Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Alpenspitzen. gieb wohl kaum eine namhafte bedeutende Alpenspitze, deren Ba¬sis nicht von einem Eisstrom umschlungen ist oder an deren Flan¬ ken nicht ein solcher mehr oder minder ausgebildet herabgleitet. -- Das Umgehen der Spalten ist, wo man den Gletscher übersehen kann, eine zwar langweilige, aber in der Regel gefahrlose Aufgabe. Indessen giebt es auch ungleiche, gewissermaßen gehügelte Gletscher, wie z. B. ob dem Glacier de la Vanoise (zwischen Mont Cenis und dem Iserethal), auf denen man durchaus keine bestimmten Di¬ rektionslinien einhalten kann. Die Verirrung auf einem solchen querspaltenreichen Gletscherfelde kann unter Umständen in die ge¬ fährlichsten Situationen führen, weil bei der fast absoluten Aehn¬ lichkeit der Spalten untereinander das Erkennen einer zweckdien¬ lichen Avancir-Linie ebenso schwer ist als das Wiederherausfinden des Rückweges. Ueberfällt Unkundige in solch einem Labyrinth der Nebel, dann dürfen sie von großem Glück sagen, wenn sie sich her¬ ausfinden. Höchst wahrscheinlich sind die Ende August 1849 mysteriös Nicht minder gefährlich als die Gletscherspalten sind die un¬ Alpenſpitzen. gieb wohl kaum eine namhafte bedeutende Alpenſpitze, deren Ba¬ſis nicht von einem Eisſtrom umſchlungen iſt oder an deren Flan¬ ken nicht ein ſolcher mehr oder minder ausgebildet herabgleitet. — Das Umgehen der Spalten iſt, wo man den Gletſcher überſehen kann, eine zwar langweilige, aber in der Regel gefahrloſe Aufgabe. Indeſſen giebt es auch ungleiche, gewiſſermaßen gehügelte Gletſcher, wie z. B. ob dem Glacier de la Vanoise (zwiſchen Mont Cenis und dem Iſèrethal), auf denen man durchaus keine beſtimmten Di¬ rektionslinien einhalten kann. Die Verirrung auf einem ſolchen querſpaltenreichen Gletſcherfelde kann unter Umſtänden in die ge¬ fährlichſten Situationen führen, weil bei der faſt abſoluten Aehn¬ lichkeit der Spalten untereinander das Erkennen einer zweckdien¬ lichen Avancir-Linie ebenſo ſchwer iſt als das Wiederherausfinden des Rückweges. Ueberfällt Unkundige in ſolch einem Labyrinth der Nebel, dann dürfen ſie von großem Glück ſagen, wenn ſie ſich her¬ ausfinden. Höchſt wahrſcheinlich ſind die Ende Auguſt 1849 myſteriös Nicht minder gefährlich als die Gletſcherſpalten ſind die un¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0290" n="256"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Alpenſpitzen</hi>.<lb/></fw> gieb wohl kaum eine namhafte bedeutende Alpenſpitze, deren Ba¬<lb/> ſis nicht von einem Eisſtrom umſchlungen iſt oder an deren Flan¬<lb/> ken nicht ein ſolcher mehr oder minder ausgebildet herabgleitet. —<lb/> Das Umgehen der Spalten iſt, wo man den Gletſcher überſehen<lb/> kann, eine zwar langweilige, aber in der Regel gefahrloſe Aufgabe.<lb/> Indeſſen giebt es auch ungleiche, gewiſſermaßen gehügelte Gletſcher,<lb/> wie z. B. ob dem <hi rendition="#aq">Glacier de la Vanoise</hi> (zwiſchen Mont Cenis<lb/> und dem Iſ<hi rendition="#aq">è</hi>rethal), auf denen man durchaus keine beſtimmten Di¬<lb/> rektionslinien einhalten kann. Die Verirrung auf einem ſolchen<lb/> querſpaltenreichen Gletſcherfelde kann unter Umſtänden in die ge¬<lb/> fährlichſten Situationen führen, weil bei der faſt abſoluten Aehn¬<lb/> lichkeit der Spalten untereinander das Erkennen einer zweckdien¬<lb/> lichen Avancir-Linie ebenſo ſchwer iſt als das Wiederherausfinden<lb/> des Rückweges. Ueberfällt Unkundige in ſolch einem Labyrinth der<lb/> Nebel, dann dürfen ſie von großem Glück ſagen, wenn ſie ſich her¬<lb/> ausfinden.