Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Dorfleben im Gebirge. haus zum letzten Mal zurücklegen. So weit hinab ist's schwer ihnzu tragen. Da ladet denn der Sohn des Vaters oder der Mutter Sarg, wenns Sommer ist, auf einen kleinen, schmalen Karren, spannt aus dem Stall, was er just hat: ein Roß oder ein Stück Hornvieh davor, und geleitet so die irdischen Reste hinab ins Thal. Ueberall, wo dieses Trauer-Gefährt vorüberkommt, tritt das Volk hinaus, betet laut ein "Vater unser", oder schließt sich dem Zuge an. Und hat der Winter seine Schneedecke über Berg und Thal geworfen, dann muß der Schlitten dem Verstorbenen den letzten Dienst erweisen. Der Sarg wird fest aufgebunden, ein starker, kräftiger Mann, mit zwei Bergstöcken unter den Armen, setzt sich zu vorderst auf, lenkt mit den Füßen, und im jagenden Fluge gleitet der Leichen-Kondukt hinab. Dorfleben im Gebirge. haus zum letzten Mal zurücklegen. So weit hinab iſt's ſchwer ihnzu tragen. Da ladet denn der Sohn des Vaters oder der Mutter Sarg, wenns Sommer iſt, auf einen kleinen, ſchmalen Karren, ſpannt aus dem Stall, was er juſt hat: ein Roß oder ein Stück Hornvieh davor, und geleitet ſo die irdiſchen Reſte hinab ins Thal. Ueberall, wo dieſes Trauer-Gefährt vorüberkommt, tritt das Volk hinaus, betet laut ein „Vater unſer“, oder ſchließt ſich dem Zuge an. Und hat der Winter ſeine Schneedecke über Berg und Thal geworfen, dann muß der Schlitten dem Verſtorbenen den letzten Dienſt erweiſen. Der Sarg wird feſt aufgebunden, ein ſtarker, kräftiger Mann, mit zwei Bergſtöcken unter den Armen, ſetzt ſich zu vorderſt auf, lenkt mit den Füßen, und im jagenden Fluge gleitet der Leichen-Kondukt hinab. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0491" n="441"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dorfleben im Gebirge</hi>.<lb/></fw> haus zum letzten Mal zurücklegen. So weit hinab iſt's ſchwer ihn<lb/> zu tragen. Da ladet denn der Sohn des Vaters oder der Mutter<lb/> Sarg, wenns Sommer iſt, auf einen kleinen, ſchmalen Karren,<lb/> ſpannt aus dem Stall, was er juſt hat: ein Roß oder ein Stück<lb/> Hornvieh davor, und geleitet ſo die irdiſchen Reſte hinab ins Thal.<lb/> Ueberall, wo dieſes Trauer-Gefährt vorüberkommt, tritt das Volk<lb/> hinaus, betet laut ein „Vater unſer“, oder ſchließt ſich dem Zuge<lb/> an. Und hat der Winter ſeine Schneedecke über Berg und Thal<lb/> geworfen, dann muß der Schlitten dem Verſtorbenen den letzten<lb/> Dienſt erweiſen. Der Sarg wird feſt aufgebunden, ein ſtarker,<lb/> kräftiger Mann, mit zwei Bergſtöcken unter den Armen, ſetzt ſich<lb/> zu vorderſt auf, lenkt mit den Füßen, und im jagenden Fluge<lb/> gleitet der Leichen-Kondukt hinab.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [441/0491]
Dorfleben im Gebirge.
haus zum letzten Mal zurücklegen. So weit hinab iſt's ſchwer ihn
zu tragen. Da ladet denn der Sohn des Vaters oder der Mutter
Sarg, wenns Sommer iſt, auf einen kleinen, ſchmalen Karren,
ſpannt aus dem Stall, was er juſt hat: ein Roß oder ein Stück
Hornvieh davor, und geleitet ſo die irdiſchen Reſte hinab ins Thal.
Ueberall, wo dieſes Trauer-Gefährt vorüberkommt, tritt das Volk
hinaus, betet laut ein „Vater unſer“, oder ſchließt ſich dem Zuge
an. Und hat der Winter ſeine Schneedecke über Berg und Thal
geworfen, dann muß der Schlitten dem Verſtorbenen den letzten
Dienſt erweiſen. Der Sarg wird feſt aufgebunden, ein ſtarker,
kräftiger Mann, mit zwei Bergſtöcken unter den Armen, ſetzt ſich
zu vorderſt auf, lenkt mit den Füßen, und im jagenden Fluge
gleitet der Leichen-Kondukt hinab.
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