Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

durch den Tod beraubet:
vor was du wilt, so kan ich nicht umhin, dir
abermal zwey merckwürdige Träume zu erzehlen,
die mir solche Veränderung meines Zustandes
vorher angedeutet. Die eine Nacht träumte
mir, als ob meine Bücher mir aus denen Fä-
chern, und Regalen des Repositorii fielen: so
offt ich sie wieder hinein setzte, so offte fielen sie
immer wieder heraus; dieß trieb ich im Schlaf
so lange, bis mir das gantze Repositorium umfiel.
Die dritte, oder vierdte Nacht darauf träumete
mir, als ob der Bier-Kegel, den die Kretschmer
in Breßlau, wenn Schenck-Tag ist, heraus-
stecken, wie hier in der Säge, und im Einhorn
vor dem Grimmischen Thore solche Kegel auch
zu sehen sind, herunter und in Stücken fiele.
Jch gieng im Traume in das Gymnasium dar-
über; und, weil es Schenck-Tag war,
dachte ich immer, was sie doch in solchem Falle
machen würden. Wie ich aber aus dem Gy-
mnasio
kam, (so deuchte es mich im Traume,)
so sahe ich, daß ein neuer und gantz anderer Ke-
gel an des vorigen Stelle war aufgestecket wor-
den. Die Träume bekümmerten mich nicht
wenig; es währte aber nicht lange, so wurde
die Deutung handgreifflich. Denn so gesund
meine Wirthin dazumahl noch war, so wurde
sie doch unvermuthet kranck, und in kurtzem starb
sie gar. Es kauffte das Haus ein ander Kret-

schmar
F 5

durch den Tod beraubet:
vor was du wilt, ſo kan ich nicht umhin, dir
abermal zwey merckwuͤrdige Traͤume zu erzehlen,
die mir ſolche Veraͤnderung meines Zuſtandes
vorher angedeutet. Die eine Nacht traͤumte
mir, als ob meine Buͤcher mir aus denen Faͤ-
chern, und Regalen des Repoſitorii fielen: ſo
offt ich ſie wieder hinein ſetzte, ſo offte fielen ſie
immer wieder heraus; dieß trieb ich im Schlaf
ſo lange, bis mir das gantze Repoſitorium umfiel.
Die dritte, oder vierdte Nacht darauf traͤumete
mir, als ob der Bier-Kegel, den die Kretſchmer
in Breßlau, wenn Schenck-Tag iſt, heraus-
ſtecken, wie hier in der Saͤge, und im Einhorn
vor dem Grimmiſchen Thore ſolche Kegel auch
zu ſehen ſind, herunter und in Stuͤcken fiele.
Jch gieng im Traume in das Gymnaſium dar-
uͤber; und, weil es Schenck-Tag war,
dachte ich immer, was ſie doch in ſolchem Falle
machen wuͤrden. Wie ich aber aus dem Gy-
mnaſio
kam, (ſo deuchte es mich im Traume,)
ſo ſahe ich, daß ein neuer und gantz anderer Ke-
gel an des vorigen Stelle war aufgeſtecket wor-
den. Die Traͤume bekuͤmmerten mich nicht
wenig; es waͤhrte aber nicht lange, ſo wurde
die Deutung handgreifflich. Denn ſo geſund
meine Wirthin dazumahl noch war, ſo wurde
ſie doch unvermuthet kranck, und in kurtzem ſtarb
ſie gar. Es kauffte das Haus ein ander Kret-

