Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

er sich selbst
sagen möchte: & homo factus est. Jch habe
mich auch darnach in meinem Predigt-Amte ge-
richtet; und, weil ich in gemeinen Dingen
dieses Lebens wenig, oder gar keine Erkänntniß,
vollends auch keine Gabe zu conversiren hatte,
so habe mich von Gastmahlen derer, die mich
als Prediger gerne damit ehren wollen, und von
ihrem öfftern Umgange enthalten, so viel ich ge-
konnt. Denn so bald der Respect, und der
Estim eines Predigers bey den Zuhörern ge-
schwächet wird, so verliehret auch die Erbauung
und ihr Glaube ein großes Theil seiner Stärcke.
Eine gewisse Frau wünschte einst nur gar zu sehr,
mich offt bey sich zu Gaste zu haben. Denn
weil ich auf der Cantzel manchmahl aller-
hand Argutien, und Scharffsinnigkeiten machte,
so meynte sie, ich solte auch dergleichen bey ihr
zu Hause thun, und sie mit allerhand bons mots
und Possen divertiren; fieng zu dem Ende mit
mir an zu hetzen, und zu railliren; da ich aber
sahe, daß ihr Endzweck nur fleischlich, und sie
ohnedem schon einen kleinen Harlequin am Ti-
sche sitzen hatte, so dachte ich in meinem Sinn:
basta un matto per casa, ein Haus hat an
einem Narren genug,
und kam nicht wieder.
Sed haec obiter.

Anno
F

er ſich ſelbſt
ſagen moͤchte: & homo factus eſt. Jch habe
mich auch darnach in meinem Predigt-Amte ge-
richtet; und, weil ich in gemeinen Dingen
dieſes Lebens wenig, oder gar keine Erkaͤnntniß,
vollends auch keine Gabe zu converſiren hatte,
ſo habe mich von Gaſtmahlen derer, die mich
als Prediger gerne damit ehren wollen, und von
ihrem oͤfftern Umgange enthalten, ſo viel ich ge-
konnt. Denn ſo bald der Reſpect, und der
Eſtim eines Predigers bey den Zuhoͤrern ge-
ſchwaͤchet wird, ſo verliehret auch die Erbauung
und ihr Glaube ein großes Theil ſeiner Staͤrcke.
Eine gewiſſe Frau wuͤnſchte einſt nur gar zu ſehr,
mich offt bey ſich zu Gaſte zu haben. Denn
weil ich auf der Cantzel manchmahl aller-
hand Argutien, und Scharffſinnigkeiten machte,
ſo meynte ſie, ich ſolte auch dergleichen bey ihr
zu Hauſe thun, und ſie mit allerhand bons mots
und Poſſen divertiren; fieng zu dem Ende mit
mir an zu hetzen, und zu railliren; da ich aber
ſahe, daß ihr Endzweck nur fleiſchlich, und ſie
ohnedem ſchon einen kleinen Harlequin am Ti-
ſche ſitzen hatte, ſo dachte ich in meinem Sinn:
baſta un matto per caſa, ein Haus hat an
einem Narren genug,
und kam nicht wieder.
Sed hæc obiter.

Anno
F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127" n="81"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi></fw><lb/>
&#x017F;agen mo&#x0364;chte: <hi rendition="#aq">&amp; homo factus e&#x017F;t.</hi> Jch habe<lb/>
mich auch darnach in meinem Predigt-Amte ge-<lb/>
richtet; und, weil ich in gemeinen Dingen<lb/>
die&#x017F;es Lebens wenig, oder gar keine Erka&#x0364;nntniß,<lb/>
vollends auch keine Gabe zu <hi rendition="#aq">conver&#x017F;i</hi>ren hatte,<lb/>
&#x017F;o habe mich von Ga&#x017F;tmahlen derer, die mich<lb/>
als Prediger gerne damit ehren wollen, und von<lb/>
ihrem o&#x0364;fftern Umgange enthalten, &#x017F;o viel ich ge-<lb/>
konnt. Denn &#x017F;o bald der <hi rendition="#aq">Re&#x017F;pect,</hi> und der<lb/><hi rendition="#aq">E&#x017F;tim</hi> eines Predigers bey den Zuho&#x0364;rern ge-<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;chet wird, &#x017F;o verliehret auch die Erbauung<lb/>
und ihr Glaube ein großes Theil &#x017F;einer Sta&#x0364;rcke.<lb/>
Eine gewi&#x017F;&#x017F;e Frau wu&#x0364;n&#x017F;chte ein&#x017F;t nur gar zu &#x017F;ehr,<lb/>
mich offt bey &#x017F;ich zu Ga&#x017F;te zu haben. Denn<lb/>
weil ich auf der Cantzel manchmahl aller-<lb/>
hand <hi rendition="#aq">Arguti</hi>en, und Scharff&#x017F;innigkeiten machte,<lb/>
&#x017F;o meynte &#x017F;ie, ich &#x017F;olte auch dergleichen bey ihr<lb/>
zu Hau&#x017F;e thun, und &#x017F;ie mit allerhand <hi rendition="#aq">bons mots</hi><lb/>
und Po&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">diverti</hi>ren; fieng zu dem Ende mit<lb/>
mir an zu hetzen, und zu <hi rendition="#aq">railli</hi>ren; da ich aber<lb/>
&#x017F;ahe, daß ihr Endzweck nur flei&#x017F;chlich, und &#x017F;ie<lb/>
ohnedem &#x017F;chon einen kleinen <hi rendition="#aq">Harlequin</hi> am Ti-<lb/>
&#x017F;che &#x017F;itzen hatte, &#x017F;o dachte ich in meinem Sinn:<lb/><hi rendition="#aq">ba&#x017F;ta un matto per ca&#x017F;a,</hi> <hi rendition="#fr">ein Haus hat an<lb/>
einem Narren genug,</hi> und kam nicht wieder.<lb/><hi rendition="#aq">Sed hæc obiter.</hi></p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">F</fw>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Anno</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0127] er ſich ſelbſt ſagen moͤchte: & homo factus eſt. Jch habe mich auch darnach in meinem Predigt-Amte ge- richtet; und, weil ich in gemeinen Dingen dieſes Lebens wenig, oder gar keine Erkaͤnntniß, vollends auch keine Gabe zu converſiren hatte, ſo habe mich von Gaſtmahlen derer, die mich als Prediger gerne damit ehren wollen, und von ihrem oͤfftern Umgange enthalten, ſo viel ich ge- konnt. Denn ſo bald der Reſpect, und der Eſtim eines Predigers bey den Zuhoͤrern ge- ſchwaͤchet wird, ſo verliehret auch die Erbauung und ihr Glaube ein großes Theil ſeiner Staͤrcke. Eine gewiſſe Frau wuͤnſchte einſt nur gar zu ſehr, mich offt bey ſich zu Gaſte zu haben. Denn weil ich auf der Cantzel manchmahl aller- hand Argutien, und Scharffſinnigkeiten machte, ſo meynte ſie, ich ſolte auch dergleichen bey ihr zu Hauſe thun, und ſie mit allerhand bons mots und Poſſen divertiren; fieng zu dem Ende mit mir an zu hetzen, und zu railliren; da ich aber ſahe, daß ihr Endzweck nur fleiſchlich, und ſie ohnedem ſchon einen kleinen Harlequin am Ti- ſche ſitzen hatte, ſo dachte ich in meinem Sinn: baſta un matto per caſa, ein Haus hat an einem Narren genug, und kam nicht wieder. Sed hæc obiter. Anno F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/127
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/127>, abgerufen am 18.05.2024.