dem Eingange in das Gymnasium lieget, um zu hören, was er singe, und ob ich etwan einen Trost aus seinem Liede vor mich schöpffen könte. Und alß ich zuhörte, und darauf Achtung gab, so sang er eben die Worte: GOtt wird dich auch zu rechter Zeit aus aller Noth und Hertzeleid gantz wunderlich erlösen; welche zwar aus einem alten Liede genommen, das sich anfängt: Betrübtes Hertz sey wohlgemuth, was thust du so verzagen, und was die Bet- tel-Jungen bey mir gemeiniglich vor den Thüren zu singen pflegen; sie giengen mir aber dermas- sen zu Hertzen, daß es nicht anders war, als wenn es GOtt selbst zu mir ins Hertze spräche, so daß ich das, was mir dießmahl begegnete, vor eine Göttliche Schickung ansahe. Der Trost war überschwenglich, mit dem ich aufge- richtet wurde, und gieng mit lebendiger und frölicher Hoffnung, das Ende meiner Plagen zu erleben, von dannen; habe auch diese Bege- benheit stets unter die Haupt-Umstände meines Lebens, und unter die gantz besondern Tröstun- gen GOttes gezehlet, womit meine Seele in großen Nöthen, so mich betroffen, erquicket worden.
§. 25.
Sey hier, Geliebter Leser, nicht curieus zu wissen, was denn das wohl vor Sünden
müssen
eines Bettlers getroͤſtet:
dem Eingange in das Gymnaſium lieget, um zu hoͤren, was er ſinge, und ob ich etwan einen Troſt aus ſeinem Liede vor mich ſchoͤpffen koͤnte. Und alß ich zuhoͤrte, und darauf Achtung gab, ſo ſang er eben die Worte: GOtt wird dich auch zu rechter Zeit aus aller Noth und Hertzeleid gantz wunderlich erloͤſen; welche zwar aus einem alten Liede genommen, das ſich anfaͤngt: Betruͤbtes Hertz ſey wohlgemuth, was thuſt du ſo verzagen, und was die Bet- tel-Jungen bey mir gemeiniglich vor den Thuͤren zu ſingen pflegen; ſie giengen mir aber dermaſ- ſen zu Hertzen, daß es nicht anders war, als wenn es GOtt ſelbſt zu mir ins Hertze ſpraͤche, ſo daß ich das, was mir dießmahl begegnete, vor eine Goͤttliche Schickung anſahe. Der Troſt war uͤberſchwenglich, mit dem ich aufge- richtet wurde, und gieng mit lebendiger und froͤlicher Hoffnung, das Ende meiner Plagen zu erleben, von dannen; habe auch dieſe Bege- benheit ſtets unter die Haupt-Umſtaͤnde meines Lebens, und unter die gantz beſondern Troͤſtun- gen GOttes gezehlet, womit meine Seele in großen Noͤthen, ſo mich betroffen, erquicket worden.
§. 25.
Sey hier, Geliebter Leſer, nicht curieus zu wiſſen, was denn das wohl vor Suͤnden
muͤſſen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0146"n="100"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">eines Bettlers getroͤſtet:</hi></fw><lb/>
dem Eingange in das <hirendition="#aq">Gymnaſium</hi> lieget, um zu<lb/>
hoͤren, was er ſinge, und ob ich etwan einen<lb/>
Troſt aus ſeinem Liede vor mich ſchoͤpffen koͤnte.<lb/>
Und alß ich zuhoͤrte, und darauf Achtung gab,<lb/>ſo ſang er eben die Worte: <hirendition="#fr">GOtt wird dich<lb/>
auch zu rechter Zeit aus aller Noth und<lb/>
Hertzeleid gantz wunderlich erloͤſen;</hi> welche<lb/>
zwar aus einem alten Liede genommen, das ſich<lb/>
anfaͤngt: <hirendition="#fr">Betruͤbtes Hertz ſey wohlgemuth,<lb/>
was thuſt du ſo verzagen,</hi> und was die Bet-<lb/>
tel-Jungen bey mir gemeiniglich vor den Thuͤren<lb/>
zu ſingen pflegen; ſie giengen mir aber dermaſ-<lb/>ſen zu Hertzen, daß es nicht anders war, als<lb/>
wenn es GOtt ſelbſt zu mir ins Hertze ſpraͤche,<lb/>ſo daß ich das, was mir dießmahl begegnete,<lb/>
vor eine Goͤttliche Schickung anſahe. Der<lb/>
Troſt war uͤberſchwenglich, mit dem ich aufge-<lb/>
richtet wurde, und gieng mit lebendiger und<lb/>
froͤlicher Hoffnung, das Ende meiner Plagen zu<lb/>
erleben, von dannen; habe auch dieſe Bege-<lb/>
benheit ſtets unter die Haupt-Umſtaͤnde meines<lb/>
Lebens, und unter die gantz beſondern Troͤſtun-<lb/>
gen GOttes gezehlet, womit meine Seele in<lb/>
großen Noͤthen, ſo mich betroffen, erquicket<lb/>
worden.</p></div><lb/><divn="1"><head>§. 25.</head><lb/><p>Sey hier, <hirendition="#fr">Geliebter Leſer,</hi> nicht <hirendition="#aq">curieus</hi><lb/>
zu wiſſen, was denn das wohl vor Suͤnden<lb/><fwplace="bottom"type="catch">muͤſſen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[100/0146]
eines Bettlers getroͤſtet:
dem Eingange in das Gymnaſium lieget, um zu
hoͤren, was er ſinge, und ob ich etwan einen
Troſt aus ſeinem Liede vor mich ſchoͤpffen koͤnte.
Und alß ich zuhoͤrte, und darauf Achtung gab,
ſo ſang er eben die Worte: GOtt wird dich
auch zu rechter Zeit aus aller Noth und
Hertzeleid gantz wunderlich erloͤſen; welche
zwar aus einem alten Liede genommen, das ſich
anfaͤngt: Betruͤbtes Hertz ſey wohlgemuth,
was thuſt du ſo verzagen, und was die Bet-
tel-Jungen bey mir gemeiniglich vor den Thuͤren
zu ſingen pflegen; ſie giengen mir aber dermaſ-
ſen zu Hertzen, daß es nicht anders war, als
wenn es GOtt ſelbſt zu mir ins Hertze ſpraͤche,
ſo daß ich das, was mir dießmahl begegnete,
vor eine Goͤttliche Schickung anſahe. Der
Troſt war uͤberſchwenglich, mit dem ich aufge-
richtet wurde, und gieng mit lebendiger und
froͤlicher Hoffnung, das Ende meiner Plagen zu
erleben, von dannen; habe auch dieſe Bege-
benheit ſtets unter die Haupt-Umſtaͤnde meines
Lebens, und unter die gantz beſondern Troͤſtun-
gen GOttes gezehlet, womit meine Seele in
großen Noͤthen, ſo mich betroffen, erquicket
worden.
§. 25.
Sey hier, Geliebter Leſer, nicht curieus
zu wiſſen, was denn das wohl vor Suͤnden
muͤſſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/146>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.