Wie Beide eingetreten waren, hörte ich zu meinem nicht ge¬ ringen Erstaunen, daß sie über den Paß Plan de Jaman wollten. "Bei diesem Wetter?" fragte ich überrascht. -- "Warum nicht?" war die Antwort. -- "Oho!?" strammte sich das Ehrgefühl in mir an, "was Ihr könnt, ist auch mir möglich. Also im Ernst über Plan de Jaman?" -- "Ja, Herr! nach Montbovon!" war die deutsche Antwort des Großen, eines Berner Oberländer Burschen aus dem Simmenthal, dem die Wirthin gesagt, daß ich ein Rei¬ sender aus der deutschen Schweiz sei. "Wollt Ihr mein Führer sein?" -- "Gern, Herr!" entgegnete er freundlich, während seine großen treuen Augen mein Vertrauen in ihn bestärkten; "geben Sie mir nur Ihren Reisesack, ich will ihn schon tragen, hab' schon oft mit fremden Herren über die Berge gehen müssen!" -- Topp! Abgemacht. Zeche bezahlt, Alles in die noch friedlich¬ trockene Seehundfell-Tasche wohl verwahrt gepackt, auch mein Porte¬ feuille mit Paß und Papiergeld; den Alpstock zur Hand, und nun "B'hüt di Gott, Herr Wirth, Frau Wirthin, liebe Nachbarn!" -- Fort, hinaus! in Nebel und strömenden Regen.
In den ersten zehn Minuten war ich hinsichtlich des Durch¬ näßtseins meinen beiden Begleitern völlig ebenbürtig. Durch Wald gings bergauf. Durch die Runsen, in den Hohlwegen und wo sonst nur irgend eine Einsenkung an der Abdachung des Berges war, kam das Wildwasser herabgeschossen mit jagender Hast, in überstürzender Eile. Alle paar hundert Schritte mußten wir durch diese improvisirten Bäche schreiten, einige Male auf Schußlänge in denselben marschiren. Es währte nicht lange, so hätte auch ich Mr. Dufours Brunnen brauchen können, um meine Schuhe von lästigem Sande zu säubern, den das strömende Wasser mir hinein¬ gespült hatte. Alles das, was mich im trockenen, schützenden Wirthsstübchen als so außerordentlich überrascht hatte, machte ich jetzt selbst ganz resignirt, -- oder nicht einmal resignirt, sondern in freudiger Stimmung mit.
Eine Nebel-Novelle.
Wie Beide eingetreten waren, hörte ich zu meinem nicht ge¬ ringen Erſtaunen, daß ſie über den Paß Plan de Jaman wollten. „Bei dieſem Wetter?“ fragte ich überraſcht. — „Warum nicht?“ war die Antwort. — „Oho!?“ ſtrammte ſich das Ehrgefühl in mir an, „was Ihr könnt, iſt auch mir möglich. Alſo im Ernſt über Plan de Jaman?“ — „Ja, Herr! nach Montbovon!“ war die deutſche Antwort des Großen, eines Berner Oberländer Burſchen aus dem Simmenthal, dem die Wirthin geſagt, daß ich ein Rei¬ ſender aus der deutſchen Schweiz ſei. „Wollt Ihr mein Führer ſein?“ — „Gern, Herr!“ entgegnete er freundlich, während ſeine großen treuen Augen mein Vertrauen in ihn beſtärkten; „geben Sie mir nur Ihren Reiſeſack, ich will ihn ſchon tragen, hab' ſchon oft mit fremden Herren über die Berge gehen müſſen!“ — Topp! Abgemacht. Zeche bezahlt, Alles in die noch friedlich¬ trockene Seehundfell-Taſche wohl verwahrt gepackt, auch mein Porte¬ feuille mit Paß und Papiergeld; den Alpſtock zur Hand, und nun „B'hüt di Gott, Herr Wirth, Frau Wirthin, liebe Nachbarn!“ — Fort, hinaus! in Nebel und ſtrömenden Regen.
