des Alpengebäudes erörtert wurden) bestehen. Hier wirkt dann das Wasser direkt und zwar das in großer Menge ins Erdreich und in die Steinschichten eindringende und dieselben auflösende Regen- und Schneewasser.
Ganz besonders ist dies bei denjenigen Gebirgen der Fall, deren unterste Gesteinslage aus einer kompakten, wenig porösen Masse besteht, die das in die Tiefe eindringende Wasser nur in sehr geringem Grade aufsaugt, wie z. B. harte Leberfelsschichten, Thonschiefer, derbe Kalke u. a. -- Liegt nun auf dieser ein fau¬ lendes, leicht verwitterbares, zur Auflösung geneigtes Gebirgs¬ material, wie z. B. rother Mergel, -- und über diesem wieder eine mächtige Schicht anderen Gesteines von geringer Dichtheit, wie Sandstein, Nagelfluh, oder überhaupt eine das Wasser filtrirende, gern durchlassende Felsart, so ist es eine ganz natürliche Folge, daß das Wasser entweder so lange durchsickert, bis es auf die unterste, dichteste Gesteinslage kommt und in unterirdischen Kanälen und Ritzen, der Abdachung des Felsen folgend, hinabrinnt, um aus tausend Erdarterien und Tropflöchern gespeist als Quelle wieder irgendwo zu Tage zu treten, -- oder, wenn es sich nicht genügend Abzug verschaffen kann, zersetzt und löst es allmählig die leicht verwitterbare Mittelschicht auf und verwandelt diese in einen zähen Schlammbrei.
Jetzt hängt es vom Gange der Witterung und der örtlichen Lage ab, was aus dieser halbflüssigen Erdschicht werden soll. Tritt nach anhaltendem Regen sehr trockene Witterung ein, so verdunsten nach und nach die aufgeschluckten Wasser wieder, der Brei erhärtet, dörrt aus und die drohende Gefahr wird abgewendet. Treibt aber der Föhn oder der Westwind fortwährend neue Regenmassen ins Land, stemmt der aufgeweichten Schicht sich kein, von der Natur selbst errichteter, dauerhafter Querdamm entgegen, bricht die ab¬ wärts drängende Masse durch, so entsteht eine Schlammlauine, die, wohin sie ihren trägen aber unaufhaltsamen Lauf richtet, wie
Der Goldauer Bergſturz.
des Alpengebäudes erörtert wurden) beſtehen. Hier wirkt dann das Waſſer direkt und zwar das in großer Menge ins Erdreich und in die Steinſchichten eindringende und dieſelben auflöſende Regen- und Schneewaſſer.
Ganz beſonders iſt dies bei denjenigen Gebirgen der Fall, deren unterſte Geſteinslage aus einer kompakten, wenig poröſen Maſſe beſteht, die das in die Tiefe eindringende Waſſer nur in ſehr geringem Grade aufſaugt, wie z. B. harte Leberfelsſchichten, Thonſchiefer, derbe Kalke u. a. — Liegt nun auf dieſer ein fau¬ lendes, leicht verwitterbares, zur Auflöſung geneigtes Gebirgs¬ material, wie z. B. rother Mergel, — und über dieſem wieder eine mächtige Schicht anderen Geſteines von geringer Dichtheit, wie Sandſtein, Nagelfluh, oder überhaupt eine das Waſſer filtrirende, gern durchlaſſende Felsart, ſo iſt es eine ganz natürliche Folge, daß das Waſſer entweder ſo lange durchſickert, bis es auf die unterſte, dichteſte Geſteinslage kommt und in unterirdiſchen Kanälen und Ritzen, der Abdachung des Felſen folgend, hinabrinnt, um aus tauſend Erdarterien und Tropflöchern geſpeiſt als Quelle wieder irgendwo zu Tage zu treten, — oder, wenn es ſich nicht genügend Abzug verſchaffen kann, zerſetzt und löſt es allmählig die leicht verwitterbare Mittelſchicht auf und verwandelt dieſe in einen zähen Schlammbrei.
Jetzt hängt es vom Gange der Witterung und der örtlichen Lage ab, was aus dieſer halbflüſſigen Erdſchicht werden ſoll. Tritt nach anhaltendem Regen ſehr trockene Witterung ein, ſo verdunſten nach und nach die aufgeſchluckten Waſſer wieder, der Brei erhärtet, dörrt aus und die drohende Gefahr wird abgewendet. Treibt aber der Föhn oder der Weſtwind fortwährend neue Regenmaſſen ins Land, ſtemmt der aufgeweichten Schicht ſich kein, von der Natur ſelbſt errichteter, dauerhafter Querdamm entgegen, bricht die ab¬ wärts drängende Maſſe durch, ſo entſteht eine Schlammlauine, die, wohin ſie ihren trägen aber unaufhaltſamen Lauf richtet, wie
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Der Goldauer Bergſturz.
des Alpengebäudes erörtert wurden) beſtehen. Hier wirkt dann das
Waſſer direkt und zwar das in großer Menge ins Erdreich und
in die Steinſchichten eindringende und dieſelben auflöſende Regen-
und Schneewaſſer.
Ganz beſonders iſt dies bei denjenigen Gebirgen der Fall,
deren unterſte Geſteinslage aus einer kompakten, wenig poröſen
Maſſe beſteht, die das in die Tiefe eindringende Waſſer nur in
ſehr geringem Grade aufſaugt, wie z. B. harte Leberfelsſchichten,
Thonſchiefer, derbe Kalke u. a. — Liegt nun auf dieſer ein fau¬
lendes, leicht verwitterbares, zur Auflöſung geneigtes Gebirgs¬
material, wie z. B. rother Mergel, — und über dieſem wieder
eine mächtige Schicht anderen Geſteines von geringer Dichtheit, wie
Sandſtein, Nagelfluh, oder überhaupt eine das Waſſer filtrirende,
gern durchlaſſende Felsart, ſo iſt es eine ganz natürliche Folge,
daß das Waſſer entweder ſo lange durchſickert, bis es auf die
unterſte, dichteſte Geſteinslage kommt und in unterirdiſchen Kanälen
und Ritzen, der Abdachung des Felſen folgend, hinabrinnt, um
aus tauſend Erdarterien und Tropflöchern geſpeiſt als Quelle
wieder irgendwo zu Tage zu treten, — oder, wenn es ſich nicht
genügend Abzug verſchaffen kann, zerſetzt und löſt es allmählig
die leicht verwitterbare Mittelſchicht auf und verwandelt dieſe in
einen zähen Schlammbrei.
Jetzt hängt es vom Gange der Witterung und der örtlichen
Lage ab, was aus dieſer halbflüſſigen Erdſchicht werden ſoll. Tritt
nach anhaltendem Regen ſehr trockene Witterung ein, ſo verdunſten
nach und nach die aufgeſchluckten Waſſer wieder, der Brei erhärtet,
dörrt aus und die drohende Gefahr wird abgewendet. Treibt aber
der Föhn oder der Weſtwind fortwährend neue Regenmaſſen ins
Land, ſtemmt der aufgeweichten Schicht ſich kein, von der Natur
ſelbſt errichteter, dauerhafter Querdamm entgegen, bricht die ab¬
wärts drängende Maſſe durch, ſo entſteht eine Schlammlauine,
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/68>, abgerufen am 21.11.2024.
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