Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Holzschläger und Flößer. selben sich anzuregen, muß er gänzlich ausschließen; denn bei demoft stundenlangen Stillstehen in bedeutender Kälte möchte ihn leicht Schlaf anwandeln, wenn er Branntwein genösse, und der Tod des Erfrierens wäre sein trauriges Loos. Aber auch die Ge¬ fahr, durch Sturz oder plötzliches Ausgleiten sein Leben zu ver¬ lieren, umgiebt ihn ununterbrochen. Trotz der stachelbewaffneten Fußeisen an den Schuhen ist der Stand des Borratore auf über¬ eister Felsenklippe oft ein höchst unsicherer. Haben sich Blöcke festgeklemmt in der Rinne, dann bedarf es nicht selten recht ener¬ gischer Kraftanstrengung, um sie wieder flott zu machen; der erste, zweite, dritte Stoß wollen nicht helfen, -- die Blöcke sind in einander verkeilt, daß es größerer Gewalt bedarf, um sie zu lösen. Der Borratore tritt auf den glatten Rand der Rinne und sucht mit seiner Axt nachzuhelfen, -- aber die Klemmung wird nicht gehoben. Da wagt sich der Unbesonnene auf einen der Blöcke, um einen tieferliegenden ein wenig aufzulockern -- und siehe, an¬ ders als er es vermuthet, geräth die ganze Ladung wieder ins Gleiten. Gelingt es ihm, so rettet ein augenblicklicher Rück-Sprung sein Leben; -- aber ach! wie Viele verloren es schon, indem der Sprung mißglückte, oder indem sie von den hinabjagenden Hölzern fortgerissen, besinnungslos in die Tiefe geschleudert, elend umkamen. Es giebt wenig "Holzer", die im Alter nicht mit erfrorenen Füßen oder sonst verstümmeltem Körper umherhinken. Und nichts desto weniger fehlts nie an jungem Nachwuchs, die ihr Loos im Alter kennend, dennoch dem lebensgefährlichen Berufe sich widmen. Dort, wo der Waldhang unmittelbar sich zu den großen Holzſchläger und Flößer. ſelben ſich anzuregen, muß er gänzlich ausſchließen; denn bei demoft ſtundenlangen Stillſtehen in bedeutender Kälte möchte ihn leicht Schlaf anwandeln, wenn er Branntwein genöſſe, und der Tod des Erfrierens wäre ſein trauriges Loos. Aber auch die Ge¬ fahr, durch Sturz oder plötzliches Ausgleiten ſein Leben zu ver¬ lieren, umgiebt ihn ununterbrochen. Trotz der ſtachelbewaffneten Fußeiſen an den Schuhen iſt der Stand des Borratore auf über¬ eister Felſenklippe oft ein höchſt unſicherer. Haben ſich Blöcke feſtgeklemmt in der Rinne, dann bedarf es nicht ſelten recht ener¬ giſcher Kraftanſtrengung, um ſie wieder flott zu machen; der erſte, zweite, dritte Stoß wollen nicht helfen, — die Blöcke ſind in einander verkeilt, daß es größerer Gewalt bedarf, um ſie zu löſen. Der Borratore tritt auf den glatten Rand der Rinne und ſucht mit ſeiner Axt nachzuhelfen, — aber die Klemmung wird nicht gehoben. Da wagt ſich der Unbeſonnene auf einen der Blöcke, um einen tieferliegenden ein wenig aufzulockern — und ſiehe, an¬ ders als er es vermuthet, geräth die ganze Ladung wieder ins Gleiten. Gelingt es ihm, ſo rettet ein augenblicklicher Rück-Sprung ſein Leben; — aber ach! wie Viele verloren es ſchon, indem der Sprung mißglückte, oder indem ſie von den hinabjagenden Hölzern fortgeriſſen, beſinnungslos in die Tiefe geſchleudert, elend umkamen. Es giebt wenig „Holzer“, die im Alter nicht mit erfrorenen Füßen oder ſonſt verſtümmeltem Körper umherhinken. Und nichts deſto weniger fehlts nie an jungem Nachwuchs, die ihr Loos im Alter kennend, dennoch dem lebensgefährlichen Berufe ſich widmen. Dort, wo der Waldhang unmittelbar ſich zu den großen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0452" n="406"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Holzſchläger</hi><hi rendition="#fr">und</hi><hi rendition="#fr #g">Flößer</hi>.