Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Der Geißbub. lichkeit: den größten Nutzen aus den Weideplätzen zu ziehen, inverschiedene Klassen ein. Was drunten in der Nähe der mensch¬ lichen Wohnungen und in den "Vorderen Berggütern" liegt, das schneidet die Sense für die winterlichen Vorratskammern, für die aromatischen Heustöcke ab. Weiter hinauf, was sanft geneigt als flächenhafte Halde oder Hochmulde sich ausdehnt, ist zu Kuhalpen "gerechtsamt und verbrieft" und wird nach den verschiedenen Staf¬ feln mit einer bestimmten Anzahl Vieh "bestoßen" und "abgeätzt". Was darüber hinausliegt, steil und steinig wird, wo nur ganz kurzes Futter wächst, das steht im "Alprodel" als "Schaafalp" verzeichnet und wird in Tyrol und Graubünden an die Bergamasker Hirten verpachtet oder, in anderen Gegenden, sonst vom "Schäfler" abgeweidet. Und jene Parzellen endlich, die dann noch wilder und zerklüfteter sind, wo nur Legföhren und Alpenrosengesträuch den kleinen Kräuterwuchs überwuchern, -- oder die Holzschläge und "Forst-Stocketen", in denen eine reichfarbig-blühende Flora prangt, nach der das große Milch-Vieh aber wenig Gelüsten zeigt, -- diese gehören dem Geißbuben und seiner Herde an. Es ist ein ganz anderes, lebensfrischeres, bestimmteres Naturell, Der Geißbub. lichkeit: den größten Nutzen aus den Weideplätzen zu ziehen, inverſchiedene Klaſſen ein. Was drunten in der Nähe der menſch¬ lichen Wohnungen und in den „Vorderen Berggütern“ liegt, das ſchneidet die Senſe für die winterlichen Vorratskammern, für die aromatiſchen Heuſtöcke ab. Weiter hinauf, was ſanft geneigt als flächenhafte Halde oder Hochmulde ſich ausdehnt, iſt zu Kuhalpen „gerechtſamt und verbrieft“ und wird nach den verſchiedenen Staf¬ feln mit einer beſtimmten Anzahl Vieh „beſtoßen“ und „abgeätzt“. Was darüber hinausliegt, ſteil und ſteinig wird, wo nur ganz kurzes Futter wächſt, das ſteht im „Alprodel“ als „Schaafalp“ verzeichnet und wird in Tyrol und Graubünden an die Bergamasker Hirten verpachtet oder, in anderen Gegenden, ſonſt vom „Schäfler“ abgeweidet. Und jene Parzellen endlich, die dann noch wilder und zerklüfteter ſind, wo nur Legföhren und Alpenroſengeſträuch den kleinen Kräuterwuchs überwuchern, — oder die Holzſchläge und „Forſt-Stocketen“, in denen eine reichfarbig-blühende Flora prangt, nach der das große Milch-Vieh aber wenig Gelüſten zeigt, — dieſe gehören dem Geißbuben und ſeiner Herde an. Es iſt ein ganz anderes, lebensfriſcheres, beſtimmteres Naturell, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0403" n="363"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Der Geißbub</hi>.<lb/></fw>lichkeit: den größten Nutzen aus den Weideplätzen zu ziehen, in<lb/> verſchiedene Klaſſen ein. Was drunten in der Nähe der menſch¬<lb/> lichen Wohnungen und in den „Vorderen Berggütern“ liegt, das<lb/> ſchneidet die Senſe für die winterlichen Vorratskammern, für die<lb/> aromatiſchen Heuſtöcke ab. Weiter hinauf, was ſanft geneigt als<lb/> flächenhafte Halde oder Hochmulde ſich ausdehnt, iſt zu Kuhalpen<lb/> „gerechtſamt und verbrieft“ und wird nach den verſchiedenen Staf¬<lb/> feln mit einer beſtimmten Anzahl Vieh „beſtoßen“ und „abgeätzt“.