Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.Karrenfelder. da ferner das im Frühjahr, während der großen Schneeschmelze,in der subalpinen Region entstehende oder nach Regengüssen sich sammelnde Wasser durch die ausgewühlten Rinnen und Löcher so¬ fort spurlos in die Eingeweide der Berge hinabeilt, um am Fuße derselben als Quelle hervorzusprudeln, so ist es erklärlich, daß die¬ sen Flächen jede Bedingung fehlt, um Pflanzen, und wären es die genügsamsten, zu ernähren. So weit das Auge über die trostlose, bleiche, einsame Felsenfläche schweift, sieht es traurig, erstorben aus. Wo aber keine Blume blüht und ihre Honigkelche öffnet, da summt auch kein Insekt, da gaukelt kein Falter, schwirrt kein Kä¬ fer, -- wo kein Kräutchen, kein Grashalm sich in die Felsenspalte einzuklammern vermag, selbst nicht einmal Moose ihr mageres Le¬ ben fristen können, da rastet auch nicht das kleinste Höhlenthier¬ chen, -- und wo Weg und Steg so zerstört sind wie in diesen Karrenfeldern, da verirrt sich kein Gratthier hin. Sogar die Vö¬ gel scheinen diese Stätte der Verwilderung zu fliehen, denn nie sieht man Schneekrähen oder Bergdohlen, Steinhühner oder Flüh¬ lerchen, Falken oder Adler auf dieselben sich niederlassen. So¬ mit dürfen die Schrattenfelder sehr füglich die Wüsten der Alpen genannt werden. -- Wo dagegen die Karrenfelder an die Weiden angränzen, wo also angeschwemmte Erde in den Vertiefungen sich abgelagert hat, da entwickelt sich auch die üppigste Vegetation, die man in den Alpen finden kann. Solche Stellen dienen oft den Wurzelgräbern als beste Fundgrube ihres gefährlichen Erwerbes. Wie überall, wo Düsteres, Unerklärliches, Außerordentliches Karrenfelder. da ferner das im Frühjahr, während der großen Schneeſchmelze,in der ſubalpinen Region entſtehende oder nach Regengüſſen ſich ſammelnde Waſſer durch die ausgewühlten Rinnen und Löcher ſo¬ fort ſpurlos in die Eingeweide der Berge hinabeilt, um am Fuße derſelben als Quelle hervorzuſprudeln, ſo iſt es erklärlich, daß die¬ ſen Flächen jede Bedingung fehlt, um Pflanzen, und wären es die genügſamſten, zu ernähren. So weit das Auge über die troſtloſe, bleiche, einſame Felſenfläche ſchweift, ſieht es traurig, erſtorben aus. Wo aber keine Blume blüht und ihre Honigkelche öffnet, da ſummt auch kein Inſekt, da gaukelt kein Falter, ſchwirrt kein Kä¬ fer, — wo kein Kräutchen, kein Grashalm ſich in die Felſenſpalte einzuklammern vermag, ſelbſt nicht einmal Mooſe ihr mageres Le¬ ben friſten können, da raſtet auch nicht das kleinſte Höhlenthier¬ chen, — und wo Weg und Steg ſo zerſtört ſind wie in dieſen Karrenfeldern, da verirrt ſich kein Gratthier hin. Sogar die Vö¬ gel ſcheinen dieſe Stätte der Verwilderung zu fliehen, denn nie ſieht man Schneekrähen oder Bergdohlen, Steinhühner oder Flüh¬ lerchen, Falken oder Adler auf dieſelben ſich niederlaſſen. So¬ mit dürfen die Schrattenfelder ſehr füglich die Wüſten der Alpen genannt werden. — Wo dagegen die Karrenfelder an die Weiden angränzen, wo alſo angeſchwemmte Erde in den Vertiefungen ſich abgelagert hat, da entwickelt ſich auch die üppigſte Vegetation, die man in den Alpen finden kann. Solche Stellen dienen oft den Wurzelgräbern als beſte Fundgrube ihres gefährlichen Erwerbes. Wie überall, wo Düſteres, Unerklärliches, Außerordentliches <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054" n="36"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Karrenfelder</hi>.