Bewohner, wie Kernbeißer, Kreuzſchnäbel u. ſ. w., nicht zu ge¬
denken.
So ſehr nun dieſer Föhrenhag den Jäger freut, weil er in
der Regel Wild darin findet, — einen ſo peinlichen, düſteren, ja
faſt ſchauerigen Eindruck macht er auf den Alpen-Naturfreund.
Unbeſchreibliche Einförmigkeit trotz der bizarren Aſtvariationen,
trübe, träumeriſche Melancholie lagert über ſolchen finſteren Ge¬
hängen, das Gefühl des Unheimlichen, des Verlaſſenſeins beſchleicht
den Wanderer, wo der Pfad lange durch Legföhrenhorſte führt.
Es iſt, als ob die Natur hier eingeſchlafen wäre, und unwillkür¬
lich wird man an Grimms Mährchen vom Dornenröschen erinnert.
Das Knieholz iſt im Gebirge etwa das, was in der Fläche die
Heide iſt. Paſcher und Schleichhändler an der Gränze wählen es
gern zu Raſt- und Ablöſungsplätzen, und mancher Kampf zwiſchen
dieſen und den Gränzjägern iſt ſchon in ſolchem Geſtrüpp vorge¬
fallen. Am Maſſenhafteſten iſt die Legföhre wohl am „Wolfgang“
bei Davos (Graubünden) und am Ofnerberg (Unter-Engadin) bis
hinab zur Alp Stabl-dſchod entwickelt; auch an den Abhängen
des Scarl-Thales kommt ſie in mächtigen Strecken vor. Kleinere
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