Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Die Hospitien. zum Jahre 1841 bewirthschaftet, seit welcher Zeit es in die Händeeines, nicht dem geistlichen Stande angehörenden, sehr berufseifri¬ gen Direktors, des allbekannten, alten Lombardi überging. Dieser wohnt Winter und Sommer dort oben, hat die Verpflichtung, da¬ für zu sorgen, daß die Straße immer, namentlich bei schlechtem Wetter, gehörig beaufsichtiget sei, und muß deshalb in der bösen Jahreshälfte täglich, theils selbst, theils durch seine Leute, die Straße durchwandern lassen und mit den zum Schneebruch ange¬ stellten Individuen sich ins Einvernehmen setzen. Um die Aufsuchung und Besorgung allfällig verirrter Reisender bewerkstelligen zu kön¬ nen, ist ihm von Seite der Tessiner Regierung die Verpflichtung auferlegt, beständig einen starken Knecht und für die Besorgung weiblicher Reisenden eine Magd, so wie mindestens ein Pferd zu unterhalten, mittelst dessen er Fremde, die ihren Weg unmöglich zu Fuß fortsetzen können, nach den Schirmhäusern zu Airolo oder Urseren zu transportiren hat. Denn auch er hat die bestimmte Auf¬ gabe, Reisende, so lange sie den Weg nicht fortsetzen können, wie immer nöthig, zu verpflegen. "Tutti gli uomini sono fratelli ed eguali", heißt es in dem Regierungs-Erlaß, "tutti hanno diritto ai medesimi servigi, ai medesimi benefici" (Alle Menschen sind hier Brüder und gleich, alle haben Anrechte auf die gleichen Dienste und Wohlthaten). Das ist eine schöne, den Kanton Tessin und seine Staatsmänner ehrende Gesinnung. Aber das Hospiz ist arm, gänzlich mittellos; es besaß nie einen Fond und muß seine Unter¬ stützungs-Quellen, die jährlich über zehntausend Franken in Anspruch nehmen, auf dem Wege milder, freiwilliger Beiträge zu unterhalten suchen. Diese fließen aber so sparsam, daß beinahe jedes Jahr mit einem Passiv-Saldo abgeschlossen werden muß. Da ists denn eine herzlich schwere Aufgabe, mildthätig sein zu müssen, ohne die genügenden Mittel dazu in den Händen zu haben. Die Zahl der alljährlich hier verpflegten armen Reisenden variirt zwischen 10 und 12 Tausend, und ist unverkennbar im Zunehmen, ohne daß Die Hospitien. zum Jahre 1841 bewirthſchaftet, ſeit welcher Zeit es in die Händeeines, nicht dem geiſtlichen Stande angehörenden, ſehr berufseifri¬ gen Direktors, des allbekannten, alten Lombardi überging. Dieſer wohnt Winter und Sommer dort oben, hat die Verpflichtung, da¬ für zu ſorgen, daß die Straße immer, namentlich bei ſchlechtem Wetter, gehörig beaufſichtiget ſei, und muß deshalb in der böſen Jahreshälfte täglich, theils ſelbſt, theils durch ſeine Leute, die Straße durchwandern laſſen und mit den zum Schneebruch ange¬ ſtellten Individuen ſich ins Einvernehmen ſetzen. Um die Aufſuchung und Beſorgung allfällig verirrter Reiſender bewerkſtelligen zu kön¬ nen, iſt ihm von Seite der Teſſiner Regierung die Verpflichtung auferlegt, beſtändig einen ſtarken Knecht und für die Beſorgung weiblicher Reiſenden eine Magd, ſo wie mindeſtens ein Pferd zu unterhalten, mittelſt deſſen er Fremde, die ihren Weg unmöglich zu Fuß fortſetzen können, nach den Schirmhäuſern zu Airolo oder Urſeren zu transportiren hat. Denn auch er hat die beſtimmte Auf¬ gabe, Reiſende, ſo lange ſie den Weg nicht fortſetzen können, wie immer nöthig, zu verpflegen. „Tutti gli uomini sono fratelli ed eguali“, heißt es in dem Regierungs-Erlaß, „tutti hanno diritto ai medesimi servigi, ai medesimi benefici“ (Alle Menſchen ſind hier Brüder und gleich, alle haben Anrechte auf die gleichen Dienſte und Wohlthaten). Das iſt eine ſchöne, den Kanton Teſſin und ſeine Staatsmänner ehrende Geſinnung. Aber das Hoſpiz iſt arm, gänzlich mittellos; es beſaß nie einen Fond und muß ſeine Unter¬ ſtützungs-Quellen, die jährlich über zehntauſend Franken in Anſpruch nehmen, auf dem Wege milder, freiwilliger Beiträge zu unterhalten ſuchen. Dieſe fließen aber ſo ſparſam, daß beinahe jedes Jahr mit einem Paſſiv-Saldo abgeſchloſſen werden muß. Da iſts denn eine herzlich ſchwere Aufgabe, mildthätig ſein zu müſſen, ohne die genügenden Mittel dazu in den Händen zu haben. 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Die Hospitien.
