Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

zu einem Braumeister,
fertig rechnen kunte, so nahm er mich willig
auf, that mir auch viel Güte, damit ich seine
Kinder wohl informiren solte, ob ich wohl selbst
noch ein Knabe, und im 15. Jahre meines Alters
war. War ich nun in meines Vaters Hause
wegen der Mährgen, welche die alten Weiber,
und andere Leute den Kindern erzehlen, ein
furchtsames Thier gewesen, so daß, wenn meine
Eltern und Schwestern auf dem Felde waren,
und ich das Haus hüten muste, ich nicht das
Hertze hatte in der Stube alleine zu bleiben,
wenn man mir auch groß Geld gegeben hätte,
und lieber im Hofe Kälte, und Frost ausstand,
als daß ich in die warme Stube gegangen wäre,
auch iede fremde Katze, wenn ich sie nur mau-
tzen hörte, schon aus Aberglauben vor eine Hexe
hielt, und deßwegen zitterte und bebete: so war ich
es in der Stadt bey fremden Leuten noch in einem
höhern Grade, absonderlich in dem ersten Jahre.
Jch muste des Abends, wenn ich von Tische
kam, in obgedachtem Hause über den finstern
Hof gehen, und des Abends ohne Licht schlafen
gehen: ich muste in einer Cammer alleine schla-
fen, auch schlief niemand in der Nähe um mich.
Das war eine schreckliche Prüfung und Ubung
vor einen Menschen, der auch wegen seines Tempe-
rament
es, und von Natur schon zur Furcht geneigt
war. Hat die Furcht schon nicht die Götter, so

hat

zu einem Braumeiſter,
fertig rechnen kunte, ſo nahm er mich willig
auf, that mir auch viel Guͤte, damit ich ſeine
Kinder wohl informiren ſolte, ob ich wohl ſelbſt
noch ein Knabe, und im 15. Jahre meines Alters
war. War ich nun in meines Vaters Hauſe
wegen der Maͤhrgen, welche die alten Weiber,
und andere Leute den Kindern erzehlen, ein
furchtſames Thier geweſen, ſo daß, wenn meine
Eltern und Schweſtern auf dem Felde waren,
und ich das Haus huͤten muſte, ich nicht das
Hertze hatte in der Stube alleine zu bleiben,
wenn man mir auch groß Geld gegeben haͤtte,
und lieber im Hofe Kaͤlte, und Froſt ausſtand,
als daß ich in die warme Stube gegangen waͤre,
auch iede fremde Katze, wenn ich ſie nur mau-
tzen hoͤrte, ſchon aus Aberglauben vor eine Hexe
hielt, und deßwegen zitterte und bebete: ſo war ich
es in der Stadt bey fremden Leuten noch in einem
hoͤhern Grade, abſonderlich in dem erſten Jahre.
Jch muſte des Abends, wenn ich von Tiſche
kam, in obgedachtem Hauſe uͤber den finſtern
Hof gehen, und des Abends ohne Licht ſchlafen
gehen: ich muſte in einer Cammer alleine ſchla-
fen, auch ſchlief niemand in der Naͤhe um mich.
Das war eine ſchreckliche Pruͤfung und Ubung
vor einen Menſchen, der auch wegen ſeines Tempe-
rament
es, und von Natur ſchon zur Furcht geneigt
war. Hat die Furcht ſchon nicht die Goͤtter, ſo

