Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Die Rüfe . biosen (Scabiosa columbaria), der gelbe Sichel-Klee (Medicagofalcata) und die prangend blauen Kerzen der Wiesen-Salbey (Salvia pratensis) im Juni und Juli als charakteristisch-kolorirende Pflanzen auftreten. O, so ein Schlenderweg in einem dieser paradiesischen Alpenwinkel bei goldig-sonniger Beleuchtung, wo ein wogender Blumen-Ocean die Stätten wilder Zerstörung zu überwuchern sich bestrebt, wo weitarmig-ausgreifende Nußbäume ihren hohen Blätter¬ frieden wölben und der süßduftende Hollunder, dieses ewig an Kleists Käthchen erinnernde Attribut mittelalterlicher Burgen-Roman¬ tik, seine schweren Blüthendolden in zuvor kaum gesehener Menge ausstreut, -- wo der Fernblick in ein Berg- und Thal-Panorama ver¬ sinkt, bei dessen Ansicht die Seele hellaufjauchzend, sich in die Natur ergießen möchte, -- so ein Schlenderweg, nicht allenthalben zu finden, ist für Jeden, der offenen Sinn und herzliche Freude an Gottes großer, herrlicher Alpenwelt hat, ein unschätzbares Kleinod. Weiter! -- Wie sichs die Bündner Bauern zu Nutz machen Die Rüfe . bioſen (Scabiosa columbaria), der gelbe Sichel-Klee (Medicagofalcata) und die prangend blauen Kerzen der Wieſen-Salbey (Salvia pratensis) im Juni und Juli als charakteriſtiſch-kolorirende Pflanzen auftreten. O, ſo ein Schlenderweg in einem dieſer paradieſiſchen Alpenwinkel bei goldig-ſonniger Beleuchtung, wo ein wogender Blumen-Ocean die Stätten wilder Zerſtörung zu überwuchern ſich beſtrebt, wo weitarmig-ausgreifende Nußbäume ihren hohen Blätter¬ frieden wölben und der ſüßduftende Hollunder, dieſes ewig an Kleiſts Käthchen erinnernde Attribut mittelalterlicher Burgen-Roman¬ tik, ſeine ſchweren Blüthendolden in zuvor kaum geſehener Menge ausſtreut, — wo der Fernblick in ein Berg- und Thal-Panorama ver¬ ſinkt, bei deſſen Anſicht die Seele hellaufjauchzend, ſich in die Natur ergießen möchte, — ſo ein Schlenderweg, nicht allenthalben zu finden, iſt für Jeden, der offenen Sinn und herzliche Freude an Gottes großer, herrlicher Alpenwelt hat, ein unſchätzbares Kleinod. Weiter! — Wie ſichs die Bündner Bauern zu Nutz machen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0216" n="188"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Die Rüfe</hi><hi rendition="#g">.</hi><lb/></fw> bioſen (<hi rendition="#aq">Scabiosa columbaria</hi>), der gelbe Sichel-Klee (<hi rendition="#aq">Medicago<lb/> falcata</hi>) und die prangend blauen Kerzen der Wieſen-Salbey (<hi rendition="#aq">Salvia<lb/> pratensis</hi>) im Juni und Juli als charakteriſtiſch-kolorirende Pflanzen<lb/> auftreten. O, ſo ein Schlenderweg in einem dieſer paradieſiſchen<lb/> Alpenwinkel bei goldig-ſonniger Beleuchtung, wo ein wogender<lb/> Blumen-Ocean die Stätten wilder Zerſtörung zu überwuchern ſich<lb/> beſtrebt, wo weitarmig-ausgreifende Nußbäume ihren hohen Blätter¬<lb/> frieden wölben und der ſüßduftende Hollunder, dieſes ewig an<lb/> Kleiſts Käthchen erinnernde Attribut mittelalterlicher Burgen-Roman¬<lb/> tik, ſeine ſchweren Blüthendolden in zuvor kaum geſehener Menge<lb/> ausſtreut, — wo der Fernblick in ein Berg- und Thal-Panorama ver¬<lb/> ſinkt, bei deſſen Anſicht die Seele hellaufjauchzend, ſich in die Natur<lb/> ergießen möchte, — ſo ein Schlenderweg, nicht allenthalben zu<lb/> finden, iſt für Jeden, der offenen Sinn und herzliche Freude an<lb/> Gottes großer, herrlicher Alpenwelt hat, ein unſchätzbares Kleinod.</p><lb/> <p>Weiter! — Wie ſichs die Bündner Bauern zu Nutz machen<lb/> und das Nützliche mit dem Nützlichen verbinden, das ſieht man<lb/> hier; — wo Andere an der Gränze ihrer Grundſtücke Holzhage<lb/> aufführen, die ſie alljährlich korrigiren und ausbeſſern müſſen, da<lb/> lieſt der Bewohner des Hochgerichts der fünf Dörfer (ſo heißt die<lb/> Gegend zwiſchen Chur und der Landquart) die herabgeſchwemmten,<lb/> ſein Nutzland verderbenden Steine auf und baut bruſthohe Mauern<lb/> daraus. Das trifft man übrigens in anderen Thälern auch. Auf<lb/> dieſen Mauern und aus den Spalten derſelben quellen in dichter<lb/> Fülle der ſaftige weißblühende Mauerpfeffer (<hi rendition="#aq">Sedum album</hi>), ſeiner<lb/> dicken körnerartigen Blätter halber auch „Steinweizen“ genannt, —<lb/> und daneben ſein Zunft-Kumpan, der blendend-goldgelb-blühende<lb/> ſcharfe Mauerpfeffer (<hi rendition="#aq">Sedum acre</hi>), ein fröhlich wucherndes fettes<lb/> Felſenpflänzchen mit tropiſchem Habitus. Darunter in ernſterer<lb/> Färbung die faſt peterſilienartig ausſehende gemeine Mauerraute<lb/> (<hi rendition="#aq">Asplenium ruta muraria</hi>) und eines der netteſten Farrenkräuter,<lb/> die es giebt, das reizende, kleine, ſchmale Palmenzweiglein dar¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [188/0216]
Die Rüfe .
bioſen (Scabiosa columbaria), der gelbe Sichel-Klee (Medicago
falcata) und die prangend blauen Kerzen der Wieſen-Salbey (Salvia
pratensis) im Juni und Juli als charakteriſtiſch-kolorirende Pflanzen
auftreten. O, ſo ein Schlenderweg in einem dieſer paradieſiſchen
Alpenwinkel bei goldig-ſonniger Beleuchtung, wo ein wogender
Blumen-Ocean die Stätten wilder Zerſtörung zu überwuchern ſich
beſtrebt, wo weitarmig-ausgreifende Nußbäume ihren hohen Blätter¬
frieden wölben und der ſüßduftende Hollunder, dieſes ewig an
Kleiſts Käthchen erinnernde Attribut mittelalterlicher Burgen-Roman¬
tik, ſeine ſchweren Blüthendolden in zuvor kaum geſehener Menge
ausſtreut, — wo der Fernblick in ein Berg- und Thal-Panorama ver¬
ſinkt, bei deſſen Anſicht die Seele hellaufjauchzend, ſich in die Natur
ergießen möchte, — ſo ein Schlenderweg, nicht allenthalben zu
finden, iſt für Jeden, der offenen Sinn und herzliche Freude an
Gottes großer, herrlicher Alpenwelt hat, ein unſchätzbares Kleinod.
Weiter! — Wie ſichs die Bündner Bauern zu Nutz machen
und das Nützliche mit dem Nützlichen verbinden, das ſieht man
hier; — wo Andere an der Gränze ihrer Grundſtücke Holzhage
aufführen, die ſie alljährlich korrigiren und ausbeſſern müſſen, da
lieſt der Bewohner des Hochgerichts der fünf Dörfer (ſo heißt die
Gegend zwiſchen Chur und der Landquart) die herabgeſchwemmten,
ſein Nutzland verderbenden Steine auf und baut bruſthohe Mauern
daraus. Das trifft man übrigens in anderen Thälern auch. Auf
dieſen Mauern und aus den Spalten derſelben quellen in dichter
Fülle der ſaftige weißblühende Mauerpfeffer (Sedum album), ſeiner
dicken körnerartigen Blätter halber auch „Steinweizen“ genannt, —
und daneben ſein Zunft-Kumpan, der blendend-goldgelb-blühende
ſcharfe Mauerpfeffer (Sedum acre), ein fröhlich wucherndes fettes
Felſenpflänzchen mit tropiſchem Habitus. Darunter in ernſterer
Färbung die faſt peterſilienartig ausſehende gemeine Mauerraute
(Asplenium ruta muraria) und eines der netteſten Farrenkräuter,
die es giebt, das reizende, kleine, ſchmale Palmenzweiglein dar¬
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