</p><lb/> <p>Höchſt wahrſcheinlich ſind die Ende Auguſt 1849 myſteriös<lb/> auf dem Griesgletſcher (Paß aus Ober-Wallis nach dem Val<lb/> Formazza) verſchwundenen Reiſenden (Gebrüder Leonard aus Paris<lb/> und <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Wolfrath aus Frankfurt), — von denen man eine Zeit¬<lb/> lang fabelte, der ehemalige Grimſelwirth Peter Zybach habe ſie berau¬<lb/> ben und ermorden laſſen, — einem ſolchen Umſtande erlegen. Je<lb/> ſpäter im Sommer man die Gletſcher-Region betritt, um ſo zer¬<lb/> klüfteter wird man dieſelbe antreffen.</p><lb/> <p>Nicht minder gefährlich als die Gletſcherſpalten ſind die un¬<lb/> kennbar dieſelben überwölbenden ſ. g. <hi rendition="#g">Schneebrücken</hi>. Sie ent¬<lb/> ſtehen bei andauerndem Schneefall durch die gleiche wunderbare<lb/> Aggregation einzelner Flocken und Eiskryſtällchen, welche auch im<lb/> Tieflande den Gartengeländern oder einzeln ſtehenden Pfählen und<lb/> Pfoſten ſchiefe überhängende Schneehauben aufſetzt oder im Ge¬<lb/> birge die lauinen-veranlaſſenden Schneeſchilder formt. Wenn der<lb/> ganze Gletſcher von neugefallenem Schnee bedeckt iſt, ſo ſind ſolche<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [256/0290]
Alpenſpitzen.
gieb wohl kaum eine namhafte bedeutende Alpenſpitze, deren Ba¬
ſis nicht von einem Eisſtrom umſchlungen iſt oder an deren Flan¬
ken nicht ein ſolcher mehr oder minder ausgebildet herabgleitet. —
Das Umgehen der Spalten iſt, wo man den Gletſcher überſehen
kann, eine zwar langweilige, aber in der Regel gefahrloſe Aufgabe.
Indeſſen giebt es auch ungleiche, gewiſſermaßen gehügelte Gletſcher,
wie z. B. ob dem Glacier de la Vanoise (zwiſchen Mont Cenis
und dem Iſèrethal), auf denen man durchaus keine beſtimmten Di¬
rektionslinien einhalten kann. Die Verirrung auf einem ſolchen
querſpaltenreichen Gletſcherfelde kann unter Umſtänden in die ge¬
fährlichſten Situationen führen, weil bei der faſt abſoluten Aehn¬
lichkeit der Spalten untereinander das Erkennen einer zweckdien¬
lichen Avancir-Linie ebenſo ſchwer iſt als das Wiederherausfinden
des Rückweges. Ueberfällt Unkundige in ſolch einem Labyrinth der
Nebel, dann dürfen ſie von großem Glück ſagen, wenn ſie ſich her¬
ausfinden.
Höchſt wahrſcheinlich ſind die Ende Auguſt 1849 myſteriös
auf dem Griesgletſcher (Paß aus Ober-Wallis nach dem Val
Formazza) verſchwundenen Reiſenden (Gebrüder Leonard aus Paris
und Dr. Wolfrath aus Frankfurt), — von denen man eine Zeit¬
lang fabelte, der ehemalige Grimſelwirth Peter Zybach habe ſie berau¬
ben und ermorden laſſen, — einem ſolchen Umſtande erlegen. Je
ſpäter im Sommer man die Gletſcher-Region betritt, um ſo zer¬
klüfteter wird man dieſelbe antreffen.
Nicht minder gefährlich als die Gletſcherſpalten ſind die un¬
kennbar dieſelben überwölbenden ſ. g. Schneebrücken. Sie ent¬
ſtehen bei andauerndem Schneefall durch die gleiche wunderbare
Aggregation einzelner Flocken und Eiskryſtällchen, welche auch im
Tieflande den Gartengeländern oder einzeln ſtehenden Pfählen und
Pfoſten ſchiefe überhängende Schneehauben aufſetzt oder im Ge¬
birge die lauinen-veranlaſſenden Schneeſchilder formt. Wenn der
ganze Gletſcher von neugefallenem Schnee bedeckt iſt, ſo ſind ſolche
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |