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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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Dasselbe steht in directer functioneller Verbindung
mit dem Sehcentrum, dem Centrum für die Bewegungs-
bilder der Worte, dem motorischen Centrum für die schrei-
bende Hand und dem, sowohl beim Laut- als beim Für-
sich-Lesen stets betheiligten Klangbild-Centrum.

Die engen functionellen Beziehungen dieser Centren
untereinander, welche sich beim Leseact geltend machen,
rechtfertigen die Vermuthung, dass auch ihre topogra-
phische Lage eine nachbarliche ist und wir werden des-
halb, Rechtshändigkeit vorausgesetzt, unser "Lesecentrum"
wohl generell in der Rindenschicht der linken Gehirn-
hemisphäre zu suchen haben und zwar in der Nähe der
3. Stirnwindung, des oberen Parietalwulstes, des Gyrus
angularis und der oberen Temporalwindung.

Diese Betrachtung führt uns wieder auf die untere
Scheitelwindung und es ist höchst verführerisch, sich
vorzustellen, dass in ihr der Sitz des Lesecentrums sei.
Diese Hypothese würde in einigen der oben angeführten
Sectionsbefunde bei Alexie, sowie in unserem Falle 6
eine positive Stütze finden.

Wenn ich mich trotzdem für verpflichtet hielt, "in
Betreff der Sicherheit etwa zu stellender Localdiagnosen"
zu warnen, so that ich dies aus 2 triftigen Gründen.
Einmal sind ja jene anatomischen Centren, in deren Nähe
wir uns das "Lesecentrum" zu denken hätten, selbst,
weder in ihrer Lage, noch in ihren Grenzen genau genug
bekannt, um sichere topographische Anhaltspunkte zu
bieten; es ist vielmehr als erwiesen anzusehen, dass sie
gar keine fest bestimmten Grenzen besitzen, sondern dass
sie allmählich, im Exner'schen Sinne, in ihre Umgebung
abklingen. Derselben Verschwommenheit der Ausdehnung
und Begrenzung würde auch das "Lesecentrum" unter-
liegen und daraus ergiebt sich, welch ein unsicherer
topographischer Begriff dasselbe schon unter normalen
Verhältnissen sein würde.

Dasselbe steht in directer functioneller Verbindung
mit dem Sehcentrum, dem Centrum für die Bewegungs-
bilder der Worte, dem motorischen Centrum für die schrei-
bende Hand und dem, sowohl beim Laut- als beim Für-
sich-Lesen stets betheiligten Klangbild-Centrum.

Die engen functionellen Beziehungen dieser Centren
untereinander, welche sich beim Leseact geltend machen,
rechtfertigen die Vermuthung, dass auch ihre topogra-
phische Lage eine nachbarliche ist und wir werden des-
halb, Rechtshändigkeit vorausgesetzt, unser „Lesecentrum“
wohl generell in der Rindenschicht der linken Gehirn-
hemisphäre zu suchen haben und zwar in der Nähe der
3. Stirnwindung, des oberen Parietalwulstes, des Gyrus
angularis und der oberen Temporalwindung.

Diese Betrachtung führt uns wieder auf die untere
Scheitelwindung und es ist höchst verführerisch, sich
vorzustellen, dass in ihr der Sitz des Lesecentrums sei.
Diese Hypothese würde in einigen der oben angeführten
Sectionsbefunde bei Alexie, sowie in unserem Falle 6
eine positive Stütze finden.

Wenn ich mich trotzdem für verpflichtet hielt, „in
Betreff der Sicherheit etwa zu stellender Localdiagnosen“
zu warnen, so that ich dies aus 2 triftigen Gründen.
Einmal sind ja jene anatomischen Centren, in deren Nähe
wir uns das „Lesecentrum“ zu denken hätten, selbst,
weder in ihrer Lage, noch in ihren Grenzen genau genug
bekannt, um sichere topographische Anhaltspunkte zu
bieten; es ist vielmehr als erwiesen anzusehen, dass sie
gar keine fest bestimmten Grenzen besitzen, sondern dass
sie allmählich, im Exner’schen Sinne, in ihre Umgebung
abklingen. Derselben Verschwommenheit der Ausdehnung
und Begrenzung würde auch das „Lesecentrum“ unter-
liegen und daraus ergiebt sich, welch ein unsicherer
topographischer Begriff dasselbe schon unter normalen
Verhältnissen sein würde.

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[64/0068] Dasselbe steht in directer functioneller Verbindung mit dem Sehcentrum, dem Centrum für die Bewegungs- bilder der Worte, dem motorischen Centrum für die schrei- bende Hand und dem, sowohl beim Laut- als beim Für- sich-Lesen stets betheiligten Klangbild-Centrum. Die engen functionellen Beziehungen dieser Centren untereinander, welche sich beim Leseact geltend machen, rechtfertigen die Vermuthung, dass auch ihre topogra- phische Lage eine nachbarliche ist und wir werden des- halb, Rechtshändigkeit vorausgesetzt, unser „Lesecentrum“ wohl generell in der Rindenschicht der linken Gehirn- hemisphäre zu suchen haben und zwar in der Nähe der 3. Stirnwindung, des oberen Parietalwulstes, des Gyrus angularis und der oberen Temporalwindung. Diese Betrachtung führt uns wieder auf die untere Scheitelwindung und es ist höchst verführerisch, sich vorzustellen, dass in ihr der Sitz des Lesecentrums sei. Diese Hypothese würde in einigen der oben angeführten Sectionsbefunde bei Alexie, sowie in unserem Falle 6 eine positive Stütze finden. Wenn ich mich trotzdem für verpflichtet hielt, „in Betreff der Sicherheit etwa zu stellender Localdiagnosen“ zu warnen, so that ich dies aus 2 triftigen Gründen. Einmal sind ja jene anatomischen Centren, in deren Nähe wir uns das „Lesecentrum“ zu denken hätten, selbst, weder in ihrer Lage, noch in ihren Grenzen genau genug bekannt, um sichere topographische Anhaltspunkte zu bieten; es ist vielmehr als erwiesen anzusehen, dass sie gar keine fest bestimmten Grenzen besitzen, sondern dass sie allmählich, im Exner’schen Sinne, in ihre Umgebung abklingen. Derselben Verschwommenheit der Ausdehnung und Begrenzung würde auch das „Lesecentrum“ unter- liegen und daraus ergiebt sich, welch ein unsicherer topographischer Begriff dasselbe schon unter normalen Verhältnissen sein würde.

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/68>, abgerufen am 23.11.2024.