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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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langten Fällen gefunden wurden, so waren es in der über-
wiegenden Mehrzahl, nämlich 5 mal, Circulationsstörungen;
einmal ein Tumor. Die Circulationsstörung manifestirte
sich theils in Apoplexien, theils in Erweichungsheerden,
welche ihrerseits entweder sog. capillären Apoplexien
oder einer Thrombose ihren Ursprung verdankten. Einige
Male hatten die Letzteren nicht zu necrotischer Zerstörung
von Gehirnsubstanz geführt, sondern die acute Hemmung
des Blutlaufes hatte sich auf collateralem Wege ausge-
glichen. Bis dies geschehen, war aber jedenfalls eine
intensive, wenn auch vorübergehende, Beeinträchtigung
der Ernährung vorhanden gewesen, welche die Unter-
brechung der Function verschuldet hatte.

Die primäre anatomische Veränderung, welche den
Ausgangspunkt der Gehirnaffection gebildet hatte, war
in denjenigen unter meiner eigenen Beobachtung gestan-
denen Fällen, welche zur Section gekommen waren, aus-
nahmslos eine verbreitete Erkrankung der Gefässwan-
dungen gewesen. Ob die Gefässwandungen in dem Nie-
den's
chen Falle wirklich ganz intact gewesen sind, geht
aus der Beschreibung nicht mit absoluter Sicherheit her-
vor. N. drückt sich in dieser Richtung etwas zurück-
haltend aus, indem er von der thrombotischen Arteria
lenticulo-striata, den Gefässen der Plexus choroidei und
einzelner grösseren Arterienstämme der Basis sagt, dass
die mikroscopische Untersuchung ihrer Wandungen keine
"wesentlichen" pathologischen Veränderungen ergeben
hätte, sondern dass dieselben "ziemlich normale Structur"
gezeigt hätten.

In zweien dieser Fälle mit Gefässerkrankung war
Syphilis vorausgegangen. Einer derselben war von dem
behandelnden Arzte (Faber) als Endarteritis syphilitica
während des Lebens erkannt worden.

Niemals habe ich die Dyslexie in Alexie übergehen
sehen, sondern es tritt, wie schon hervorgehoben wurde,

langten Fällen gefunden wurden, so waren es in der über-
wiegenden Mehrzahl, nämlich 5 mal, Circulationsstörungen;
einmal ein Tumor. Die Circulationsstörung manifestirte
sich theils in Apoplexien, theils in Erweichungsheerden,
welche ihrerseits entweder sog. capillären Apoplexien
oder einer Thrombose ihren Ursprung verdankten. Einige
Male hatten die Letzteren nicht zu necrotischer Zerstörung
von Gehirnsubstanz geführt, sondern die acute Hemmung
des Blutlaufes hatte sich auf collateralem Wege ausge-
glichen. Bis dies geschehen, war aber jedenfalls eine
intensive, wenn auch vorübergehende, Beeinträchtigung
der Ernährung vorhanden gewesen, welche die Unter-
brechung der Function verschuldet hatte.

Die primäre anatomische Veränderung, welche den
Ausgangspunkt der Gehirnaffection gebildet hatte, war
in denjenigen unter meiner eigenen Beobachtung gestan-
denen Fällen, welche zur Section gekommen waren, aus-
nahmslos eine verbreitete Erkrankung der Gefässwan-
dungen gewesen. Ob die Gefässwandungen in dem Nie-
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chen Falle wirklich ganz intact gewesen sind, geht
aus der Beschreibung nicht mit absoluter Sicherheit her-
vor. N. drückt sich in dieser Richtung etwas zurück-
haltend aus, indem er von der thrombotischen Arteria
lenticulo-striata, den Gefässen der Plexus choroidei und
einzelner grösseren Arterienstämme der Basis sagt, dass
die mikroscopische Untersuchung ihrer Wandungen keine
„wesentlichen“ pathologischen Veränderungen ergeben
hätte, sondern dass dieselben „ziemlich normale Structur“
gezeigt hätten.

In zweien dieser Fälle mit Gefässerkrankung war
Syphilis vorausgegangen. Einer derselben war von dem
behandelnden Arzte (Faber) als Endarteritis syphilitica
während des Lebens erkannt worden.

Niemals habe ich die Dyslexie in Alexie übergehen
sehen, sondern es tritt, wie schon hervorgehoben wurde,

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[68/0072] langten Fällen gefunden wurden, so waren es in der über- wiegenden Mehrzahl, nämlich 5 mal, Circulationsstörungen; einmal ein Tumor. Die Circulationsstörung manifestirte sich theils in Apoplexien, theils in Erweichungsheerden, welche ihrerseits entweder sog. capillären Apoplexien oder einer Thrombose ihren Ursprung verdankten. Einige Male hatten die Letzteren nicht zu necrotischer Zerstörung von Gehirnsubstanz geführt, sondern die acute Hemmung des Blutlaufes hatte sich auf collateralem Wege ausge- glichen. Bis dies geschehen, war aber jedenfalls eine intensive, wenn auch vorübergehende, Beeinträchtigung der Ernährung vorhanden gewesen, welche die Unter- brechung der Function verschuldet hatte. Die primäre anatomische Veränderung, welche den Ausgangspunkt der Gehirnaffection gebildet hatte, war in denjenigen unter meiner eigenen Beobachtung gestan- denen Fällen, welche zur Section gekommen waren, aus- nahmslos eine verbreitete Erkrankung der Gefässwan- dungen gewesen. Ob die Gefässwandungen in dem Nie- den’schen Falle wirklich ganz intact gewesen sind, geht aus der Beschreibung nicht mit absoluter Sicherheit her- vor. N. drückt sich in dieser Richtung etwas zurück- haltend aus, indem er von der thrombotischen Arteria lenticulo-striata, den Gefässen der Plexus choroidei und einzelner grösseren Arterienstämme der Basis sagt, dass die mikroscopische Untersuchung ihrer Wandungen keine „wesentlichen“ pathologischen Veränderungen ergeben hätte, sondern dass dieselben „ziemlich normale Structur“ gezeigt hätten. In zweien dieser Fälle mit Gefässerkrankung war Syphilis vorausgegangen. Einer derselben war von dem behandelnden Arzte (Faber) als Endarteritis syphilitica während des Lebens erkannt worden. Niemals habe ich die Dyslexie in Alexie übergehen sehen, sondern es tritt, wie schon hervorgehoben wurde,

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/72>, abgerufen am 28.04.2024.