hat
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0110" n="64"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">zu einem Braumei&#x017F;ter,</hi></fw><lb/>
fertig rechnen kunte, &#x017F;o nahm er mich willig<lb/>
auf, that mir auch viel Gu&#x0364;te, damit ich &#x017F;eine<lb/>
Kinder wohl <hi rendition="#aq">informi</hi>ren &#x017F;olte, ob ich wohl &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
noch ein Knabe, und im 15. Jahre meines Alters<lb/>
war. War ich nun in meines Vaters Hau&#x017F;e<lb/>
wegen der Ma&#x0364;hrgen, welche die alten Weiber,<lb/>
und andere Leute den Kindern erzehlen, ein<lb/>
furcht&#x017F;ames Thier gewe&#x017F;en, &#x017F;o daß, wenn meine<lb/>
Eltern und Schwe&#x017F;tern auf dem Felde waren,<lb/>
und ich das Haus hu&#x0364;ten mu&#x017F;te, ich nicht das<lb/>
Hertze hatte in der Stube alleine zu bleiben,<lb/>
wenn man mir auch groß Geld gegeben ha&#x0364;tte,<lb/>
und lieber im Hofe Ka&#x0364;lte, und Fro&#x017F;t aus&#x017F;tand,<lb/>
als daß ich in die warme Stube gegangen wa&#x0364;re,<lb/>
auch iede fremde Katze, wenn ich &#x017F;ie nur mau-<lb/>
tzen ho&#x0364;rte, &#x017F;chon aus Aberglauben vor eine Hexe<lb/>
hielt, und deßwegen zitterte und bebete: &#x017F;o war ich<lb/>
es in der Stadt bey fremden Leuten noch in einem<lb/>
ho&#x0364;hern Grade, ab&#x017F;onderlich in dem er&#x017F;ten Jahre.<lb/>
Jch mu&#x017F;te des Abends, wenn ich von Ti&#x017F;che<lb/>
kam, in obgedachtem Hau&#x017F;e u&#x0364;ber den fin&#x017F;tern<lb/>
Hof gehen, und des Abends ohne Licht &#x017F;chlafen<lb/>
gehen: ich mu&#x017F;te in einer Cammer alleine &#x017F;chla-<lb/>
fen, auch &#x017F;chlief niemand in der Na&#x0364;he um mich.<lb/>
Das war eine &#x017F;chreckliche Pru&#x0364;fung und Ubung<lb/>
vor einen Men&#x017F;chen, der auch wegen &#x017F;eines <hi rendition="#aq">Tempe-<lb/>
rament</hi>es, und von Natur &#x017F;chon zur Furcht geneigt<lb/>
war. Hat die Furcht &#x017F;chon nicht die Go&#x0364;tter, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hat</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0110] zu einem Braumeiſter, fertig rechnen kunte, ſo nahm er mich willig auf, that mir auch viel Guͤte, damit ich ſeine Kinder wohl informiren ſolte, ob ich wohl ſelbſt noch ein Knabe, und im 15. Jahre meines Alters war. War ich nun in meines Vaters Hauſe wegen der Maͤhrgen, welche die alten Weiber, und andere Leute den Kindern erzehlen, ein furchtſames Thier geweſen, ſo daß, wenn meine Eltern und Schweſtern auf dem Felde waren, und ich das Haus huͤten muſte, ich nicht das Hertze hatte in der Stube alleine zu bleiben, wenn man mir auch groß Geld gegeben haͤtte, und lieber im Hofe Kaͤlte, und Froſt ausſtand, als daß ich in die warme Stube gegangen waͤre, auch iede fremde Katze, wenn ich ſie nur mau- tzen hoͤrte, ſchon aus Aberglauben vor eine Hexe hielt, und deßwegen zitterte und bebete: ſo war ich es in der Stadt bey fremden Leuten noch in einem hoͤhern Grade, abſonderlich in dem erſten Jahre. Jch muſte des Abends, wenn ich von Tiſche kam, in obgedachtem Hauſe uͤber den finſtern Hof gehen, und des Abends ohne Licht ſchlafen gehen: ich muſte in einer Cammer alleine ſchla- fen, auch ſchlief niemand in der Naͤhe um mich. Das war eine ſchreckliche Pruͤfung und Ubung vor einen Menſchen, der auch wegen ſeines Tempe- ramentes, und von Natur ſchon zur Furcht geneigt war. Hat die Furcht ſchon nicht die Goͤtter, ſo hat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/110
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/110>, abgerufen am 23.11.2024.