Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Die Hospitien. neben der Küche liegendes, für die ärmeren Volksklassen bestimmtesZimmer. Hier wird der Gast sofort mit einem Imbiß regalirt, wenn es nicht ohnedies Tischzeit ist. Fremde der gebildeten Stände speisen mit den Chorherren an der gleichen Tafel und erhalten eine, für diese Höhe wirklich reiche und reichliche Speisenfolge neben delikaten Weinen. Die ärmeren, auf absolut unentgeldliche Verpflegung Anspruch machenden Passanten werden mit kräftigen Suppen, Fleisch, Brod und einem kleinen Glas Branntwein zur Weiter-Reise gestärkt oder, wenn es Abend ist, zur reinlichen, be¬ quemen und warmen Schlafstätte geführt. Auf dem Großen St. Bernhard werden weibliche Gäste in einem besonderen, neben dem eigentlichen Hospiz befindlichen, kleinen Gebäude, "Hotel de St. Louis" genannt, beherbergt. Ebenso sind, der Ordensregel ge¬ mäß, bei den großen Mahlzeiten Mittags und Abends 6 Uhr, Damen von der gemeinsamen Tafel ausgeschlossen, was indessen die Mönche nicht hindert, außer dieser Zeit den weiblichen Gästen in französischer Galanterie einen großen Theil ihrer freien Zeit zu widmen; denn Französisch ist die allgemeine Verkehrssprache in diesen vier Kloster-Hospitien. Das Vermögen der mit dem Großen Bernhard affiliirten beiden anderen Anstalten (Kleiner Bernhard und Simplon) mag bedeutend sein. Immerhin sind aber auch die Opfer, welche sie gemeinnützig bringen, groß. Die jährliche Fre¬ quenz der auf dem Simplon im Hospiz einkehrenden Wanderer schwankt zwischen 10 und 12 Tausend; die derer auf dem Großen Bernhard zwischen 16 und 20 Tausend, so daß das Budget der Ausgaben im letztgenannten Hospiz mitunter die Höhe von hun¬ derttausend Francs erreicht. Lange nicht so günstig ist seinen ökonomischen Mitteln und Berlepsch, die Alpen. 21
Die Hospitien. neben der Küche liegendes, für die ärmeren Volksklaſſen beſtimmtesZimmer. Hier wird der Gaſt ſofort mit einem Imbiß regalirt, wenn es nicht ohnedies Tiſchzeit iſt. Fremde der gebildeten Stände ſpeiſen mit den Chorherren an der gleichen Tafel und erhalten eine, für dieſe Höhe wirklich reiche und reichliche Speiſenfolge neben delikaten Weinen. Die ärmeren, auf abſolut unentgeldliche Verpflegung Anſpruch machenden Paſſanten werden mit kräftigen Suppen, Fleiſch, Brod und einem kleinen Glas Branntwein zur Weiter-Reiſe geſtärkt oder, wenn es Abend iſt, zur reinlichen, be¬ quemen und warmen Schlafſtätte geführt. Auf dem Großen St. Bernhard werden weibliche Gäſte in einem beſonderen, neben dem eigentlichen Hoſpiz befindlichen, kleinen Gebäude, „Hôtel de St. Louis“ genannt, beherbergt. Ebenſo ſind, der Ordensregel ge¬ mäß, bei den großen Mahlzeiten Mittags und Abends 6 Uhr, Damen von der gemeinſamen Tafel ausgeſchloſſen, was indeſſen die Mönche nicht hindert, außer dieſer Zeit den weiblichen Gäſten in franzöſiſcher Galanterie einen großen Theil ihrer freien Zeit zu widmen; denn Franzöſiſch iſt die allgemeine Verkehrsſprache in dieſen vier Kloſter-Hospitien. Das Vermögen der mit dem Großen Bernhard affiliirten beiden anderen Anſtalten (Kleiner Bernhard und Simplon) mag bedeutend ſein. Immerhin ſind aber auch die Opfer, welche ſie gemeinnützig bringen, groß. Die jährliche Fre¬ quenz der auf dem Simplon im Hoſpiz einkehrenden Wanderer ſchwankt zwiſchen 10 und 12 Tauſend; die derer auf dem Großen Bernhard zwiſchen 16 und 20 Tauſend, ſo daß das Budget der Ausgaben im letztgenannten Hoſpiz mitunter die Höhe von hun¬ derttauſend Francs erreicht. Lange nicht ſo günſtig iſt ſeinen ökonomiſchen Mitteln und Berlepſch, die Alpen. 21
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Die Hospitien.
neben der Küche liegendes, für die ärmeren Volksklaſſen beſtimmtes
Zimmer. Hier wird der Gaſt ſofort mit einem Imbiß regalirt,
wenn es nicht ohnedies Tiſchzeit iſt. Fremde der gebildeten Stände
ſpeiſen mit den Chorherren an der gleichen Tafel und erhalten
eine, für dieſe Höhe wirklich reiche und reichliche Speiſenfolge
neben delikaten Weinen. Die ärmeren, auf abſolut unentgeldliche
Verpflegung Anſpruch machenden Paſſanten werden mit kräftigen
Suppen, Fleiſch, Brod und einem kleinen Glas Branntwein zur
Weiter-Reiſe geſtärkt oder, wenn es Abend iſt, zur reinlichen, be¬
quemen und warmen Schlafſtätte geführt. Auf dem Großen St.
Bernhard werden weibliche Gäſte in einem beſonderen, neben dem
eigentlichen Hoſpiz befindlichen, kleinen Gebäude, „Hôtel de St.
Louis“ genannt, beherbergt. Ebenſo ſind, der Ordensregel ge¬
mäß, bei den großen Mahlzeiten Mittags und Abends 6 Uhr,
Damen von der gemeinſamen Tafel ausgeſchloſſen, was indeſſen
die Mönche nicht hindert, außer dieſer Zeit den weiblichen Gäſten
in franzöſiſcher Galanterie einen großen Theil ihrer freien Zeit zu
widmen; denn Franzöſiſch iſt die allgemeine Verkehrsſprache in
dieſen vier Kloſter-Hospitien. Das Vermögen der mit dem Großen
Bernhard affiliirten beiden anderen Anſtalten (Kleiner Bernhard
und Simplon) mag bedeutend ſein. Immerhin ſind aber auch die
Opfer, welche ſie gemeinnützig bringen, groß. Die jährliche Fre¬
quenz der auf dem Simplon im Hoſpiz einkehrenden Wanderer
ſchwankt zwiſchen 10 und 12 Tauſend; die derer auf dem Großen
Bernhard zwiſchen 16 und 20 Tauſend, ſo daß das Budget der
Ausgaben im letztgenannten Hoſpiz mitunter die Höhe von hun¬
derttauſend Francs erreicht.
Lange nicht ſo günſtig iſt ſeinen ökonomiſchen Mitteln und
Lokalitäten nach das Gotthards-Hoſpiz geſtellt. Die Stiftung
deſſelben fällt wahrſcheinlich in den Anfang des 14. Jahrhunderts.
Seit dem Jahre 1682 wurde daſſelbe von zwei Kapuzinern (mit
einigen Unterbrechungen durch Kriegsfälle, Brand, Zerſtörung) bis
Berlepſch, die Alpen. 21
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