Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Das Alpengebäude. den Gewässern zur lebensvollen Entwickelung gelangten Thiere undPflanzen und begrub dieselben in ihren Ablagerungsschichten. Ganze Generationen von Organismen, die in unseren Zeiten nicht mehr existiren, gingen mit ihnen unter. Diese eingeschlossenen Zeugen der verschiedenen Epochen organischen Lebens (jetzt als Versteine¬ rungen oder Petrefakten und Pflanzenabdrücke in den Gebirgs¬ schichten gefunden) wurden die Erkennungszeichen und Merkmale, nach denen die Wissenschaft der Geologie die Blätter ihrer Schöpfungsgeschichte ordnet. Die Reihefolge derselben ist, wo sie nicht gewaltsam gestört wurde, übers ganze Erdenrund die gleiche. Es müssen also die älteren und ältesten Ablagerungen oder "Sedi¬ ment-Gebilde" zu unterst und die je später erfolgten jederzeit dar¬ über liegen. Also stellt es sich auch im Alpenlande und in seiner Umgebung dar. Eine Wanderung bergwärts von Süddeutschland aus führt Das Alpengebäude. den Gewäſſern zur lebensvollen Entwickelung gelangten Thiere undPflanzen und begrub dieſelben in ihren Ablagerungsſchichten. Ganze Generationen von Organismen, die in unſeren Zeiten nicht mehr exiſtiren, gingen mit ihnen unter. Dieſe eingeſchloſſenen Zeugen der verſchiedenen Epochen organiſchen Lebens (jetzt als Verſteine¬ rungen oder Petrefakten und Pflanzenabdrücke in den Gebirgs¬ ſchichten gefunden) wurden die Erkennungszeichen und Merkmale, nach denen die Wiſſenſchaft der Geologie die Blätter ihrer Schöpfungsgeſchichte ordnet. Die Reihefolge derſelben iſt, wo ſie nicht gewaltſam geſtört wurde, übers ganze Erdenrund die gleiche. Es müſſen alſo die älteren und älteſten Ablagerungen oder „Sedi¬ ment-Gebilde“ zu unterſt und die je ſpäter erfolgten jederzeit dar¬ über liegen. Alſo ſtellt es ſich auch im Alpenlande und in ſeiner Umgebung dar. Eine Wanderung bergwärts von Süddeutſchland aus führt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Das Alpengebäude</hi>.<lb/></fw> den Gewäſſern zur lebensvollen Entwickelung gelangten Thiere und<lb/> Pflanzen und begrub dieſelben in ihren Ablagerungsſchichten. Ganze<lb/> Generationen von Organismen, die in unſeren Zeiten nicht mehr<lb/> exiſtiren, gingen mit ihnen unter. Dieſe eingeſchloſſenen Zeugen<lb/> der verſchiedenen Epochen organiſchen Lebens (jetzt als Verſteine¬<lb/> rungen oder Petrefakten und Pflanzenabdrücke in den Gebirgs¬<lb/> ſchichten gefunden) wurden die Erkennungszeichen und Merkmale,<lb/> nach denen die Wiſſenſchaft der Geologie die Blätter ihrer<lb/> Schöpfungsgeſchichte ordnet. Die Reihefolge derſelben iſt, wo ſie<lb/> nicht gewaltſam geſtört wurde, übers ganze Erdenrund die gleiche.<lb/> Es müſſen alſo die älteren und älteſten Ablagerungen oder „Sedi¬<lb/> ment-Gebilde“ zu unterſt und die je ſpäter erfolgten jederzeit dar¬<lb/> über liegen. Alſo ſtellt es ſich auch im Alpenlande und in ſeiner<lb/> Umgebung dar.