<lb/> Was darüber hinausliegt, ſteil und ſteinig wird, wo nur ganz<lb/> kurzes Futter wächſt, das ſteht im „Alprodel“ als „Schaafalp“<lb/> verzeichnet und wird in Tyrol und Graubünden an die Bergamasker<lb/> Hirten verpachtet oder, in anderen Gegenden, ſonſt vom „Schäfler“<lb/> abgeweidet. Und jene Parzellen endlich, die dann noch wilder<lb/> und zerklüfteter ſind, wo nur Legföhren und Alpenroſengeſträuch<lb/> den kleinen Kräuterwuchs überwuchern, — oder die Holzſchläge und<lb/> „Forſt-Stocketen“, in denen eine reichfarbig-blühende Flora prangt,<lb/> nach der das große Milch-Vieh aber wenig Gelüſten zeigt, — dieſe<lb/> gehören dem Geißbuben und ſeiner Herde an.</p><lb/> <p>Es iſt ein ganz anderes, lebensfriſcheres, beſtimmteres Naturell,<lb/> das aus ſolch einem Geißbuben herausſchaut, als das träge, ver¬<lb/> ſchwommene Element des ſtrumpfſtrickenden Schäfers in der nord¬<lb/> deutſchen Heide, oder des halb-ſtumpfſinnigen, platt-vegetirenden<lb/> Dorfhirten in den Agrikultur-Diſtrikten. Hier iſt Elaſticität, Feſtig¬<lb/> keit, Ra<hi rendition="#aq">ç</hi>e, — wenn auch noch ſo roh und naturwüchſig. Durch<lb/> das tägliche Verweilen in der Wildniß und bei ſteter Uebung<lb/> weiden dieſe 12 bis 16jährigen Knaben ſo vertraut mit allen<lb/> anwendbaren Vortheilen im Felſenklettern, daß man ebenſowohl<lb/> über ihre eminente Gewandtheit als naturaliſtiſche Gymnaſtiker, wie<lb/> über ihre ſeltene Unerſchrockenheit und ihren reſoluten Ueberblick,<lb/> mit welchem ſie den rechten Pfad ausſpähen, erſtaunt. Da, wo<lb/> man wähnt, es könne kaum eine Maus auf dem ſchmalen Felſen¬<lb/> karnieß vorüberſchlüpfen, geſchweige denn eines Menſchen Fuß Raum<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [363/0403]
Der Geißbub.
lichkeit: den größten Nutzen aus den Weideplätzen zu ziehen, in
verſchiedene Klaſſen ein. Was drunten in der Nähe der menſch¬
lichen Wohnungen und in den „Vorderen Berggütern“ liegt, das
ſchneidet die Senſe für die winterlichen Vorratskammern, für die
aromatiſchen Heuſtöcke ab. Weiter hinauf, was ſanft geneigt als
flächenhafte Halde oder Hochmulde ſich ausdehnt, iſt zu Kuhalpen
„gerechtſamt und verbrieft“ und wird nach den verſchiedenen Staf¬
feln mit einer beſtimmten Anzahl Vieh „beſtoßen“ und „abgeätzt“.
Was darüber hinausliegt, ſteil und ſteinig wird, wo nur ganz
kurzes Futter wächſt, das ſteht im „Alprodel“ als „Schaafalp“
verzeichnet und wird in Tyrol und Graubünden an die Bergamasker
Hirten verpachtet oder, in anderen Gegenden, ſonſt vom „Schäfler“
abgeweidet. Und jene Parzellen endlich, die dann noch wilder
und zerklüfteter ſind, wo nur Legföhren und Alpenroſengeſträuch
den kleinen Kräuterwuchs überwuchern, — oder die Holzſchläge und
„Forſt-Stocketen“, in denen eine reichfarbig-blühende Flora prangt,
nach der das große Milch-Vieh aber wenig Gelüſten zeigt, — dieſe
gehören dem Geißbuben und ſeiner Herde an.
Es iſt ein ganz anderes, lebensfriſcheres, beſtimmteres Naturell,
das aus ſolch einem Geißbuben herausſchaut, als das träge, ver¬
ſchwommene Element des ſtrumpfſtrickenden Schäfers in der nord¬
deutſchen Heide, oder des halb-ſtumpfſinnigen, platt-vegetirenden
Dorfhirten in den Agrikultur-Diſtrikten. Hier iſt Elaſticität, Feſtig¬
keit, Raçe, — wenn auch noch ſo roh und naturwüchſig. Durch
das tägliche Verweilen in der Wildniß und bei ſteter Uebung
weiden dieſe 12 bis 16jährigen Knaben ſo vertraut mit allen
anwendbaren Vortheilen im Felſenklettern, daß man ebenſowohl
über ihre eminente Gewandtheit als naturaliſtiſche Gymnaſtiker, wie
über ihre ſeltene Unerſchrockenheit und ihren reſoluten Ueberblick,
mit welchem ſie den rechten Pfad ausſpähen, erſtaunt. Da, wo
man wähnt, es könne kaum eine Maus auf dem ſchmalen Felſen¬
karnieß vorüberſchlüpfen, geſchweige denn eines Menſchen Fuß Raum
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