In den erſten zehn Minuten war ich hinſichtlich des Durch¬ näßtſeins meinen beiden Begleitern völlig ebenbürtig. Durch Wald gings bergauf. Durch die Runſen, in den Hohlwegen und wo ſonſt nur irgend eine Einſenkung an der Abdachung des Berges war, kam das Wildwaſſer herabgeſchoſſen mit jagender Haſt, in überſtürzender Eile. Alle paar hundert Schritte mußten wir durch dieſe improviſirten Bäche ſchreiten, einige Male auf Schußlänge in denſelben marſchiren. Es währte nicht lange, ſo hätte auch ich Mr. Dufours Brunnen brauchen können, um meine Schuhe von läſtigem Sande zu ſäubern, den das ſtrömende Waſſer mir hinein¬ geſpült hatte. Alles das, was mich im trockenen, ſchützenden Wirthsſtübchen als ſo außerordentlich überraſcht hatte, machte ich jetzt ſelbſt ganz reſignirt, — oder nicht einmal reſignirt, ſondern in freudiger Stimmung mit.
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Eine Nebel - Novelle.
Wie Beide eingetreten waren, hörte ich zu meinem nicht ge¬
ringen Erſtaunen, daß ſie über den Paß Plan de Jaman wollten.
„Bei dieſem Wetter?“ fragte ich überraſcht. — „Warum nicht?“
war die Antwort. — „Oho!?“ ſtrammte ſich das Ehrgefühl in mir
an, „was Ihr könnt, iſt auch mir möglich. Alſo im Ernſt über
Plan de Jaman?“ — „Ja, Herr! nach Montbovon!“ war die
deutſche Antwort des Großen, eines Berner Oberländer Burſchen
aus dem Simmenthal, dem die Wirthin geſagt, daß ich ein Rei¬
ſender aus der deutſchen Schweiz ſei. „Wollt Ihr mein Führer
ſein?“ — „Gern, Herr!“ entgegnete er freundlich, während ſeine
großen treuen Augen mein Vertrauen in ihn beſtärkten; „geben
Sie mir nur Ihren Reiſeſack, ich will ihn ſchon tragen, hab'
ſchon oft mit fremden Herren über die Berge gehen müſſen!“ —
Topp! Abgemacht. Zeche bezahlt, Alles in die noch friedlich¬
trockene Seehundfell-Taſche wohl verwahrt gepackt, auch mein Porte¬
feuille mit Paß und Papiergeld; den Alpſtock zur Hand, und nun
„B'hüt di Gott, Herr Wirth, Frau Wirthin, liebe Nachbarn!“ —
Fort, hinaus! in Nebel und ſtrömenden Regen.
In den erſten zehn Minuten war ich hinſichtlich des Durch¬
näßtſeins meinen beiden Begleitern völlig ebenbürtig. Durch Wald
gings bergauf. Durch die Runſen, in den Hohlwegen und wo
ſonſt nur irgend eine Einſenkung an der Abdachung des Berges
war, kam das Wildwaſſer herabgeſchoſſen mit jagender Haſt, in
überſtürzender Eile. Alle paar hundert Schritte mußten wir durch
dieſe improviſirten Bäche ſchreiten, einige Male auf Schußlänge in
denſelben marſchiren. Es währte nicht lange, ſo hätte auch ich
Mr. Dufours Brunnen brauchen können, um meine Schuhe von
läſtigem Sande zu ſäubern, den das ſtrömende Waſſer mir hinein¬
geſpült hatte. Alles das, was mich im trockenen, ſchützenden
Wirthsſtübchen als ſo außerordentlich überraſcht hatte, machte ich
jetzt ſelbſt ganz reſignirt, — oder nicht einmal reſignirt, ſondern
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/152>, abgerufen am 24.11.2024.
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