</p><lb/> <p>Eine Wanderung bergwärts von Süddeutſchland aus führt<lb/> uns durch die geologiſchen Gebiete aller Hauptepochen und iſt am<lb/> Beſten geeignet, die Entwickelungselemente und deren Gliederung<lb/> vorzuführen. Die große bayeriſche Ackerbau-Ebene zwiſchen Donau<lb/> und Inn, die Flächen von Nürnberg, Ulm, Augsburg, München<lb/> bis in die Nähe von Paſſau, gehören den jüngſten Ablagerungen<lb/> oder <hi rendition="#g">Alluvial-Gebilden</hi> an; überall, wo man durch die fort¬<lb/> dauernden Humus-Bildungen einen Spatenſtich ins Erdreich thut,<lb/> kommt man auf Kiesgruben, Schuttablagerungen oder torfähnliche<lb/> Unterlagen. Unter dieſen zeigen ſich <hi rendition="#g">Diluvial-Gebilde</hi>, theils<lb/> geſchichtete, theils ungeſchichtete Lager von Blöcken, namentlich auch<lb/> ſogenannte erratiſche Schichten. Steinbrüche ſind ſo ſelten, daß<lb/> man in den Dorffluren mancher Gegenden <hi rendition="#g">hölzerne</hi> Grenz<hi rendition="#g">ſteine</hi><lb/> ſetzt. — Ein Schritt weiter ſüdwärts bringt uns in bergiges<lb/> Terrain, ins Bayeriſche Hochland, ins Allgäu, an den Bodenſee<lb/> und in das größte und breiteſte Thal Europas, in das Schwei¬<lb/> zeriſche Mittelland (zwiſchen Jura und Alpen), in welchem Zürich,<lb/> Bern, Freiburg und Lauſanne liegen. Wieſe und Wald wechſelt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0025]
Das Alpengebäude.
den Gewäſſern zur lebensvollen Entwickelung gelangten Thiere und
Pflanzen und begrub dieſelben in ihren Ablagerungsſchichten. Ganze
Generationen von Organismen, die in unſeren Zeiten nicht mehr
exiſtiren, gingen mit ihnen unter. Dieſe eingeſchloſſenen Zeugen
der verſchiedenen Epochen organiſchen Lebens (jetzt als Verſteine¬
rungen oder Petrefakten und Pflanzenabdrücke in den Gebirgs¬
ſchichten gefunden) wurden die Erkennungszeichen und Merkmale,
nach denen die Wiſſenſchaft der Geologie die Blätter ihrer
Schöpfungsgeſchichte ordnet. Die Reihefolge derſelben iſt, wo ſie
nicht gewaltſam geſtört wurde, übers ganze Erdenrund die gleiche.
Es müſſen alſo die älteren und älteſten Ablagerungen oder „Sedi¬
ment-Gebilde“ zu unterſt und die je ſpäter erfolgten jederzeit dar¬
über liegen. Alſo ſtellt es ſich auch im Alpenlande und in ſeiner
Umgebung dar.
Eine Wanderung bergwärts von Süddeutſchland aus führt
uns durch die geologiſchen Gebiete aller Hauptepochen und iſt am
Beſten geeignet, die Entwickelungselemente und deren Gliederung
vorzuführen. Die große bayeriſche Ackerbau-Ebene zwiſchen Donau
und Inn, die Flächen von Nürnberg, Ulm, Augsburg, München
bis in die Nähe von Paſſau, gehören den jüngſten Ablagerungen
oder Alluvial-Gebilden an; überall, wo man durch die fort¬
dauernden Humus-Bildungen einen Spatenſtich ins Erdreich thut,
kommt man auf Kiesgruben, Schuttablagerungen oder torfähnliche
Unterlagen. Unter dieſen zeigen ſich Diluvial-Gebilde, theils
geſchichtete, theils ungeſchichtete Lager von Blöcken, namentlich auch
ſogenannte erratiſche Schichten. Steinbrüche ſind ſo ſelten, daß
man in den Dorffluren mancher Gegenden hölzerne Grenzſteine
ſetzt. — Ein Schritt weiter ſüdwärts bringt uns in bergiges
Terrain, ins Bayeriſche Hochland, ins Allgäu, an den Bodenſee
und in das größte und breiteſte Thal Europas, in das Schwei¬
zeriſche Mittelland (zwiſchen Jura und Alpen), in welchem Zürich,
Bern, Freiburg und Lauſanne liegen. Wieſe und Wald wechſelt
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