ſchmar
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">durch den Tod beraubet:</hi></fw><lb/>
vor was du wilt, &#x017F;o kan ich nicht umhin, dir<lb/>
abermal zwey merckwu&#x0364;rdige Tra&#x0364;ume zu erzehlen,<lb/>
die mir &#x017F;olche Vera&#x0364;nderung meines Zu&#x017F;tandes<lb/>
vorher angedeutet. Die eine Nacht tra&#x0364;umte<lb/>
mir, als ob meine Bu&#x0364;cher mir aus denen Fa&#x0364;-<lb/>
chern, und <hi rendition="#aq">Regal</hi>en des <hi rendition="#aq">Repo&#x017F;itorii</hi> fielen: &#x017F;o<lb/>
offt ich &#x017F;ie wieder hinein &#x017F;etzte, &#x017F;o offte fielen &#x017F;ie<lb/>
immer wieder heraus; dieß trieb ich im Schlaf<lb/>
&#x017F;o lange, bis mir das gantze <hi rendition="#aq">Repo&#x017F;itorium</hi> umfiel.<lb/>
Die dritte, oder vierdte Nacht darauf tra&#x0364;umete<lb/>
mir, als ob der Bier-Kegel, den die Kret&#x017F;chmer<lb/>
in Breßlau, wenn Schenck-Tag i&#x017F;t, heraus-<lb/>
&#x017F;tecken, wie hier in der Sa&#x0364;ge, und im Einhorn<lb/>
vor dem Grimmi&#x017F;chen Thore &#x017F;olche Kegel auch<lb/>
zu &#x017F;ehen &#x017F;ind, herunter und in Stu&#x0364;cken fiele.<lb/>
Jch gieng im Traume in das <hi rendition="#aq">Gymna&#x017F;ium</hi> dar-<lb/>
u&#x0364;ber; und, weil es Schenck-Tag war,<lb/>
dachte ich immer, was &#x017F;ie doch in &#x017F;olchem Falle<lb/>
machen wu&#x0364;rden. Wie ich aber aus dem <hi rendition="#aq">Gy-<lb/>
mna&#x017F;io</hi> kam, (&#x017F;o deuchte es mich im Traume,)<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ahe ich, daß ein neuer und gantz anderer Ke-<lb/>
gel an des vorigen Stelle war aufge&#x017F;tecket wor-<lb/>
den. Die Tra&#x0364;ume beku&#x0364;mmerten mich nicht<lb/>
wenig; es wa&#x0364;hrte aber nicht lange, &#x017F;o wurde<lb/>
die Deutung handgreifflich. Denn &#x017F;o ge&#x017F;und<lb/>
meine Wirthin dazumahl noch war, &#x017F;o wurde<lb/>
&#x017F;ie doch unvermuthet kranck, und in kurtzem &#x017F;tarb<lb/>
&#x017F;ie gar. Es kauffte das Haus ein ander Kret-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chmar</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0135] durch den Tod beraubet: vor was du wilt, ſo kan ich nicht umhin, dir abermal zwey merckwuͤrdige Traͤume zu erzehlen, die mir ſolche Veraͤnderung meines Zuſtandes vorher angedeutet. Die eine Nacht traͤumte mir, als ob meine Buͤcher mir aus denen Faͤ- chern, und Regalen des Repoſitorii fielen: ſo offt ich ſie wieder hinein ſetzte, ſo offte fielen ſie immer wieder heraus; dieß trieb ich im Schlaf ſo lange, bis mir das gantze Repoſitorium umfiel. Die dritte, oder vierdte Nacht darauf traͤumete mir, als ob der Bier-Kegel, den die Kretſchmer in Breßlau, wenn Schenck-Tag iſt, heraus- ſtecken, wie hier in der Saͤge, und im Einhorn vor dem Grimmiſchen Thore ſolche Kegel auch zu ſehen ſind, herunter und in Stuͤcken fiele. Jch gieng im Traume in das Gymnaſium dar- uͤber; und, weil es Schenck-Tag war, dachte ich immer, was ſie doch in ſolchem Falle machen wuͤrden. Wie ich aber aus dem Gy- mnaſio kam, (ſo deuchte es mich im Traume,) ſo ſahe ich, daß ein neuer und gantz anderer Ke- gel an des vorigen Stelle war aufgeſtecket wor- den. Die Traͤume bekuͤmmerten mich nicht wenig; es waͤhrte aber nicht lange, ſo wurde die Deutung handgreifflich. Denn ſo geſund meine Wirthin dazumahl noch war, ſo wurde ſie doch unvermuthet kranck, und in kurtzem ſtarb ſie gar. Es kauffte das Haus ein ander Kret- ſchmar F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/135
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/135>, abgerufen am 18.05.2024.