Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Das Alpengebäude. nach Amsteg zu, wo deutlich die nach Norden abfallenden Kalk¬schichten auf dem steil gen Süden einsinkenden Gneismassen la¬ gern. Hier also begegnen wir den ersten sichtbaren Spuren jener furchtbaren Hebel, welche das ganze große, herrliche Alpengebäude mittel- oder unmittelbar aufrichteten. Die Schieferdecke ist auf un¬ geheuere Strecken hin zersprengt, zerrissen, verworfen, mit empor¬ gehoben, umgebogen oder durch die Feuereinwirkungen in ihren Grundstoffen verwandelt. Nur in Savoyen in einem Theile des Arve-Thales, in Piemont in den Thalgebieten der obern Isere und der Dora-Baltea, im südlichen Wallis und in vielen Theilen der Graubündner Alpen, besonders auch im Unter-Engadin, haben die als graue, grüne und Belemniten-Schiefer bekannten Ge¬ steinskörper noch Zusammenhang behalten und bilden riesige Ge¬ birgsketten. Wo aber die krystallinischen Centralmassen als: Alpengranit, Protogin, Gneis und Glimmerschiefer durchgebrochen sind und alles vorhanden Gewesene zur Seite geworfen haben, da streben sie in senkrechter Stellung wie Glieder kolossaler Fächer empor. Es sind die weithin sichtbaren Oberhäupter des stillen, erha¬ Das Alpengebäude. nach Amſteg zu, wo deutlich die nach Norden abfallenden Kalk¬ſchichten auf dem ſteil gen Süden einſinkenden Gneismaſſen la¬ gern. Hier alſo begegnen wir den erſten ſichtbaren Spuren jener furchtbaren Hebel, welche das ganze große, herrliche Alpengebäude mittel- oder unmittelbar aufrichteten. Die Schieferdecke iſt auf un¬ geheuere Strecken hin zerſprengt, zerriſſen, verworfen, mit empor¬ gehoben, umgebogen oder durch die Feuereinwirkungen in ihren Grundſtoffen verwandelt. Nur in Savoyen in einem Theile des Arve-Thales, in Piemont in den Thalgebieten der obern Iſère und der Dora-Baltea, im ſüdlichen Wallis und in vielen Theilen der Graubündner Alpen, beſonders auch im Unter-Engadin, haben die als graue, grüne und Belemniten-Schiefer bekannten Ge¬ ſteinskörper noch Zuſammenhang behalten und bilden rieſige Ge¬ birgsketten. Wo aber die kryſtalliniſchen Centralmaſſen als: Alpengranit, Protogin, Gneis und Glimmerſchiefer durchgebrochen ſind und alles vorhanden Geweſene zur Seite geworfen haben, da ſtreben ſie in ſenkrechter Stellung wie Glieder koloſſaler Fächer empor. Es ſind die weithin ſichtbaren Oberhäupter des ſtillen, erha¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="14"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Das Alpengebäude</hi>.<lb/></fw> nach Amſteg zu, wo deutlich die nach Norden abfallenden Kalk¬<lb/> ſchichten auf dem ſteil gen Süden einſinkenden Gneismaſſen la¬<lb/> gern. Hier alſo begegnen wir den erſten ſichtbaren Spuren jener<lb/> furchtbaren Hebel, welche das ganze große, herrliche Alpengebäude<lb/> mittel- oder unmittelbar aufrichteten. Die Schieferdecke iſt auf un¬<lb/> geheuere Strecken hin zerſprengt, zerriſſen, verworfen, mit empor¬<lb/> gehoben, umgebogen oder durch die Feuereinwirkungen in ihren<lb/> Grundſtoffen verwandelt. Nur in Savoyen in einem Theile des<lb/> Arve-Thales, in Piemont in den Thalgebieten der obern Iſ<hi rendition="#aq">è</hi>re und<lb/> der Dora-Baltea, im ſüdlichen Wallis und in vielen Theilen der<lb/> Graubündner Alpen, beſonders auch im Unter-Engadin, haben die<lb/> als <hi rendition="#g">graue</hi>, <hi rendition="#g">grüne</hi> und <hi rendition="#g">Belemniten-Schiefer</hi> bekannten Ge¬<lb/> ſteinskörper noch Zuſammenhang behalten und bilden rieſige Ge¬<lb/> birgsketten. Wo aber die <hi rendition="#g">kryſtalliniſchen Centralmaſſen</hi> als:<lb/> Alpengranit, Protogin, Gneis und Glimmerſchiefer durchgebrochen<lb/> ſind und alles vorhanden Geweſene zur Seite geworfen haben, da<lb/> ſtreben ſie in ſenkrechter Stellung wie Glieder koloſſaler Fächer empor.<lb/></p> <p>Es ſind die weithin ſichtbaren Oberhäupter des ſtillen, erha¬<lb/> benen Alpenreiches, die in ernſter Majeſtät ganz Central-Europa<lb/> beherrſchend überſchauen, — von deren Giganten-Schultern der<lb/> firnſtrahlende Regenten-Mantel mit den Gletſcher-Schleppen herab¬<lb/> wallt; — es ſind die rieſigen Gipfel des wie aus der Ewigkeit<lb/> ſtammenden Montblanc (14,800 Fuß), des mit neunzinkiger Krone<lb/> geſchmückten Monte Roſa (14,284 F.), der noch unerſtiegenen<lb/> großartigſten Gebirgspyramide des Matterhornes (13,900 F.), der<lb/> wilden Miſchabelhörner (14,032 F.), des in unvergleichlicher Pracht<lb/> aufragenden Weißhornes (13,900 F.), der kühn dräuenden Felſen-<lb/> Lanzen eines Finſteraarhornes (13,160 F.), und der jähen Schreck¬<lb/> hörner (12,568 F.), des einſamen Adula- oder Vogelberges (10,454 F.),<lb/> des Gletſcher-umpanzerten Piz Bernina (12,475 F.), der Silvretta<lb/> (10,516 F.), der Ortles-Spitz (12,030 F.) und des Groß-Glockners<lb/> in Tyrol (12,185 F.).</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [14/0032]
Das Alpengebäude.
nach Amſteg zu, wo deutlich die nach Norden abfallenden Kalk¬
ſchichten auf dem ſteil gen Süden einſinkenden Gneismaſſen la¬
gern. Hier alſo begegnen wir den erſten ſichtbaren Spuren jener
furchtbaren Hebel, welche das ganze große, herrliche Alpengebäude
mittel- oder unmittelbar aufrichteten. Die Schieferdecke iſt auf un¬
geheuere Strecken hin zerſprengt, zerriſſen, verworfen, mit empor¬
gehoben, umgebogen oder durch die Feuereinwirkungen in ihren
Grundſtoffen verwandelt. Nur in Savoyen in einem Theile des
Arve-Thales, in Piemont in den Thalgebieten der obern Iſère und
der Dora-Baltea, im ſüdlichen Wallis und in vielen Theilen der
Graubündner Alpen, beſonders auch im Unter-Engadin, haben die
als graue, grüne und Belemniten-Schiefer bekannten Ge¬
ſteinskörper noch Zuſammenhang behalten und bilden rieſige Ge¬
birgsketten. Wo aber die kryſtalliniſchen Centralmaſſen als:
Alpengranit, Protogin, Gneis und Glimmerſchiefer durchgebrochen
ſind und alles vorhanden Geweſene zur Seite geworfen haben, da
ſtreben ſie in ſenkrechter Stellung wie Glieder koloſſaler Fächer empor.
Es ſind die weithin ſichtbaren Oberhäupter des ſtillen, erha¬
benen Alpenreiches, die in ernſter Majeſtät ganz Central-Europa
beherrſchend überſchauen, — von deren Giganten-Schultern der
firnſtrahlende Regenten-Mantel mit den Gletſcher-Schleppen herab¬
wallt; — es ſind die rieſigen Gipfel des wie aus der Ewigkeit
ſtammenden Montblanc (14,800 Fuß), des mit neunzinkiger Krone
geſchmückten Monte Roſa (14,284 F.), der noch unerſtiegenen
großartigſten Gebirgspyramide des Matterhornes (13,900 F.), der
wilden Miſchabelhörner (14,032 F.), des in unvergleichlicher Pracht
aufragenden Weißhornes (13,900 F.), der kühn dräuenden Felſen-
Lanzen eines Finſteraarhornes (13,160 F.), und der jähen Schreck¬
hörner (12,568 F.), des einſamen Adula- oder Vogelberges (10,454 F.),
des Gletſcher-umpanzerten Piz Bernina (12,475 F.), der Silvretta
(10,516 F.), der Ortles-Spitz (12,030 F.) und des Groß-Glockners
in Tyrol (12,185 F.).
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