Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Alpengebäude.
den Gewässern zur lebensvollen Entwickelung gelangten Thiere und
Pflanzen und begrub dieselben in ihren Ablagerungsschichten. Ganze
Generationen von Organismen, die in unseren Zeiten nicht mehr
existiren, gingen mit ihnen unter. Diese eingeschlossenen Zeugen
der verschiedenen Epochen organischen Lebens (jetzt als Versteine¬
rungen oder Petrefakten und Pflanzenabdrücke in den Gebirgs¬
schichten gefunden) wurden die Erkennungszeichen und Merkmale,
nach denen die Wissenschaft der Geologie die Blätter ihrer
Schöpfungsgeschichte ordnet. Die Reihefolge derselben ist, wo sie
nicht gewaltsam gestört wurde, übers ganze Erdenrund die gleiche.
Es müssen also die älteren und ältesten Ablagerungen oder "Sedi¬
ment-Gebilde" zu unterst und die je später erfolgten jederzeit dar¬
über liegen. Also stellt es sich auch im Alpenlande und in seiner
Umgebung dar.

Eine Wanderung bergwärts von Süddeutschland aus führt
uns durch die geologischen Gebiete aller Hauptepochen und ist am
Besten geeignet, die Entwickelungselemente und deren Gliederung
vorzuführen. Die große bayerische Ackerbau-Ebene zwischen Donau
und Inn, die Flächen von Nürnberg, Ulm, Augsburg, München
bis in die Nähe von Passau, gehören den jüngsten Ablagerungen
oder Alluvial-Gebilden an; überall, wo man durch die fort¬
dauernden Humus-Bildungen einen Spatenstich ins Erdreich thut,
kommt man auf Kiesgruben, Schuttablagerungen oder torfähnliche
Unterlagen. Unter diesen zeigen sich Diluvial-Gebilde, theils
geschichtete, theils ungeschichtete Lager von Blöcken, namentlich auch
sogenannte erratische Schichten. Steinbrüche sind so selten, daß
man in den Dorffluren mancher Gegenden hölzerne Grenzsteine
setzt. -- Ein Schritt weiter südwärts bringt uns in bergiges
Terrain, ins Bayerische Hochland, ins Allgäu, an den Bodensee
und in das größte und breiteste Thal Europas, in das Schwei¬
zerische Mittelland (zwischen Jura und Alpen), in welchem Zürich,
Bern, Freiburg und Lausanne liegen. Wiese und Wald wechselt

Das Alpengebäude.
den Gewäſſern zur lebensvollen Entwickelung gelangten Thiere und
Pflanzen und begrub dieſelben in ihren Ablagerungsſchichten. Ganze
Generationen von Organismen, die in unſeren Zeiten nicht mehr
exiſtiren, gingen mit ihnen unter. Dieſe eingeſchloſſenen Zeugen
der verſchiedenen Epochen organiſchen Lebens (jetzt als Verſteine¬
rungen oder Petrefakten und Pflanzenabdrücke in den Gebirgs¬
ſchichten gefunden) wurden die Erkennungszeichen und Merkmale,
nach denen die Wiſſenſchaft der Geologie die Blätter ihrer
Schöpfungsgeſchichte ordnet. Die Reihefolge derſelben iſt, wo ſie
nicht gewaltſam geſtört wurde, übers ganze Erdenrund die gleiche.
Es müſſen alſo die älteren und älteſten Ablagerungen oder „Sedi¬
ment-Gebilde“ zu unterſt und die je ſpäter erfolgten jederzeit dar¬
über liegen. Alſo ſtellt es ſich auch im Alpenlande und in ſeiner
Umgebung dar.

Eine Wanderung bergwärts von Süddeutſchland aus führt
uns durch die geologiſchen Gebiete aller Hauptepochen und iſt am
Beſten geeignet, die Entwickelungselemente und deren Gliederung
vorzuführen. Die große bayeriſche Ackerbau-Ebene zwiſchen Donau
und Inn, die Flächen von Nürnberg, Ulm, Augsburg, München
bis in die Nähe von Paſſau, gehören den jüngſten Ablagerungen
oder Alluvial-Gebilden an; überall, wo man durch die fort¬
dauernden Humus-Bildungen einen Spatenſtich ins Erdreich thut,
kommt man auf Kiesgruben, Schuttablagerungen oder torfähnliche
Unterlagen. Unter dieſen zeigen ſich Diluvial-Gebilde, theils
geſchichtete, theils ungeſchichtete Lager von Blöcken, namentlich auch
ſogenannte erratiſche Schichten. Steinbrüche ſind ſo ſelten, daß
man in den Dorffluren mancher Gegenden hölzerne Grenzſteine
ſetzt. — Ein Schritt weiter ſüdwärts bringt uns in bergiges
Terrain, ins Bayeriſche Hochland, ins Allgäu, an den Bodenſee
und in das größte und breiteſte Thal Europas, in das Schwei¬
zeriſche Mittelland (zwiſchen Jura und Alpen), in welchem Zürich,
Bern, Freiburg und Lauſanne liegen. Wieſe und Wald wechſelt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Das Alpengebäude</hi>.<lb/></fw> den Gewä&#x017F;&#x017F;ern zur lebensvollen Entwickelung gelangten Thiere und<lb/>
Pflanzen und begrub die&#x017F;elben in ihren Ablagerungs&#x017F;chichten. Ganze<lb/>
Generationen von Organismen, die in un&#x017F;eren Zeiten nicht mehr<lb/>
exi&#x017F;tiren, gingen mit ihnen unter. Die&#x017F;e einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Zeugen<lb/>
der ver&#x017F;chiedenen Epochen organi&#x017F;chen Lebens (jetzt als Ver&#x017F;teine¬<lb/>
rungen oder Petrefakten und Pflanzenabdrücke in den Gebirgs¬<lb/>
&#x017F;chichten gefunden) wurden die Erkennungszeichen und Merkmale,<lb/>
nach denen die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft der Geologie die Blätter ihrer<lb/>
Schöpfungsge&#x017F;chichte ordnet. Die Reihefolge der&#x017F;elben i&#x017F;t, wo &#x017F;ie<lb/>
nicht gewalt&#x017F;am ge&#x017F;tört wurde, übers ganze Erdenrund die gleiche.<lb/>
Es mü&#x017F;&#x017F;en al&#x017F;o die älteren und älte&#x017F;ten Ablagerungen oder &#x201E;Sedi¬<lb/>
ment-Gebilde&#x201C; zu unter&#x017F;t und die je &#x017F;päter erfolgten jederzeit dar¬<lb/>
über liegen. Al&#x017F;o &#x017F;tellt es &#x017F;ich auch im Alpenlande und in &#x017F;einer<lb/>
Umgebung dar.</p><lb/>
        <p>Eine Wanderung bergwärts von Süddeut&#x017F;chland aus führt<lb/>
uns durch die geologi&#x017F;chen Gebiete aller Hauptepochen und i&#x017F;t am<lb/>
Be&#x017F;ten geeignet, die Entwickelungselemente und deren Gliederung<lb/>
vorzuführen. Die große bayeri&#x017F;che Ackerbau-Ebene zwi&#x017F;chen Donau<lb/>
und Inn, die Flächen von Nürnberg, Ulm, Augsburg, München<lb/>
bis in die Nähe von Pa&#x017F;&#x017F;au, gehören den jüng&#x017F;ten Ablagerungen<lb/>
oder <hi rendition="#g">Alluvial-Gebilden</hi> an; überall, wo man durch die fort¬<lb/>
dauernden Humus-Bildungen einen Spaten&#x017F;tich ins Erdreich thut,<lb/>
kommt man auf Kiesgruben, Schuttablagerungen oder torfähnliche<lb/>
Unterlagen. Unter die&#x017F;en zeigen &#x017F;ich <hi rendition="#g">Diluvial-Gebilde</hi>, theils<lb/>
ge&#x017F;chichtete, theils unge&#x017F;chichtete Lager von Blöcken, namentlich auch<lb/>
&#x017F;ogenannte errati&#x017F;che Schichten. Steinbrüche &#x017F;ind &#x017F;o &#x017F;elten, daß<lb/>
man in den Dorffluren mancher Gegenden <hi rendition="#g">hölzerne</hi> Grenz<hi rendition="#g">&#x017F;teine</hi><lb/>
&#x017F;etzt. &#x2014; Ein Schritt weiter &#x017F;üdwärts bringt uns in bergiges<lb/>
Terrain, ins Bayeri&#x017F;che Hochland, ins Allgäu, an den Boden&#x017F;ee<lb/>
und in das größte und breite&#x017F;te Thal Europas, in das Schwei¬<lb/>
zeri&#x017F;che Mittelland (zwi&#x017F;chen Jura und Alpen), in welchem Zürich,<lb/>
Bern, Freiburg und Lau&#x017F;anne liegen. Wie&#x017F;e und Wald wech&#x017F;elt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0025] Das Alpengebäude. den Gewäſſern zur lebensvollen Entwickelung gelangten Thiere und Pflanzen und begrub dieſelben in ihren Ablagerungsſchichten. Ganze Generationen von Organismen, die in unſeren Zeiten nicht mehr exiſtiren, gingen mit ihnen unter. Dieſe eingeſchloſſenen Zeugen der verſchiedenen Epochen organiſchen Lebens (jetzt als Verſteine¬ rungen oder Petrefakten und Pflanzenabdrücke in den Gebirgs¬ ſchichten gefunden) wurden die Erkennungszeichen und Merkmale, nach denen die Wiſſenſchaft der Geologie die Blätter ihrer Schöpfungsgeſchichte ordnet. Die Reihefolge derſelben iſt, wo ſie nicht gewaltſam geſtört wurde, übers ganze Erdenrund die gleiche. Es müſſen alſo die älteren und älteſten Ablagerungen oder „Sedi¬ ment-Gebilde“ zu unterſt und die je ſpäter erfolgten jederzeit dar¬ über liegen. Alſo ſtellt es ſich auch im Alpenlande und in ſeiner Umgebung dar. Eine Wanderung bergwärts von Süddeutſchland aus führt uns durch die geologiſchen Gebiete aller Hauptepochen und iſt am Beſten geeignet, die Entwickelungselemente und deren Gliederung vorzuführen. Die große bayeriſche Ackerbau-Ebene zwiſchen Donau und Inn, die Flächen von Nürnberg, Ulm, Augsburg, München bis in die Nähe von Paſſau, gehören den jüngſten Ablagerungen oder Alluvial-Gebilden an; überall, wo man durch die fort¬ dauernden Humus-Bildungen einen Spatenſtich ins Erdreich thut, kommt man auf Kiesgruben, Schuttablagerungen oder torfähnliche Unterlagen. Unter dieſen zeigen ſich Diluvial-Gebilde, theils geſchichtete, theils ungeſchichtete Lager von Blöcken, namentlich auch ſogenannte erratiſche Schichten. Steinbrüche ſind ſo ſelten, daß man in den Dorffluren mancher Gegenden hölzerne Grenzſteine ſetzt. — Ein Schritt weiter ſüdwärts bringt uns in bergiges Terrain, ins Bayeriſche Hochland, ins Allgäu, an den Bodenſee und in das größte und breiteſte Thal Europas, in das Schwei¬ zeriſche Mittelland (zwiſchen Jura und Alpen), in welchem Zürich, Bern, Freiburg und Lauſanne liegen. Wieſe und Wald wechſelt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/25
Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/25>, abgerufen am 21.11.2024.