<lb/></fw>da ferner das im Frühjahr, während der großen Schneeſchmelze,<lb/> in der ſubalpinen Region entſtehende oder nach Regengüſſen ſich<lb/> ſammelnde Waſſer durch die ausgewühlten Rinnen und Löcher ſo¬<lb/> fort ſpurlos in die Eingeweide der Berge hinabeilt, um am Fuße<lb/> derſelben als Quelle hervorzuſprudeln, ſo iſt es erklärlich, daß die¬<lb/> ſen Flächen jede Bedingung fehlt, um Pflanzen, und wären es die<lb/> genügſamſten, zu ernähren. So weit das Auge über die troſtloſe,<lb/> bleiche, einſame Felſenfläche ſchweift, ſieht es traurig, erſtorben<lb/> aus. Wo aber keine Blume blüht und ihre Honigkelche öffnet, da<lb/> ſummt auch kein Inſekt, da gaukelt kein Falter, ſchwirrt kein Kä¬<lb/> fer, — wo kein Kräutchen, kein Grashalm ſich in die Felſenſpalte<lb/> einzuklammern vermag, ſelbſt nicht einmal Mooſe ihr mageres Le¬<lb/> ben friſten können, da raſtet auch nicht das kleinſte Höhlenthier¬<lb/> chen, — und wo Weg und Steg ſo zerſtört ſind wie in dieſen<lb/> Karrenfeldern, da verirrt ſich kein Gratthier hin. Sogar die Vö¬<lb/> gel ſcheinen dieſe Stätte der Verwilderung zu fliehen, denn nie<lb/> ſieht man Schneekrähen oder Bergdohlen, Steinhühner oder Flüh¬<lb/> lerchen, Falken oder Adler auf dieſelben ſich niederlaſſen. So¬<lb/> mit dürfen die Schrattenfelder ſehr füglich die Wüſten der Alpen<lb/> genannt werden. — Wo dagegen die Karrenfelder an die Weiden<lb/> angränzen, wo alſo angeſchwemmte Erde in den Vertiefungen ſich<lb/> abgelagert hat, da entwickelt ſich auch die üppigſte Vegetation, die<lb/> man in den Alpen finden kann. Solche Stellen dienen oft den<lb/> Wurzelgräbern als beſte Fundgrube ihres gefährlichen Erwerbes.<lb/></p> <p>Wie überall, wo Düſteres, Unerklärliches, Außerordentliches<lb/> ſich zeigt, der Volksglaube die Einwirkung übernatürlicher Kräfte<lb/> vorausſetzt, ſo nimmt auch hier die Erklärung ihre Zuflucht zu bö¬<lb/> ſen Geiſtern und infernaliſchen Mächten. Zwerge und Erdgnomen,<lb/> vom Volke „Schrättli“ genannt, ſinds, die die Steine ſo ausboh¬<lb/> ren und durchbrechen; ihnen iſt der feſte Erdkörper ein „Nichts“,<lb/> durch welches ſie wie die Schärmäuſe ſich durchwühlen. Eine an¬<lb/> dere Ueberlieferung erzählt: die Schrattenfluh im Entlebuch (Luzern)<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [36/0054]
Karrenfelder.
da ferner das im Frühjahr, während der großen Schneeſchmelze,
in der ſubalpinen Region entſtehende oder nach Regengüſſen ſich
ſammelnde Waſſer durch die ausgewühlten Rinnen und Löcher ſo¬
fort ſpurlos in die Eingeweide der Berge hinabeilt, um am Fuße
derſelben als Quelle hervorzuſprudeln, ſo iſt es erklärlich, daß die¬
ſen Flächen jede Bedingung fehlt, um Pflanzen, und wären es die
genügſamſten, zu ernähren. So weit das Auge über die troſtloſe,
bleiche, einſame Felſenfläche ſchweift, ſieht es traurig, erſtorben
aus. Wo aber keine Blume blüht und ihre Honigkelche öffnet, da
ſummt auch kein Inſekt, da gaukelt kein Falter, ſchwirrt kein Kä¬
fer, — wo kein Kräutchen, kein Grashalm ſich in die Felſenſpalte
einzuklammern vermag, ſelbſt nicht einmal Mooſe ihr mageres Le¬
ben friſten können, da raſtet auch nicht das kleinſte Höhlenthier¬
chen, — und wo Weg und Steg ſo zerſtört ſind wie in dieſen
Karrenfeldern, da verirrt ſich kein Gratthier hin. Sogar die Vö¬
gel ſcheinen dieſe Stätte der Verwilderung zu fliehen, denn nie
ſieht man Schneekrähen oder Bergdohlen, Steinhühner oder Flüh¬
lerchen, Falken oder Adler auf dieſelben ſich niederlaſſen. So¬
mit dürfen die Schrattenfelder ſehr füglich die Wüſten der Alpen
genannt werden. — Wo dagegen die Karrenfelder an die Weiden
angränzen, wo alſo angeſchwemmte Erde in den Vertiefungen ſich
abgelagert hat, da entwickelt ſich auch die üppigſte Vegetation, die
man in den Alpen finden kann. Solche Stellen dienen oft den
Wurzelgräbern als beſte Fundgrube ihres gefährlichen Erwerbes.
Wie überall, wo Düſteres, Unerklärliches, Außerordentliches
ſich zeigt, der Volksglaube die Einwirkung übernatürlicher Kräfte
vorausſetzt, ſo nimmt auch hier die Erklärung ihre Zuflucht zu bö¬
ſen Geiſtern und infernaliſchen Mächten. Zwerge und Erdgnomen,
vom Volke „Schrättli“ genannt, ſinds, die die Steine ſo ausboh¬
ren und durchbrechen; ihnen iſt der feſte Erdkörper ein „Nichts“,
durch welches ſie wie die Schärmäuſe ſich durchwühlen. Eine an¬
dere Ueberlieferung erzählt: die Schrattenfluh im Entlebuch (Luzern)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |