Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.in der Regel eine Besserung, ja völlige Restitution der Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, dass diese Diese Fälle stehen vermuthlich der Alexie oder Wort- Wenden wir uns jetzt dem Verlaufe des Gesammt- in der Regel eine Besserung, ja völlige Restitution der Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, dass diese Diese Fälle stehen vermuthlich der Alexie oder Wort- Wenden wir uns jetzt dem Verlaufe des Gesammt- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0073" n="69"/> in der Regel eine Besserung, ja völlige Restitution der<lb/> dyslectischen Lesestörung ein.</p><lb/> <p>Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, dass diese<lb/> Besserung, da wo sie sehr rasch, d. h. in 3 bis 4 Wochen,<lb/> von Statten ging, auf einer directen Entlastung derjenigen<lb/> Gehirntheile beruhte, deren Ausser-Dienststellung die Dys-<lb/> lexie hervorgerufen hatte. In denjenigen Fällen, in wel-<lb/> chen die Lesestörung monatelang unverändert besteht und<lb/> sich dann erst nach und nach verliert, dürfte die Heilung<lb/> nur eine functionelle sein und auf vicariirender Einübung<lb/> anderer Gehirntheile beruhen, während ein integrirender<lb/> Theil des ursprünglichen „Lesecentrums“ definitiv zerstört<lb/> bleibt.</p><lb/> <p>Diese Fälle stehen vermuthlich der Alexie oder Wort-<lb/> blindheit anatomisch näher als die leichteren Formen. Ich<lb/> habe oben darauf hingewiesen, dass die Dyslexie sich von<lb/> der Alexie, den Schematen nach, nur quantitativ unter-<lb/> scheide. Vielleicht ist dies auch im anatomischen Sinne<lb/> zutreffend. Nicht, dass ich meinte, das absolute Gebiet<lb/> der erkrankten Hirnparthie sei grösser bei der Alexie;<lb/> sondern ich möchte annehmen, dass bei der ersteren ein<lb/> grösserer Theil des „Lesecentrums“ betroffen sei. Daher<lb/> kommt es vielleicht auch, dass die Alexie keineswegs<lb/> jene durchnittliche Tendenz zur schnellen Heilung zeigt;<lb/> vermuthlich geht bei ihr die functionelle Reparation stets<lb/> nur auf dem Wege des Vicariirens vor sich.</p><lb/> <p>Wenden wir uns jetzt dem Verlaufe des Gesammt-<lb/> erkrankungsbildes zu, so ist der Eindruck auf den ersten<lb/> Anblick allerdings ein sehr ungünstiger. Nicht blos in<lb/> den von mir beobachteten 6 Fällen, sondern auch in den<lb/> beiden neu hinzugekommenen war der Ausgang ein le-<lb/> thaler. So scheint es dann, dass der Erwerb, welchem<lb/> die Diagnose durch eine eingehende Würdigung der dys-<lb/> lectischen Lesestörung zuwächst, wohl dem ärztlichen Er-<lb/> kennen, aber nicht unserem therapeutischen Können zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [69/0073]
in der Regel eine Besserung, ja völlige Restitution der
dyslectischen Lesestörung ein.
Es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, dass diese
Besserung, da wo sie sehr rasch, d. h. in 3 bis 4 Wochen,
von Statten ging, auf einer directen Entlastung derjenigen
Gehirntheile beruhte, deren Ausser-Dienststellung die Dys-
lexie hervorgerufen hatte. In denjenigen Fällen, in wel-
chen die Lesestörung monatelang unverändert besteht und
sich dann erst nach und nach verliert, dürfte die Heilung
nur eine functionelle sein und auf vicariirender Einübung
anderer Gehirntheile beruhen, während ein integrirender
Theil des ursprünglichen „Lesecentrums“ definitiv zerstört
bleibt.
Diese Fälle stehen vermuthlich der Alexie oder Wort-
blindheit anatomisch näher als die leichteren Formen. Ich
habe oben darauf hingewiesen, dass die Dyslexie sich von
der Alexie, den Schematen nach, nur quantitativ unter-
scheide. Vielleicht ist dies auch im anatomischen Sinne
zutreffend. Nicht, dass ich meinte, das absolute Gebiet
der erkrankten Hirnparthie sei grösser bei der Alexie;
sondern ich möchte annehmen, dass bei der ersteren ein
grösserer Theil des „Lesecentrums“ betroffen sei. Daher
kommt es vielleicht auch, dass die Alexie keineswegs
jene durchnittliche Tendenz zur schnellen Heilung zeigt;
vermuthlich geht bei ihr die functionelle Reparation stets
nur auf dem Wege des Vicariirens vor sich.
Wenden wir uns jetzt dem Verlaufe des Gesammt-
erkrankungsbildes zu, so ist der Eindruck auf den ersten
Anblick allerdings ein sehr ungünstiger. Nicht blos in
den von mir beobachteten 6 Fällen, sondern auch in den
beiden neu hinzugekommenen war der Ausgang ein le-
thaler. So scheint es dann, dass der Erwerb, welchem
die Diagnose durch eine eingehende Würdigung der dys-
lectischen Lesestörung zuwächst, wohl dem ärztlichen Er-
kennen, aber nicht unserem therapeutischen Können zu
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