zum Jahre 1841 bewirthſchaftet, ſeit welcher Zeit es in die Hände
eines, nicht dem geiſtlichen Stande angehörenden, ſehr berufseifri¬
gen Direktors, des allbekannten, alten Lombardi überging. Dieſer
wohnt Winter und Sommer dort oben, hat die Verpflichtung, da¬
für zu ſorgen, daß die Straße immer, namentlich bei ſchlechtem
Wetter, gehörig beaufſichtiget ſei, und muß deshalb in der böſen
Jahreshälfte täglich, theils ſelbſt, theils durch ſeine Leute, die
Straße durchwandern laſſen und mit den zum Schneebruch ange¬
ſtellten Individuen ſich ins Einvernehmen ſetzen. Um die Aufſuchung
und Beſorgung allfällig verirrter Reiſender bewerkſtelligen zu kön¬
nen, iſt ihm von Seite der Teſſiner Regierung die Verpflichtung
auferlegt, beſtändig einen ſtarken Knecht und für die Beſorgung
weiblicher Reiſenden eine Magd, ſo wie mindeſtens ein Pferd zu
unterhalten, mittelſt deſſen er Fremde, die ihren Weg unmöglich zu
Fuß fortſetzen können, nach den Schirmhäuſern zu Airolo oder
Urſeren zu transportiren hat. Denn auch er hat die beſtimmte Auf¬
gabe, Reiſende, ſo lange ſie den Weg nicht fortſetzen können, wie
immer nöthig, zu verpflegen. „Tutti gli uomini sono fratelli ed
eguali“, heißt es in dem Regierungs-Erlaß, „tutti hanno diritto
ai medesimi servigi, ai medesimi benefici“ (Alle Menſchen ſind
hier Brüder und gleich, alle haben Anrechte auf die gleichen Dienſte
und Wohlthaten). Das iſt eine ſchöne, den Kanton Teſſin und
ſeine Staatsmänner ehrende Geſinnung. Aber das Hoſpiz iſt arm,
gänzlich mittellos; es beſaß nie einen Fond und muß ſeine Unter¬
ſtützungs-Quellen, die jährlich über zehntauſend Franken in Anſpruch
nehmen, auf dem Wege milder, freiwilliger Beiträge zu unterhalten
ſuchen. Dieſe fließen aber ſo ſparſam, daß beinahe jedes Jahr
mit einem Paſſiv-Saldo abgeſchloſſen werden muß. Da iſts denn
eine herzlich ſchwere Aufgabe, mildthätig ſein zu müſſen, ohne die
genügenden Mittel dazu in den Händen zu haben. Die Zahl der
alljährlich hier verpflegten armen Reiſenden variirt zwiſchen 10
und 12 Tauſend, und iſt unverkennbar im Zunehmen, ohne daß
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