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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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können und dass diese Störungen um so sicherer und
beträchtlicher sich zeigen, je ausgebreiteter die Läsionen
namentlich das Gebiet des linken Streifenhügels ein-
nehmen".

Dem gegenüber möchte ich hervorheben, dass unser
Patient im Beginne der Erkrankung überhaupt keine
Articulationsstörung gezeigt hat. Um diese Zeit litt er
nur an dyslectischer Lesestörung; dieselbe trat aber eben-
sowohl beim Laut-Lesen ein, als wenn er für sich las,
ja, er hatte sie gerade bei dieser letzteren Art des Lesens
zuerst bemerkt. Die Sprache als solche war damals noch
nicht im aller Geringsten alterirt. Erst mehrere Monate
später constatirte der Hausarzt nach wiederholten Schlag-
anfällen Sprachstörung in Form von Aphasie und ich
selbst fand (etwa 3/4 Jahre nach dem Auftreten der Dys-
lexie) einen Rest von atactischer Aphasie, welcher ein
gewisser Grad von Articulationsstörung beigemischt war.
Ich glaubte damals diese letztere auf eine gleichzeitige
leichte Bewegungsstörung der Lippen zurückführen zu
müssen. Lassen wir es aber dahingestellt, ob die Articu-
lationsstörung nicht durch die Läsion des Streifenhügels
verschuldet gewesen sein konnte, wenn gleich die Läsion
die rechte Seite betraf; jedenfalls konnte sie an der, die
Sprache als solche gar nicht tangirenden Dyslexie, nach
dem was wir bis dahin über die Function der Streifen-
hügel wissen, keinen Antheil haben.

Vielleicht erklärt sich die von Herrn Dr. Faber
mitgetheilte Beobachtung aus ihr, nämlich die vorüber-
gehende Ablenkung der herausgestreckten Zunge nach
rechts. Die linksseitige Beweglichkeits-Störung der Zungen-
muskulatur würde wenigstens mit der Rechtsseitigkeit des
anatomischen Heerdes übereinstimmen.

Der Befund im Kleinhirn (Fig. II, c) bestand darin,
dass die ganze untere Hälfte der linken Kleinhirnhemisphäre
in einen grossen Erweichungsheerd verwandelt war. Auch

können und dass diese Störungen um so sicherer und
beträchtlicher sich zeigen, je ausgebreiteter die Läsionen
namentlich das Gebiet des linken Streifenhügels ein-
nehmen“.

Dem gegenüber möchte ich hervorheben, dass unser
Patient im Beginne der Erkrankung überhaupt keine
Articulationsstörung gezeigt hat. Um diese Zeit litt er
nur an dyslectischer Lesestörung; dieselbe trat aber eben-
sowohl beim Laut-Lesen ein, als wenn er für sich las,
ja, er hatte sie gerade bei dieser letzteren Art des Lesens
zuerst bemerkt. Die Sprache als solche war damals noch
nicht im aller Geringsten alterirt. Erst mehrere Monate
später constatirte der Hausarzt nach wiederholten Schlag-
anfällen Sprachstörung in Form von Aphasie und ich
selbst fand (etwa ¾ Jahre nach dem Auftreten der Dys-
lexie) einen Rest von atactischer Aphasie, welcher ein
gewisser Grad von Articulationsstörung beigemischt war.
Ich glaubte damals diese letztere auf eine gleichzeitige
leichte Bewegungsstörung der Lippen zurückführen zu
müssen. Lassen wir es aber dahingestellt, ob die Articu-
lationsstörung nicht durch die Läsion des Streifenhügels
verschuldet gewesen sein konnte, wenn gleich die Läsion
die rechte Seite betraf; jedenfalls konnte sie an der, die
Sprache als solche gar nicht tangirenden Dyslexie, nach
dem was wir bis dahin über die Function der Streifen-
hügel wissen, keinen Antheil haben.

Vielleicht erklärt sich die von Herrn Dr. Faber
mitgetheilte Beobachtung aus ihr, nämlich die vorüber-
gehende Ablenkung der herausgestreckten Zunge nach
rechts. Die linksseitige Beweglichkeits-Störung der Zungen-
muskulatur würde wenigstens mit der Rechtsseitigkeit des
anatomischen Heerdes übereinstimmen.

Der Befund im Kleinhirn (Fig. II, c) bestand darin,
dass die ganze untere Hälfte der linken Kleinhirnhemisphäre
in einen grossen Erweichungsheerd verwandelt war. Auch

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[48/0052] können und dass diese Störungen um so sicherer und beträchtlicher sich zeigen, je ausgebreiteter die Läsionen namentlich das Gebiet des linken Streifenhügels ein- nehmen“. Dem gegenüber möchte ich hervorheben, dass unser Patient im Beginne der Erkrankung überhaupt keine Articulationsstörung gezeigt hat. Um diese Zeit litt er nur an dyslectischer Lesestörung; dieselbe trat aber eben- sowohl beim Laut-Lesen ein, als wenn er für sich las, ja, er hatte sie gerade bei dieser letzteren Art des Lesens zuerst bemerkt. Die Sprache als solche war damals noch nicht im aller Geringsten alterirt. Erst mehrere Monate später constatirte der Hausarzt nach wiederholten Schlag- anfällen Sprachstörung in Form von Aphasie und ich selbst fand (etwa ¾ Jahre nach dem Auftreten der Dys- lexie) einen Rest von atactischer Aphasie, welcher ein gewisser Grad von Articulationsstörung beigemischt war. Ich glaubte damals diese letztere auf eine gleichzeitige leichte Bewegungsstörung der Lippen zurückführen zu müssen. Lassen wir es aber dahingestellt, ob die Articu- lationsstörung nicht durch die Läsion des Streifenhügels verschuldet gewesen sein konnte, wenn gleich die Läsion die rechte Seite betraf; jedenfalls konnte sie an der, die Sprache als solche gar nicht tangirenden Dyslexie, nach dem was wir bis dahin über die Function der Streifen- hügel wissen, keinen Antheil haben. Vielleicht erklärt sich die von Herrn Dr. Faber mitgetheilte Beobachtung aus ihr, nämlich die vorüber- gehende Ablenkung der herausgestreckten Zunge nach rechts. Die linksseitige Beweglichkeits-Störung der Zungen- muskulatur würde wenigstens mit der Rechtsseitigkeit des anatomischen Heerdes übereinstimmen. Der Befund im Kleinhirn (Fig. II, c) bestand darin, dass die ganze untere Hälfte der linken Kleinhirnhemisphäre in einen grossen Erweichungsheerd verwandelt war. Auch

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/52>, abgerufen am 23.11.2024.