Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Hoch-Gewitter. selten als jene, meilengroße Flächen zugleich überdeckende, elektrisch-geladene Dunst-Meere, wie sie allsommerlich das flache Land be¬ drohen; die hochaufragenden Gebirgszüge werden zu trennenden Keilen, welche die Gewitter in viele Special-Wolkenladungen zer¬ schneiden und dadurch veranlassen, daß sie gemeiniglich nur von kurzer Dauer sind und auch quantitativ nicht so heftig sich ent¬ laden als im Flachlande oder auf offenem Meere. Die durch raschen Temperaturwechsel eben so rasch abgekühlten Luftschichten und die Ausgleichungsbestrebungen derselben mittelst der als natürliche Luft- Ventile der Thäler anzusehenden Windströmungen, tragen die Ge¬ witter-gesättigten Wolken gewöhnlich ziemlich schnell durch eine Gebirgsgegend hindurch, so daß die Summe der nur sehr kurze Zeit dauernden elektrischen Entladungen im Gebirge mindestens dreimal so groß ist als die der mit Andauer und Gemächlichkeit sich austobenden Wetter. Dies ist das normale Verhältniß, wel¬ ches indessen keineswegs ausschließt, daß es einzelne Koryphäen von Gewittern geben kann, welche über große Theile des Alpenlandes zu gleicher Zeit ihre verderbenbergende Wolkendecke ausbreiten. Der eklatanteste Fall aus neuester Zeit ist das berühmte Gewitter vom 24. Juni 1859, welches bekanntlich die Schlacht von Solfe¬ rino (Lombardei) unterbrach und um die gleiche Stunde in allen Gauen der Schweizer und Savoyer Alpen mit unerhörter Wildheit toste. Nicht minder denkwürdig ist jenes ältere vom 27. August 1834, welches von Südwest aufziehend, fast den ganzen Kanton Graubünden und viele benachbarte Länder, also mindestens eine Fläche von einigen hundert Quadratmeilen verheerend heimsuchte. Dagegen sind die Gebirgsgewitter als individuelle meteorische Hoch-Gewitter. ſelten als jene, meilengroße Flächen zugleich überdeckende, elektriſch-geladene Dunſt-Meere, wie ſie allſommerlich das flache Land be¬ drohen; die hochaufragenden Gebirgszüge werden zu trennenden Keilen, welche die Gewitter in viele Special-Wolkenladungen zer¬ ſchneiden und dadurch veranlaſſen, daß ſie gemeiniglich nur von kurzer Dauer ſind und auch quantitativ nicht ſo heftig ſich ent¬ laden als im Flachlande oder auf offenem Meere. Die durch raſchen Temperaturwechſel eben ſo raſch abgekühlten Luftſchichten und die Ausgleichungsbeſtrebungen derſelben mittelſt der als natürliche Luft- Ventile der Thäler anzuſehenden Windſtrömungen, tragen die Ge¬ witter-geſättigten Wolken gewöhnlich ziemlich ſchnell durch eine Gebirgsgegend hindurch, ſo daß die Summe der nur ſehr kurze Zeit dauernden elektriſchen Entladungen im Gebirge mindeſtens dreimal ſo groß iſt als die der mit Andauer und Gemächlichkeit ſich austobenden Wetter. Dies iſt das normale Verhältniß, wel¬ ches indeſſen keineswegs ausſchließt, daß es einzelne Koryphäen von Gewittern geben kann, welche über große Theile des Alpenlandes zu gleicher Zeit ihre verderbenbergende Wolkendecke ausbreiten. Der eklatanteſte Fall aus neueſter Zeit iſt das berühmte Gewitter vom 24. Juni 1859, welches bekanntlich die Schlacht von Solfe¬ rino (Lombardei) unterbrach und um die gleiche Stunde in allen Gauen der Schweizer und Savoyer Alpen mit unerhörter Wildheit toſte. Nicht minder denkwürdig iſt jenes ältere vom 27. Auguſt 1834, welches von Südweſt aufziehend, faſt den ganzen Kanton Graubünden und viele benachbarte Länder, alſo mindeſtens eine Fläche von einigen hundert Quadratmeilen verheerend heimſuchte. Dagegen ſind die Gebirgsgewitter als individuelle meteoriſche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0168" n="140"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Hoch-Gewitter</hi>.<lb/></fw> ſelten als jene, meilengroße Flächen zugleich überdeckende, elektriſch-<lb/> geladene Dunſt-Meere, wie ſie allſommerlich das flache Land be¬<lb/> drohen; die hochaufragenden Gebirgszüge werden zu trennenden<lb/> Keilen, welche die Gewitter in viele Special-Wolkenladungen zer¬<lb/> ſchneiden und dadurch veranlaſſen, daß ſie gemeiniglich nur von<lb/> kurzer Dauer ſind und auch quantitativ nicht ſo heftig ſich ent¬<lb/> laden als im Flachlande oder auf offenem Meere. 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Hoch-Gewitter.
ſelten als jene, meilengroße Flächen zugleich überdeckende, elektriſch-
geladene Dunſt-Meere, wie ſie allſommerlich das flache Land be¬
drohen; die hochaufragenden Gebirgszüge werden zu trennenden
Keilen, welche die Gewitter in viele Special-Wolkenladungen zer¬
ſchneiden und dadurch veranlaſſen, daß ſie gemeiniglich nur von
kurzer Dauer ſind und auch quantitativ nicht ſo heftig ſich ent¬
laden als im Flachlande oder auf offenem Meere. Die durch raſchen
Temperaturwechſel eben ſo raſch abgekühlten Luftſchichten und die
Ausgleichungsbeſtrebungen derſelben mittelſt der als natürliche Luft-
Ventile der Thäler anzuſehenden Windſtrömungen, tragen die Ge¬
witter-geſättigten Wolken gewöhnlich ziemlich ſchnell durch eine
Gebirgsgegend hindurch, ſo daß die Summe der nur ſehr kurze
Zeit dauernden elektriſchen Entladungen im Gebirge mindeſtens
dreimal ſo groß iſt als die der mit Andauer und Gemächlichkeit
ſich austobenden Wetter. Dies iſt das normale Verhältniß, wel¬
ches indeſſen keineswegs ausſchließt, daß es einzelne Koryphäen von
Gewittern geben kann, welche über große Theile des Alpenlandes
zu gleicher Zeit ihre verderbenbergende Wolkendecke ausbreiten.
Der eklatanteſte Fall aus neueſter Zeit iſt das berühmte Gewitter
vom 24. Juni 1859, welches bekanntlich die Schlacht von Solfe¬
rino (Lombardei) unterbrach und um die gleiche Stunde in allen
Gauen der Schweizer und Savoyer Alpen mit unerhörter Wildheit
toſte. Nicht minder denkwürdig iſt jenes ältere vom 27. Auguſt
1834, welches von Südweſt aufziehend, faſt den ganzen Kanton
Graubünden und viele benachbarte Länder, alſo mindeſtens eine
Fläche von einigen hundert Quadratmeilen verheerend heimſuchte.
Dagegen ſind die Gebirgsgewitter als individuelle meteoriſche
Erſcheinungen weit großartiger, impoſanter, man möchte faſt ſagen
theatraliſch-pomphafter und in ihren Schlag- und Knall-Effekten
draſtiſcher als im Tieflande. Schon die Introduktion, mit welcher
ein ſolches aufzieht, iſt weit dramatiſcher, die Erwartungen ſteigern¬
der als in der Ebene. Dort (in der Ebene) bereitet ſich das Ge¬
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