<lb/></fw>ſelben ſich anzuregen, muß er gänzlich ausſchließen; denn bei dem<lb/> oft ſtundenlangen Stillſtehen in bedeutender Kälte möchte ihn<lb/> leicht Schlaf anwandeln, wenn er Branntwein genöſſe, und der<lb/> Tod des Erfrierens wäre ſein trauriges Loos. Aber auch die Ge¬<lb/> fahr, durch Sturz oder plötzliches Ausgleiten ſein Leben zu ver¬<lb/> lieren, umgiebt ihn ununterbrochen. Trotz der ſtachelbewaffneten<lb/> Fußeiſen an den Schuhen iſt der Stand des <hi rendition="#aq">Borratore</hi> auf über¬<lb/> eister Felſenklippe oft ein höchſt unſicherer. Haben ſich Blöcke<lb/> feſtgeklemmt in der Rinne, dann bedarf es nicht ſelten recht ener¬<lb/> giſcher Kraftanſtrengung, um ſie wieder flott zu machen; der erſte,<lb/> zweite, dritte Stoß wollen nicht helfen, — die Blöcke ſind in<lb/> einander verkeilt, daß es größerer Gewalt bedarf, um ſie zu löſen.<lb/> Der <hi rendition="#aq">Borratore</hi> tritt auf den glatten Rand der Rinne und ſucht<lb/> mit ſeiner Axt nachzuhelfen, — aber die Klemmung wird nicht<lb/> gehoben. Da wagt ſich der Unbeſonnene auf einen der Blöcke,<lb/> um einen tieferliegenden ein wenig aufzulockern — und ſiehe, an¬<lb/> ders als er es vermuthet, geräth die ganze Ladung wieder ins<lb/> Gleiten. Gelingt es ihm, ſo rettet ein augenblicklicher Rück-Sprung<lb/> ſein Leben; — aber ach! wie Viele verloren es ſchon, indem der<lb/> Sprung mißglückte, oder indem ſie von den hinabjagenden Hölzern<lb/> fortgeriſſen, beſinnungslos in die Tiefe geſchleudert, elend umkamen.<lb/> Es giebt wenig „Holzer“, die im Alter nicht mit erfrorenen Füßen<lb/> oder ſonſt verſtümmeltem Körper umherhinken. Und nichts deſto<lb/> weniger fehlts nie an jungem Nachwuchs, die ihr Loos im Alter<lb/> kennend, dennoch dem lebensgefährlichen Berufe ſich widmen.</p><lb/> <p>Dort, wo der Waldhang unmittelbar ſich zu den großen<lb/> Waſſerrinnen der Alpen, zu den lebendig ſtrömenden Flüſſen und<lb/> kräftigen Bergbächen abſenkt, bedarf es freilich keiner Bauten, um<lb/> Bau- und Brenn-Holz weiter zu befördern; dort muß das Waſſer<lb/> ſeine alten Transportdienſte verrichten. Das kommt nun zwar in<lb/> allen Berg-Gegenden vor; aber die Alpen haben auch hier wieder<lb/> ihre romantiſche und großartige Eigenthümlichkeit. Unbekümmert<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [406/0452]
Holzſchläger und Flößer.
ſelben ſich anzuregen, muß er gänzlich ausſchließen; denn bei dem
oft ſtundenlangen Stillſtehen in bedeutender Kälte möchte ihn
leicht Schlaf anwandeln, wenn er Branntwein genöſſe, und der
Tod des Erfrierens wäre ſein trauriges Loos. Aber auch die Ge¬
fahr, durch Sturz oder plötzliches Ausgleiten ſein Leben zu ver¬
lieren, umgiebt ihn ununterbrochen. Trotz der ſtachelbewaffneten
Fußeiſen an den Schuhen iſt der Stand des Borratore auf über¬
eister Felſenklippe oft ein höchſt unſicherer. Haben ſich Blöcke
feſtgeklemmt in der Rinne, dann bedarf es nicht ſelten recht ener¬
giſcher Kraftanſtrengung, um ſie wieder flott zu machen; der erſte,
zweite, dritte Stoß wollen nicht helfen, — die Blöcke ſind in
einander verkeilt, daß es größerer Gewalt bedarf, um ſie zu löſen.
Der Borratore tritt auf den glatten Rand der Rinne und ſucht
mit ſeiner Axt nachzuhelfen, — aber die Klemmung wird nicht
gehoben. Da wagt ſich der Unbeſonnene auf einen der Blöcke,
um einen tieferliegenden ein wenig aufzulockern — und ſiehe, an¬
ders als er es vermuthet, geräth die ganze Ladung wieder ins
Gleiten. Gelingt es ihm, ſo rettet ein augenblicklicher Rück-Sprung
ſein Leben; — aber ach! wie Viele verloren es ſchon, indem der
Sprung mißglückte, oder indem ſie von den hinabjagenden Hölzern
fortgeriſſen, beſinnungslos in die Tiefe geſchleudert, elend umkamen.
Es giebt wenig „Holzer“, die im Alter nicht mit erfrorenen Füßen
oder ſonſt verſtümmeltem Körper umherhinken. Und nichts deſto
weniger fehlts nie an jungem Nachwuchs, die ihr Loos im Alter
kennend, dennoch dem lebensgefährlichen Berufe ſich widmen.
Dort, wo der Waldhang unmittelbar ſich zu den großen
Waſſerrinnen der Alpen, zu den lebendig ſtrömenden Flüſſen und
kräftigen Bergbächen abſenkt, bedarf es freilich keiner Bauten, um
Bau- und Brenn-Holz weiter zu befördern; dort muß das Waſſer
ſeine alten Transportdienſte verrichten. Das kommt nun zwar in
allen Berg-Gegenden vor; aber die Alpen haben auch hier wieder
ihre romantiſche und großartige Eigenthümlichkeit. Unbekümmert
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |